| # taz.de -- Irak nach der IS-Herrschaft: Auferstanden in Ruinen | |
| > Sunnitisches Todesdreieck, so hieß die Region im Irak, in der erst | |
| > al-Qaida und dann der IS das Sagen hatten. Beide sind besiegt. Neue | |
| > Hoffnung entsteht. | |
| Bild: Erste HochschulabsolventInnen nach der IS-Herrschaft verlassen die Uni vo… | |
| Falludscha/Ramadi taz | Das ist eigentlich das Letzte, was man hier | |
| erwartet. Kurz nach der zerbombten Schnellstraßenbrücke prangt ein | |
| Ortseingangsschild: „Ich – Herzchen – Falludscha“, steht dort geschrieb… | |
| Eine kuriose Liebeserklärung an einen Ort, der vor allem durch Krieg und | |
| Terror weltweit bekannt geworden ist. | |
| Das sunnitische Todesdreieck, so nannte man diese Gegend und die Provinz | |
| Anbar eine gute Autostunde westlich von Bagdad entfernt, in der die Stadt | |
| Falludscha liegt. Hier begann der militante Widerstand gegen die US-Armee, | |
| später entstand dort al-Qaida im Irak. Vor vier Jahren war die Provinz ohne | |
| großen Widerstand vom „Islamischen Staat“ (IS) überrannt worden, bevor sie | |
| zwei Jahre später Stück für Stück wieder von der irakischen Armee | |
| zurückerobert werden konnte. | |
| In all dieser Zeit war Falludscha für westliche Journalisten eine | |
| No-go-Area. Die Gefahr, entführt zu werden, war einfach zu groß. Jetzt kann | |
| man die Reise wieder wagen. | |
| Der erste Gang in der Stadt führt dann auch zum lokalen Polizeichef, ein | |
| freundlich wirkender Mann. „Die Stadt ist völlig sicher. Seit der | |
| Rückeroberung vom IS hat es hier keinen einzigen Anschlag gegeben“, stellt | |
| Polizeioberst Jamal Latif erst einmal fest. Das Wichtigste sei jetzt die | |
| Arbeit der Geheimdienste, um eventuelle Schläferzellen des IS auszumachen. | |
| Dabei sei die Zusammenarbeit zwischen den Einwohnern der Stadt und den | |
| Sicherheitskräften ganz hervorragend. Latif wirkt entspannt, wie er seinen | |
| Mokka schlürft und mit seinen Untergebenen und einer Reihe Besuchern aus | |
| der Stadt Witze reißt. | |
| ## Der Wiederaufbau kommt in Gang | |
| Bei der Fahrt durch Falludscha lassen sich die Folgen des Kriegs nicht | |
| übersehen. Zu beiden Seiten der Einfallstraße finden sich immer wieder | |
| zerbombte Häuserruinen. Eine der großen Moscheen ist voller | |
| Einschusslöcher. Staatliche Gelder zum Wiederaufbau gibt es nicht, nur wer | |
| privat über genügend Mittel verfügt, kann sein Haus wieder aufbauen. Das | |
| geschieht. An vielen Orten wird gemauert, gehämmert, verputzt und | |
| gestrichen. | |
| Eine Straßenecke wirkt geradezu wie das Sinnbild Falludschas. Auf der einen | |
| Seite sind die Schatten der Vergangenheit zu sehen: ein Gebäude, das wie | |
| ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt ist. So sehen Häuser aus, die aus | |
| der Luft bombardiert wurden. Hier waren IS-Kämpfer stationiert, erzählen | |
| die Nachbarn. An der anderen Ecke steht die Hoffnung auf die Zukunft: eine | |
| kleine Villa, in der sich die lokale Parteizentrale einer sunnitischen | |
| Partei befindet. Die Sunniten hätten sich früher aus dem politischen System | |
| ausgeschlossen gefühlt, erzählt dort Ahmad al-Jumeili, der lokale Chef der | |
| „Partei der Nationalen Zukunft“. Jetzt hätten die Menschen wieder das | |
| Gefühl, sie könnten etwas durch politische Arbeit erreichen, glaubt er. „Es | |
| gibt ein neues Verständnis bei der Zentralregierung in Bagdad, alle | |
| miteinzuschließen, auch uns in der Provinz Anbar“, sagt er. Wenngleich die | |
| Probleme Falludschas nicht zu verleugnen seien, allen voran die | |
| Arbeitslosigkeit und die fehlenden Mittel für den Wiederaufbau. Aber alles | |
| zusammengerechnet sei er optimistisch, dass es ab jetzt mit Falludscha | |
| bergauf gehe, sagt Ahmad al-Jumeili. | |
| ## Der Dichter und sein Blick in die IS-Vergangenheit | |
| Zwischen den Ruinen herrscht Aufbruchsstimmung. In einem Café treffen wir | |
| Ahmad Haqi, ein vor allem unter Jugendlichen bekannter Dichter und | |
| Intellektueller. Zweimal war er vom Islamischen Staat eingesperrt worden, | |
| einmal, weil man ihm linkes Gedankengut vorwarf, und einmal, weil er seinen | |
| Bart abrasiert hatte. Ahmad Haqi hatte Glück, er kam jedes Mal wieder frei. | |
| Manche seiner besten Freunde hat er das letzte Mal im IS-Gefängnis gesehen. | |
| Die Zeit des IS sei wie ein Filmdrama gewesen, meint er rückblickend. „Wir | |
| wurden in diesen Film reingezogen, hatten aber gleichzeitig immer das | |
| Gefühl, wir schauen nur zu. Wir wussten immer, dass der Film einmal zu Ende | |
| geht, aber, anders als im Kino, hatten wir keine Ahnung, wann“, schildert | |
| er die bittere Zeit. Sowohl der Polizeichef als auch der Lokalpolitiker | |
| betonen, dass der IS ein auswärtiges Phänomen gewesen sei. Die Einwohner | |
| Falludschas oder doch „zumindest 90 Prozent von ihnen“ hätten die | |
| Terrorherrschaft nie unterstützt. | |
| Stimmt das wirklich? Ist der IS in der hiesigen Gesellschaft, die doch so | |
| für ihre strenge Auslegung ihrer Religion und für ihre von | |
| Stammestraditionen getragenen Vorstellungen bekannt ist, tatsächlich | |
| besiegt? Ahmad Haqi zögert mit seiner Antwort. „Der IS, das sind nicht nur | |
| die Kämpfer und ihre Waffen. Ihr schlimmster Sprengstoffgürtel, das ist | |
| ihre Ideologie, und die ist immer noch vorhanden, wenngleich in geringeren | |
| Ausmaß. Es war sehr dunkel und es wird langsam heller“, erwidert er vage. | |
| Einiges habe sich nicht geändert, meint er, wie etwa die | |
| Jugendarbeitslosigkeit. „Der IS hatte die Jugendlichen damals hier in ihrer | |
| Leere abgeholt. Die Jugend hat eine Menge Energie, die raus muss. Der IS | |
| hat diese Energie ausgenutzt und gesagt, los kommt zu uns, wir brauchen | |
| euch. Er hat zu den Jugendlichen, die in den Cafés herumsaßen, gesagt, hier | |
| hast du eine Arbeit, eine Frau und ein monatliches Gehalt. Das habe bei | |
| einigen funktioniert.“ Der IS ist weg, aber die Leere sei immer noch da, | |
| warnt er. „Aber eigentlich bin ich doch optimistisch, was die Zukunft | |
| Falludschas angeht“, sagt er, dann macht er eine Pause, deutet auf seinen | |
| Kopf und macht eine kreisende Handbewegung. „Aber irgendwas hier in meinem | |
| Kopf sagt mir, vielleicht könnte da noch ein anderer Film kommen.“ | |
| ## Die Radiomacher wollen nur in die Zukunft blicken | |
| Die drei Freunde Odai al-Khatib, Ali al-Bagdadi und Ahmad Azami sind alle | |
| Mitte dreißig. Sie wollen nicht zurückblicken oder sich vor neuen Filmen | |
| fürchten. Sie sind gerade dabei, eine neue Radiostation aufzubauen: „Radio | |
| Falludscha FM“. Ihr sehr bescheidendes Studio befindet sich im ersten Stock | |
| eines Gebäudes in der Innenstadt. Ali al-Bagdadi zieht den Regler am Mixer | |
| hoch, und einer der neuen irakischen Hits erklingt. Die Zeiten, als Musik | |
| in Falludscha vom IS als Teufelswerk verpönt war, die sind vorbei. | |
| Die drei Freunde hatten schon einmal eine Radiostation in Falludscha, die | |
| sie 2007 gemeinsam aufgebaut hätten, erzählt Ali al-Bagdadi. Das Ganze war | |
| dann aber jäh unterbrochen worden, als der IS im Januar 2014 über die Stadt | |
| hereinfiel. „Damals hat der IS unser Studio ausgeräumt und alle Geräte | |
| gestohlen“, sagt er. Er sei dann mit seinen Freunden in den Norden | |
| geflohen. Sobald der IS in Falludscha besiegt war, seien sie | |
| zurückgekommen. Al-Bagdadi verkaufte ein Stück Land, um das Studio wieder | |
| einzurichten. „Wir haben praktisch wieder bei null angefangen“, sagt er. | |
| Unterdessen kündigt der Moderator Ahmad Azami ein Musikstück nach dem | |
| anderen an. „Wir machen alles, um wieder auf die Beine zu kommen. Mit | |
| unserer Radiostation hoffen wir das wirkliche Gesicht dieser Stadt | |
| Falludscha zu zeigen“, sagt er. Wie das denn genau aussehe, frage ich. „Die | |
| Menschen hier möchten in Frieden leben. Sie lieben das Leben. Wir möchten | |
| von dem Image wegkommen, dass Falludscha die Stadt des Todes, des Krieges | |
| und des Terrorismus ist. In dieser Stadt gibt es Künstler, Maler, | |
| Bildhauer, Theaterleute und Dichter. Das ist ein Hort der Kreativität“, | |
| zählt er begeistert auf. Sie wollen vergessen und endlich ein normales | |
| Leben leben in Falludscha. | |
| Und wenn man aus der Radiostation kommt und dann über den benachbarten | |
| Markt spaziert, ist es leicht, die turbulente Vergangenheit der Stadt | |
| hinter sich zu lassen. Marktschreier preisen lautstark Obst und Gemüse an, | |
| das von den Kunden genau begutachtet wird. Der Metzger vertreibt | |
| verzweifelt die Fliegen. Ein ganz normaler orientalischer Markt in einer | |
| Stadt, die sich so sehr nach Normalität sehnt. | |
| ## Entspannung statt Krieg an der Euphrat-Brücke | |
| Ein paar Häuserblocks entfernt erstreckt sich der Euphrat. Die von den | |
| Engländern im Jahr 1922 erbaute Stahlbrücke über den Fluss gilt als das | |
| Wahrzeichen der Stadt. Auch diese Brücke hat eine bewegte Vergangenheit | |
| hinter sich. 2004 waren vier Söldner des privaten US-Sicherheitsunternehmen | |
| Blackwater in Falludscha in einen Hinterhalt geraten. Ihre verkohlten | |
| Leichen wurden an ein Fahrzeug gehängt und, begleitet von einem feiernden | |
| Mob, durch die Stadt geschleift; dazu erklang der Ruf: „Das ist unser | |
| Falludscha, was habt ihr hier zu suchen?“ Anschließend hat man die Leichen | |
| an der Brücke aufgehängt und zur Schau gestellt. Die Bilder dieser | |
| Gräueltat gingen damals um die Welt. | |
| Die erste Querverstrebung der Brücke, an der dies vor 14 Jahren geschehen | |
| ist, ist heute frisch gestrichen. Denn die Brücke wird gerade wieder | |
| aufgebaut. Der Islamische Staat hatte den Mittelteil 2016 gesprengt, um das | |
| Vorrücken der irakischen Truppen aufzuhalten und die Einwohner an einer | |
| Flucht zu hindern. Für heute machen die Arbeiter Feierabend, denn der Abend | |
| naht. Einige Dutzend Einwohner versammeln sich um die Brücke, um den | |
| Sonnenuntergang und die friedliche Atmosphäre am Euphrat zu genießen. „Ist | |
| das nicht schön, unser Falludscha“, sagt einer von ihnen, nachdem er sein | |
| Fahrrad an die kleine Mauer an der Einfahrt zur Brücke gelehnt hat, um dann | |
| still zu betrachten, wie der Abend den Euphrat in rote Farbtöne tränkt, | |
| während die Sonne am anderen Ufer wegtaucht. | |
| Auch in der Provinzhauptstadt Ramadi ist die Straßenbrücke vom Islamischen | |
| Staat gesprengt worden. Zerstörte Brücken, die eigentlich verbinden | |
| sollten, scheinen das Sinnbild der jüngeren irakischen Vergangenheit zu | |
| sein. Auch an der Universität mit seinen 18.000 Studenten ist die | |
| vergangene Zeit allgegenwärtig. Mehrere Lehrgebäude sind vom Krieg | |
| beschädigt. Die Hälfte des Komplexes der Politologen und | |
| Wirtschaftswissenschaftler wurde bei einem Luftangriff weggesprengt. Der IS | |
| hatte den Uni-Campus als Stützpunkt genutzt. | |
| ## Erste StudentInnen machen wieder ihren Abschluss | |
| Zwischen den teils zerstörten Lehrgebäuden zieht eine feierliche Prozession | |
| von Ingenieursstudenten und -studentinnen, die ausgelassen singend und | |
| tanzend ihre Graduierung feiern. Es ist ein besonderer Moment, denn es sind | |
| die ersten Studenten, die seit den Zeiten des IS hier ihren Abschluss | |
| machen konnten. Die graduierten Frauen der Ingenieurswissenschaften in | |
| ihren Talaren und viereckigen schwarzen Doktorhüten zum Studienabschluss | |
| sind die gelebte Antithese zur IS-Vergangenheit – genauso wie die | |
| Tatsache, dass auch die Kunstakademie wieder ihre Arbeit aufgenommen hat. | |
| Junge Frauen zeichnen Skizzen oder sitzen malend vor ihren Paletten. Der | |
| Andrang ist groß, sagt der Bildhauer-Lehrmeister Maath Khalil im Nebenraum. | |
| „Früher hatten wir keine Studentinnen an der Kunstakademie, das entsprach | |
| nicht den konservativen Vorstellungen in der Provinz, schon lange vor dem | |
| IS. Aber das hat sich in der Post-IS-Zeit gewaltig geändert, heute haben | |
| wir mehr Studentinnen als Studenten“, schildert er und führt in einen | |
| völlig verwüsteten Saal nebenan. Hier wurde früher Theater gespielt, und | |
| der Saal diente auch als Kino. „Die IS-Leute haben zunächst alle Geräte und | |
| Scheinwerfer abmontiert und geplündert, was übrig blieb, haben sie | |
| kaputtgeschlagen“, erzählt Maath Khalil und fährt mit einer auslegenden | |
| Handbewegung einmal quer durch das einstige Kulturzentrum Ramadis. Im | |
| Moment gäbe es leider kein Geld, um den Saal wieder herzurichten, sagt er. | |
| Dann kommt der Musiklehrer Aiham Muhsen mit seiner arabische Laute in den | |
| Raum, stellt einen Stuhl in die Mitte, stützt seinen Fuß auf ein im Saal | |
| herumliegendes Stück Styropor ab und beginnt seine Oud zu spielen, eine | |
| gute Viertelstunde lang, bevor er schließlich absetzt. „Ich wollte einfach | |
| genau an diesem Ort zeigen, dass die Kunst über den IS gesiegt hat“, | |
| erklärt er und geht seines Weges. | |
| Eine der Studentinnen an der Universität ist Ayat Aa-Fahadawi, auch sie ein | |
| Symbol für die Aufbruchstimmung. Die junge Frau ist seit einigen Monaten | |
| die erste professionelle Fotografin in der ganzen Provinz Anbar mit ihren | |
| 1,5 Millionen Einwohnern. Von der Universität führt sie in das Fotostudio | |
| in der Innenstadt Ramadis, in dem sie, in dieser Gegend alles andere als | |
| selbstverständlich, seit mehreren Monaten mit ihren männlichen Kollegen | |
| zusammenarbeitet. | |
| ## Ayat al-Fahadawi, die einzige Fotografin der Provinz | |
| Zunächst wurde sie hauptsächlich zu Anlässen nur mit Frauen gerufen. „Die | |
| fühlen sich einfach wohler mit einer Fotografin“, sagt Ayat al-Fahadawi. | |
| Aber inzwischen arbeite sie überall. Er habe sie eingestellt, weil sie die | |
| mit Abstand beste Bewerberin gewesen sei, und das habe er keine Minute lang | |
| bereut, erzählt der Besitzer der Studios. „Die Menschen reagieren meist | |
| überrascht. Wie kommt es, dass da eine Frau mit einer Kamera unterwegs ist | |
| oder im Studio arbeitet? Aber sie haben sich langsam an mich gewöhnt“, | |
| fasst al-Fahadawi ihre Erfahrungen zusammen. „Die erste Frage ist stets: | |
| ‚Erlaubt deine Familie das eigentlich?‘ Dann sage ich immer, dass meine | |
| Familie sehr stolz auf mich ist“, schildert Ayat al-Fahadawi die Reaktionen | |
| auf ihr Auftreten. | |
| Wenn sie draußen außerhalb des Studios fotografiert, dann am liebsten in | |
| der Natur und am allerliebsten am Euphrat in der unmittelbaren | |
| Nachbarschaft ihres Wohnorts, eine halbe Autostunde außerhalb von Ramadi. | |
| Tatsächlich zeigt sich der Fluss hier auf dem Land zwischen den Feldern von | |
| seiner malerischsten Seite. | |
| Ayat al-Fahadawi zeigt auf ihr Geburtshaus, von dem nur noch die | |
| Grundmauern stehen. „Der IS hat es in die Luft gesprengt, weil mein Vater | |
| bei der Polizei ist“, sagt sie und deutet auf einen Kachelboden: „Das hier | |
| war mein Zimmer.“ Als der IS kam, gelang ihrer Familie eine abenteuerliche | |
| Flucht nach Bagdad. Dort lebte sie bis zur Befreiung Ramadis. Nun ist die | |
| Familie zurück. Ayat, ihr Bruder und ihre Eltern leben im Haus ihres | |
| Onkels. Geld, ihr altes Haus wieder aufzubauen, haben sie nicht. | |
| Wie denn die Nachbarn in dieser sehr konservativen Gegend darauf reagieren, | |
| dass seine Tochter als Fotografin arbeitet, frage ich ihren Vater, der auf | |
| einer Matratze im Garten zwischen Dattelpalmen sitzt, für die die | |
| Euphratregion so berühmt ist. Viele aus der Provinz seien vor dem IS | |
| geflohen und hätten in dieser Zeit in Bagdad, in den kurdischen Städten im | |
| Nordirak oder in der Türkei zwei Jahre lang bis zur Befreiung und ihrer | |
| Rückkehr in einer weniger konservativen Umgebung gelebt, erzählt er. „Das | |
| hat unsere einst geschlossene konservative sunnitische Stammesgesellschaft | |
| in Anbar geöffnet. Die Menschen hier sind toleranter geworden“, beschreibt | |
| er die Entwicklung. „Der IS“, sagt er und grinst, „hat also genau das | |
| Gegenteil von dem erreicht, was er wollte.“ | |
| „Es gibt ein irakisches Sprichwort: Je größer das Problem, umso größer die | |
| Kreativität“, meint Ayat al-Fahadawi. Vielleicht ist sie genau deswegen | |
| hier Fotografin geworden. Ein paar hundert Meter vom Haus ihres Onkels | |
| steht eine andere ausgebombte Ruine. „Das waren einst unsere Nachbarn, die | |
| mit dem Islamischen Staat gemeinsame Sache gemacht haben. Von diesem Haus | |
| aus haben sie auf uns geschossen“, erinnert sich die 20-Jährige und richtet | |
| die Kamera auf das zerstörte Haus, dessen graue Zementüberreste langsam vom | |
| Grün der Pflanzen überwuchert werden. „Immer wenn ich so etwas | |
| fotografiere, konzentriere ich mich nicht auf die Zerstörung, sondern auf | |
| das neue Leben, das dazwischen aufkeimt“, sagt sie und drückt auf den | |
| Auslöser. | |
| 3 May 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Karim El-Gawhary | |
| ## TAGS | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Irak | |
| al-Qaida | |
| Schwerpunkt Islamistischer Terror | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Irak | |
| Mossul | |
| Falludscha | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| UN-Bericht zu Syrien und Irak: Noch bis zu 30.000 IS-Kämpfer | |
| Die Macht des IS in Syrien und Irak ist gebrochen. Doch es halten sich noch | |
| immer Tausende Kämpfer im Land auf, heißt es in einem Bericht der Vereinten | |
| Nationen. | |
| Parlamentswahl im Irak: Schiitischer Geistlicher liegt vorn | |
| Ministerpräsident Haidar al-Abadi droht eine Niederlage. Nach ersten | |
| Ergebnissen der Parlamentswahl liegt überraschend der Geistliche Muktada | |
| al-Sadr vorn. | |
| Kampf gegen den IS im Irak: Wo neuer Hass gesät wird | |
| Vor drei Jahren rief IS-Chef al-Baghdadi das Kalifat aus. Nun ist seine | |
| Hochburg Mossul bitter umkämpft – der IS beinah besiegt. Doch es lauern | |
| neue Gefahren. | |
| Krieg gegen den IS im Irak: In der Hölle von Falludscha | |
| Wer flieht, riskiert, vom IS erschossen zu werden. Wer bleibt, isst | |
| verrottete Datteln, trinkt dreckiges Wasser und hofft, zu überleben. | |
| IS-Hochburg Falludscha im Irak: Massengrab entdeckt | |
| Der IS tötet offenbar Zivilisten, die aus dem umkämpften Falludscha | |
| fliehen. Derweil wurde nahe der irakischen Stadt ein Massengrab von Opfern | |
| entdeckt. |