# taz.de -- Die Wahrheit: Kein Freigeld für alle! | |
> Eine Initiative unter Führung des Berliner Jobcenter-Leiters Markus | |
> Millner kämpft gegen das bedingungslose Grundeinkommen. | |
Bild: Bündel von Geld landen für umme in den Taschen der Armen | |
„Hilfe macht abhängig!“, ruft Markus Millner und schwenkt ein Transparent | |
mit dem Satz des ehemaligen Bundesministers Dirk Niebel (FDP). Ein paar | |
Passanten drehen sich verwirrt nach Millner um, dann gehen sie weiter. Er | |
regt sich oft auf dieser Tage. Immer wenn er in der Presse etwas über das | |
„bedingungslose Grundeinkommen“ liest. Das „besinnungslose Grundeinkommen… | |
wie er es gern nennt. „Leuten Geld dafür geben, dass sie nicht arbeiten! | |
Das macht man mit jemandem, den man wirklich, wirklich, wirklich hasst.“ | |
Millner weiß das aus eigener Erfahrung, in seiner Freizeit ist er Leiter | |
eines Jobcenters in Berlin. | |
Deutschland hat zurzeit 2.030 Milliarden Euro Schulden. Dennoch würden | |
linke Aktivisten daran arbeiten, dass der Staat jedem Bundesbürger 1.000 | |
Euro zahlt – ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. | |
„Ja“, sagt Millner, „auch ich würde gern 1.000 Euro im Monat einfach so | |
geschenkt bekommen. Wer würde das nicht? Nein! Eigentlich möchte ich nicht | |
einfach so von jemandem Geld geschenkt bekommen. Es ist immer ein | |
Hintergedanke dabei. Niemand schenkt einem einfach so Geld. Das ist ja das | |
eherne Prinzip von Hartz IV – fordern und fördern. Man muss etwas dafür | |
tun. Die Beine breit machen. Nennen wir es doch beim Namen! Und wir alle | |
können uns vorstellen, wie breit wir die Beine machen müssen, wenn Zahltag | |
ist, wenn wieder mal ein Krieg ausbricht und wir nicht mehr genug | |
Freiwillige in der Bundeswehr haben – oder wenn das Essen nicht mehr | |
reicht!“ Er hat sich im Eifer verschluckt und muss husten. | |
„Ja, ja, es heißt ,bedingungsloses Grundeinkommen'“, fährt er fort, „ab… | |
der Verteidigungsminister ist ja auch nicht der Chef der Anwälte, sondern | |
der Armee. Und die Bild nennt sich Zeitung … “ | |
Man merkt Millner an, dass er stundenlang so weitermachen könnte. Deshalb | |
hat er seine Initiative gegründet, die gegen das bedingungslose | |
Grundeinkommen kämpft. Die Initiative ist noch klein, nur er und ein | |
prominentes FDP-Mitglied, das bei ihren Demonstrationen eine Eselsmaske | |
trägt, um nicht erkannt zu werden, gehören dazu. Richtige Demonstrationen | |
bringt man noch nicht auf die Beine, bisher reichte es nur für diesen | |
kleinen Proteststand hier vor der Berliner Bundesdruckerei. Warum gerade | |
hier? „Die Bundesdruckerei ist ein Symbol für – das Drucken von Geld. | |
Natürlich können wir jedem Bundesbürger im Monat 1.000 Euro geben. Wir | |
müssen das Geld nur drucken. Aber dann ist unsere schöne Wirtschaft kaputt. | |
Dann haben wir nur noch Spielgeld.“ | |
## Ausgerechnet der Iran! | |
Dass andere Staaten ein Grundeinkommen eingeführt haben, will er nicht | |
gelten lassen. „Ja, ja“, sagt Millner. „Der Iran. Da kriegt jeder Bürger… | |
Dollar im Monat. Ausgerechnet am Iran sollen wir uns ein Beispiel nehmen. | |
Wir wissen doch, was der Iran noch so macht. Wer seinem Volk grundlos Geld | |
schenkt, vermummt auch Frauen und wirft Bomben. Und wenn die aus dem | |
Fenster springen, springen wir dann hinterher? Nein!“ | |
Vor den Gefahren des Grundeinkommens warnt auch eine Studie des | |
Arbeitgeberverbandes: Empfänger werden stundenlang vor dem Fernseher | |
sitzen, sich nicht mehr bewegen, immer dicker und dicker und kranker und | |
kranker werden und schließlich faul und dumm im Sofa sterben. | |
„Das ist auch der einzige positive Aspekt“, sagt Millner, „dass diese | |
rauchenden, trinkenden, Fastfood essenden Menschen nicht älter als 31 | |
werden. Da fallen dann etwa 36 Jahre weiterer Einkommensbezug weg, Rente | |
ebenfalls. Das ist insgesamt günstiger, als einem 18-Jährigen 49 Jahre lang | |
Hartz IV zu zahlen. Aber letztlich muss man sehen: Wenn das besinnungslose | |
Grundeinkommen kommt, sterben die Deutschen aus.“ | |
## Schlaflose Nächte wegen frustrierter Mitarbeiter | |
Er hält inne, ein Passant kommt vorbei, Millner drückt ihm einen | |
Kugelschreiber und eine kleine Infobroschüre in die Hand. Es gibt ein noch | |
schwerwiegenderes Problem, das Millner schlaflose Nächte bereitet: Wohin | |
mit dem brachliegenden Humankapital? | |
„Denken Sie an meine Mitarbeiter im Jobcenter. Wollen Sie diese labilen | |
Menschen 24 Stunden am Tag auf nette, harmlose Ehepartner und Kinder | |
loslassen? Familien, die sich abends auf Mutti freuen, die ihren Frust | |
tagsüber an dem ganzen faulen und asozialen Kundenpack abbauen konnte – und | |
die nun als schreiende, keifende, strafende Megäre zu Hause wütet. Die | |
schützenswerteste Zelle des Staates steht auf dem Spiel: die Familie!“ | |
„An der Arbeitslosigkeit hängen ja auch Arbeitsplätze“, wirft der FDP-Mann | |
mit der Eselmaske ein, „Fortbildung, Verwaltung. Wenn niemand mehr | |
arbeitslos ist, werden ganz viele Menschen arbeitslos. Sozial ist, was | |
Arbeit macht – das hat ja auch schon der ehemalige Kurz-Arbeitsminister | |
Franz Josef Jung gesagt.“ – „Schöner Spruch“, meint Markus Millner und | |
fängt an, die Kugelschreiber durchzuprobieren, ob auch alle schreiben: | |
„Mach da mal'n Transparent.“ | |
31 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Michael-André Werner | |
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