# taz.de -- Bezieherin von Grundeinkommen: Die erstaunliche Wirkung von Geld | |
> Grundeinkommen abgreifen und dann Florida-Rolf werden? Von wegen. Katrin | |
> Klink nutzt ihr gewonnenes Geld, um mehr zu arbeiten als vorher. | |
Bild: Uralte chinesische Münzen in der Sonderausstellung „Geld“ in Chemnitz | |
Einmal pro Monat bekommt Katrin Klink 1.000 Euro überwiesen. Für nichts. | |
Als Geschenk. Das geht nun schon seit Januar 2016 so. Und einige Monate | |
hält der erstaunliche Zustand noch an. | |
Klink ist selbstständige Webdesignerin, Illustratorin und Dozentin. Sie | |
wohnt im Kölner Stadtteil Nippes. Im vergangenen Jahr nahm sie an einer | |
Lotterie teil, allerdings keiner normalen. Der in Berlin ansässige Verein | |
„Mein Grundeinkommen“ verloste unter hunderttausend Bewerbern viermal | |
12.000 Euro, auszuzahlen in Monatsraten von jeweils 1.000 Euro. Klink ist | |
eine der GewinnerInnen und seitdem Teil eines sozialen Experiments, das ihr | |
Leben und vielleicht noch viel mehr verändert. | |
„Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“, droht die Bibel | |
im ersten Buch Mose und verspricht ewige Plackerei. Wie aber verhalten sich | |
moderne Menschen, wenn plötzlich ihr Existenzminimum gedeckt ist und der | |
biblische Zwang zur Arbeit wegfällt? | |
Das ist die Frage, die der Verein anhand praktischer Beispiele klären will. | |
42 jährliche Grundeinkommen wurden bisher verlost, finanziert aus Spenden. | |
Klink hält es für möglich, dass eine Gesellschaft wie die deutsche extrem | |
profitieren würde, wenn alle Bürger Zugang zu einem Bedingungslosen | |
Grundeinkommen hätten. „Ich vermute, dass die Menschen lieber, länger und | |
mehr arbeiten würden, als sie es heute tun.“ Wie bitte? Ein Paradox. | |
Klink hat eine Menge geschafft. Seit die regelmäßigen Überweisungen aus | |
Berlin auf ihrem Konto eintreffen, hat sie ein Fernstudium für | |
betriebliches Gesundheitsmanagement absolviert und abgeschlossen. Außerdem | |
verfasste sie ein Buch. „Alles innerhalb der letzten sechs Monate“, betont | |
die 53-Jährige. | |
## 12.000 Euro garantiert | |
Unter Druck gesetzt, das zu tun, hat sie niemand. Sie hätte ihre | |
Arbeitszeit auch reduzieren können. Mal Pause machen, eine längere Auszeit | |
nehmen. Bei Katrin Klink trat jedoch ein anderer Effekt ein. Die | |
Möglichkeit zu weniger Mühsal hat sie als Chance für neue, zusätzliche | |
Tätigkeiten begriffen. Noch immer klingt sie erstaunt, als sie davon | |
erzählt. Die Idee mit der neuen Ausbildung sei ihr erst gekommen, nachdem | |
sie gewonnen hatte. | |
Die Aussicht auf garantierte 12.000 Euro reduzierte den finanziellen Druck. | |
Sie verschaffte ihr nicht nur eine gewisse Planungssicherheit, sondern auch | |
den innerlichen Freiraum, um Optionen für ihren Berufsweg zu erwägen. „Das | |
Fernstudium des Gesundheitsmanagements wäre ohne das Grundeinkommen nicht | |
möglich gewesen“, sagt Klink. | |
Dank des Studiums hat sie nun einen neuen Auftrag als Dozentin bei einem | |
Weiterbildungsinstitut in Köln akquiriert. Dort wird sie bald | |
beispielsweise Ärzte oder Fitnesstrainer beraten, die Betrieben Kurse zur | |
Gesundheitsprävention für die Beschäftigten anbieten wollen. Dabei geht es | |
unter anderem darum, wie die Unternehmen körperliche und seelische | |
Belastungen – Begleiterscheinungen der Lohnarbeit – reduzieren können. | |
Mit Stress kennt Klink sich aus. Seit mehreren Jahren trainiert sie | |
Heilpraktiker und anderes medizinisches Personal in der Handhabung eines | |
Gerätes, das die Funktionen des menschlichen Herzens misst. Die Ergebnisse | |
geben unter anderem Aufschluss über die Fähigkeiten der Probanden, mit | |
Stresssituationen zurechtzukommen. Aus dieser Arbeit hat Klink auch die | |
Lehre gezogen: „Wenn die Menschen in Deutschland durchschnittlich älter | |
werden und wir länger arbeiten wollen oder müssen, sollten wir rechtzeitig | |
den Arbeitsstress reduzieren. Sonst halten wir nicht durch.“ Auch dabei | |
könne das Grundeinkommen helfen. | |
## Altersarmut und Fachkräftemangel | |
Klink denkt politisch. Deshalb hat sie weitere Argumente auf Lager. „Als | |
Gesellschaft können wir nicht mehr so weitermachen wie bisher. Wir brauchen | |
politische Lösungen, weil es sonst zu massenhafter Altersarmut und | |
Fachkräftemangel kommt.“ | |
Sie spricht die Tatsache an, dass Millionen Rentner in Deutschland bald auf | |
Hartz IV angewiesen sein werden. Die eingezahlten Beiträge vieler | |
Beschäftigter reichen für angemessene Altersbezüge nicht aus. Ein | |
Grundeinkommen von beispielsweise 800 oder 1.000 Euro pro Monat könnte die | |
soziale Misere der kommenden Jahrzehnte lindern. | |
Beim zweiten Punkt sieht Klink die Lage so: Weil demnächst die | |
geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, rechnen Ökonomen damit, dass | |
einheimischen Unternehmen künftig Millionen Arbeitskräfte fehlen. Auch | |
diesem befürchteten Fachkräftemangel könnte das Grundeinkommen | |
entgegenwirken, meint die Dozentin. Weil der Druck auf die Arbeitnehmer | |
nachlasse, jeden miesen Job des puren Überlebens halber akzeptieren zu | |
müssen, wären etliche vielleicht auch bereit, zusätzliche Jahre zu | |
arbeiten. | |
Zufriedene Beschäftigte könnten also die Lücken stopfen, die der | |
demografische Wandel sonst reiße, argumentiert Klink. Sie sagt: „Die | |
Menschen wollen ja gern arbeiten, aber unter anderen Bedingungen.“ | |
5 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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