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# taz.de -- Künstler druckt das Internet aus: 3.406 Bände voller Wikipedia
> Der New Yorker Künstler Michael Mandiberg hat das Lexikonprojekt in
> Buchform gebracht. Die Leseerfahrung ändert sich dadurch.
Bild: Wer braucht denn sowas? Wikipedia jetzt auch in Buchform
BERLIN taz | Bücher über Bücher, bis unter die hohe Decke des Altbaus. Die
meisten sind auf einer Fototapete nur angedeutet, doch an einigen Stellen
reihen sich echte Bände in den Regalen. Zieht man einen davon heraus, steht
auf dem weißen Buchdeckel in markanten Lettern – „Wikipedia“.
[1][Der New Yorker Künstler Michael Mandiberg] hat tatsächlich die
deutschsprachige Wikipedia gedruckt – zumindest Teile davon. Ein Jahr zuvor
hatte er das schon mit der englischsprachigen Online-Enzyklopädie gemacht.
Das Ergebnis: 3.406 Bände füllen einen ganzen Raum. [2][In 100 von ihnen
können Besucher_innen der Berliner Galerie „Import Projects“ bis zum 2.
Juli selbst blättern] – die hat Mandiberg als Bücher binden lassen.
Wie umfangreich das Projekt werden würde, konnte Mandiberg zu Beginn selbst
nicht einschätzen. „Wie groß ist Wikipedia?“ fragte er sich und rechnete
erst einmal mit einer sechsmonatigen Schaffensphase. Tatsächlich verbrachte
er zusammen mit dem Programmierer Jonathan Kiritharan vier Jahre an diesem
Projekt.
Mandiberg ist seit 2009 selbst als Autor bei Wikipedia aktiv. „Mit einer
Gruppe von Leuten haben wir begonnen, Einträge zu moderner Kunst zu
verfassen, weil es davon nur wenige gab“, sagt Mandiberg. So begann er sich
für die Enzyklopädie zu interessieren.
Wikipedia gehört zu den meistgeklickten Webseiten überhaupt. Weltweit
beteiligen sich 70.000 ehrenamtliche Autor_innen in über 100 Sprachen
daran. Allein die deutschsprachige Version umfasst beinahe zwei Millionen
Artikel.
## Bücher sind greifbar – und sperrig
Die Zahlen mögen beeindruckend klingen, doch wirklich etwas darunter
vorstellen kann sich niemand. „Bücher hingegen sind Informationseinheiten,
die wir begreifen können“, meint Mandiberg. Deshalb übertrug er die
Online-Enzyklopädie in das ältere Medium. Zum Vergleich: Der Brockhaus in
der 21. Auflage mit seinen 30 Bänden wirkt winzig gegen das mehr als
hundert Mal so umfangreiche Mammutprojekt.
Was der Besuch der papieren Wikipedia-Bibliothek vor allem zeigt: Bücher
sind ganz schön sperrig. Statt online ganz einfach Begriffe in das
Suchfenster einzutippen, dauert die Recherche in Büchern erheblich länger.
Manche der höheren Regale können sogar nur über eine Leiter erreicht
werden. „Die gedruckte Version hat eine Funktion und auch wieder nicht. Es
ist sowohl Wissen als auch Kunst“, sagt Mandiberg.
Ein Nutzen ist tatsächlich nicht unmittelbar einleuchtend. Schließlich
zeichnet sich die Wikipedia gerade durch ständigen Wandel und Wachstum aus.
Ein Lexikon in Papierform hingegen verharrt in einem bestimmten Moment.
Schon im Augenblick des Drucks war Mandibergs Bibliothek veraltet. „Das ist
genau der Punkt und Teil des Projekts“, sagt Mandiberg amüsiert. „In zehn
oder fünfzehn Jahren bedeuten diese Bücher etwas ganz anderes als heute.
Wir erleben eine Bibliothek ganz anders als eine Online-Enzyklopädie.“
Das beginnt schon mit der Navigation: Kein Hangeln über Links von Artikel
zu Artikel, sondern geduldiges Blättern nach alphabetischer Reihenfolge.
Der Kontext ändert sich dadurch: Da steht der Eintrag zu Albus Dumbledore
neben einem anderen, realen, Albus. Da wird deutlich, wie viele Einträge
sich mit der DDR beschäftigen – fast drei Bände – oder der große Einfluss
der englischen Sprache, wenn Einträge mit „New“ beginnend immerhin vier
Bände füllen. „Die Online-Version würde man auf diese Art und Weise nicht
lesen“, so Mandiberg.
In den kommenden Tagen wird Mandiberg die Bücher auch auf die
Print-on-demand-Plattform lulu.com hochladen. Für stolze 75 Euro pro Band
kann sich jede_r dann selbst eine Wikipedia-Bücherei zusammenstellen – oder
einfach weiterhin auf die frei verfügbare Online-Version zurückgreifen.
31 May 2016
## LINKS
[1] http://www.mandiberg.com/
[2] http://import-projects.org/print-wikipedia-from-aachen-to-zylinderdruckpres…
## AUTOREN
Jana Lapper
## TAGS
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