# taz.de -- „Migrationspakt“ der EU: Abschottung per Abkommen | |
> Die EU will afrikanische Länder mit finanziellem Druck dazu bewegen, | |
> Migranten zurückzunehmen. Der Deal mit der Türkei dient als Vorbild. | |
Bild: Auch dort soll sich was ändern: Libyen, Juni 2016 | |
BRÜSSEL taz | Der umstrittene Flüchtlingspakt mit der Türkei soll nun auch | |
nach Afrika verlagert werden. Man habe aus dem Deal mit Ankara gelernt und | |
wolle ähnliche Abkommen auch mit ausgewählten Ländern aus dem Nahen Osten, | |
dem Maghreb und Afrika südlich der Sahara abschließen, erklärte | |
EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos. | |
Die EU-Kommission hat dazu einen sogenannten „Migrationspakt“ entworfen, | |
der am Dienstag in Straßburg vorgestellt wurde. Im Mittelpunkt steht dabei | |
der „Rückgang der irregulären Migration nach Europa“, wie Avramopoulos in | |
der Welt betonte. | |
Es geht also vor allem um Abschottung, nicht um die verstärkte Aufnahme von | |
Afrikanern. Vorschläge zur Schaffung legaler und sicherer Fluchtwege sucht | |
man in dem 14-seitigen Entwurf, der der taz vorab vorlag, denn auch | |
vergebens. Nur für Facharbeiter und hochqualifizierte Einwanderer soll es | |
künftig eine reformierte „Blue Card“ (Aufenthaltstitel) geben. | |
Für alle anderen Flüchtlinge und Einwanderer werden neue, hohe Hürden | |
gebaut. Die EU-Kommission setzt dabei auf die Mithilfe ihrer afrikanischen | |
„Partner“, die unerwünschte Migranten künftig umstandslos zurücknehmen | |
sollen. Dabei geht es zunächst um Jordanien und Libanon. Weitere Abkommen | |
sind mit Niger, Nigeria, Senegal, Mali und Äthiopien geplant. | |
Aber auch international geächtete Regimes wie Sudan oder Eritrea tauchen in | |
dem Kommissionspapier auf. Über Hilfen für diese und andere Länder habe man | |
bereits mit den EU-Staaten diskutiert, heißt es in der Vorlage. Allerdings | |
sei noch kein grünes Licht für eine Kooperation gegeben worden, hieß es in | |
Brüssel. | |
## Hilfsentzug und Strafen | |
Ziemlich konkret sind hingegen schon die Instrumente, mit denen man die | |
afrikanischen „Partner“ auf Kurs bringen will. Kooperationsbereite Länder | |
sollen mit Finanzhilfen und Investitionen belohnt werden. Im Rahmen | |
sogenannter „Migrationspartnerschaften“ sind dafür acht Milliarden Euro aus | |
dem EU-Budget vorgesehen – verteilt auf fünf Jahre. | |
Widerwillige Staaten müssen hingegen mit Hilfsentzug und anderen | |
Strafenrechnen; auch Handelssanktionen und Embargos dürften dazu zählen. | |
„Das ganze Arsenal finanzieller und außenpolitischer Instrumente muss | |
eingesetzt werden“, heißt es in dem Kommissionsentwurf. | |
Dass sich die Außenpolitik auf die Steuerung – und Eindämmung – der | |
Migration konzentrieren soll, hat die EU-Außenbeauftragte Federica | |
Mogherini bereits mehrfach betont. Auch die Staats- und Regierungschefs | |
haben die Wende bereits eingeleitet. Schon beim EU-Afrika-Gipfel im | |
vergangenen November auf Malta wurden die Weichen Richtung Abschottung | |
gestellt. | |
Kritik kam von der migrationspolitischen Sprecherin der Grünen im | |
Europaparlament, Ska Keller. Mit den geplanten Sanktionen verschärfe die | |
EU-Kommission Fluchtursachen, statt sie zu bekämpfen. Nötig sei mehr Hilfe | |
im Kampf gegen Armut und Krieg, so Keller. Doch davor drücke sich Brüssel: | |
„Was die EU-Kommission hier tut, ist die zynische Abweisung aller | |
Verantwortung.“ | |
Der Vizepräsident der Brüsseler Behörde, Frans Timmermans, wies die Kritik | |
zurück. Es gehe darum, den „unerträglichen Verlust von Menschenleben im | |
Mittelmeer“ zu beenden und „Ordnung in die Migrationsströme“ zu bringen, | |
sagte der Sozialdemokrat. Die EU diktiere den afrikanischen Ländern nicht | |
ihren Kurs, sondern schlage „maßgeschneiderte Partnerschaften“ vor. | |
7 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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