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# taz.de -- Bedingungsloses Grundeinkommen: Bürokratieabbau und Niedriglöhne
> Die Stadt Helsinki will mit einem Pilotversuch das bedingungslose
> Grundeinkommen testen. Es gibt Kritik von links.
Bild: In der Sauna und beim Grundeinkommen sind alle gleich: Rekordversuch mit …
Stockholm taz | Der Staat zahlt jeder Bürgerin und jedem Bürger monatlich
eine gleich hohe finanzielle Zuwendung – ohne Bedingungen oder
Bedürftigkeitsprüfung. Ein solches Grundeinkommen ist keine neue Idee. Aber
Finnland will das erste europäische Land sein, das es zumindest in einem
Pilotprojekt umsetzt – wenn ihm nicht die Schweiz zuvorkommt, in der am 5.
Juni eine Volksabstimmung dazu stattfindet.
Die finnische Sozialversicherungsbehörde Kela hat im Auftrag der
regierenden Koalition aus dem rechtsliberalen Zentrum, den Konservativen
und den Wahren Finnen verschiedene Modelle ausgearbeitet und unter dem
Titel „[1][Von der Idee zum Experiment?“] vorgestellt. Spätestens im Herbst
muss die Regierung entscheiden, dann könnte der Versuch 2017 starten.
Angesichts der angestrengten finnischen Staatsfinanzen ist klar, dass
derzeit nur das Modell Chancen auf Realisierung haben dürfte, das als
„kostenneutral“ eingeschätzt wird.
Dabei handelt es sich um ein „partielles Grundeinkommen“ von 550 bis 750
Euro, das zugleich alle bisherigen Sozialleistungen ersetzt. Zunächst
sollen es 1.500 bis 10.000 Personen erhalten, wobei die Auswahlkriterien
noch offen sind.
Die Idee eines Grundeinkommens sei zwar, dass alle es bekommen, auch die,
die arbeiten, betont Kela-Forscher Pertti Honkanen: Doch am liebsten würde
man den ersten Praxistest auf 25- bis 63-jährige Sozialleistungsbeziehende
beschränken. Da könne man Effekte eines Grundeinkommens beim
Bürokratieabbau und „den Anreizen, eine Arbeit anzunehmen“, am ehesten
testen.
## „Neoliberale Mogelpackung“?
Diese Ausrichtung hat umgehend kritische Stimmen vor allem der Linken und
der Grünen auf den Plan gerufen. Sie sehen darin eine „neoliberale
Mogelpackung“ einer rechtsliberal-konservativen Regierung mit einer
ausgeprägt unternehmerfreundlichen Schlagseite und Austeritätspolitik als
primärem Ziel. Zumal diese Koalition gerade zusätzliche Verschlechterungen
bei Arbeitszeit, Urlaubs- und Krankengeld sowie die Absicht, die
„Gewerkschaften an die Kandare nehmen“ zu wollen, verkündet hat.
Tatsächlich würde ein Höchstniveau von 750 Euro – die unterschiedlichen
Lebenshaltungskosten berücksichtigt, wären das in Deutschland rund 630 Euro
– beim gleichzeitigen Wegfall aller individuellen Sozialleistungen einen
weiteren verkappten Sozialabbau bedeuten. Zum Vergleich: Die allen Renten
Beziehenden garantierte Minimalpension liegt in Finnland derzeit bei 747
Euro. Auf die müssen keine Krankenversicherungsbeiträge gezahlt werden,
zusätzliche Leistungen wie etwa Wohngeld sind möglich.
Das angepeilte Niveau sei zu niedrig, meint deshalb auch Jan von Gerich,
Chefanalytiker der Nordea-Bank. Realistischerweise müsse ein Grundeinkommen
bei mindestens 1.000 Euro liegen. Das sei aber ohne Steuererhöhungen nicht
finanzierbar: Schon 550 Euro würden zusätzliche Staatsausgaben von 11
Milliarden Euro bedeuten.
Der Gewerkschaftsdachverband SAK hält das Experiment für „zu verwässert“,
als dass sinnvolle Resultate zu erwarten seien. Linke und Teile der
Sozialdemokraten warnen darüber hinaus, dass ein „Mini-Grundeinkommen“ den
Unternehmen nur ermöglichen werde, den jetzt schon großen Niedriglohnsektor
weiter auszuweiten. Der möglicherweise einzige Gewinn dieses Modells wäre
ein Bürokratieabbau. Den könnte man allerdings auch einfacher erreichen.
1 May 2016
## LINKS
[1] http://tietokayttoon.fi/julkaisu?pubid=10601
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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