# taz.de -- Quecksilberverschmutzung in Peru: Notstand wegen Wahlkampf | |
> In der Region von Madre des Dios sind Luft, Wasser und Fische mit | |
> Quecksilber verseucht. Dass die Regierung aktiv wird, hat politische | |
> Gründe. | |
Bild: 100.000 Hektar Tropenfläche sollen bereits zerstört sein | |
Buenos Aires taz | Die peruanische Regierung hat wegen einer | |
Quecksilberverschmutzung den Notstand über elf Bezirke in der | |
Amazonasregion von Madre de Dios verhängt. Anlass ist ein Bericht des | |
Instituts für Zivilverteidigung, Indeci. Darin heißt es, „Luft, Wasser, | |
Sedimente und Fische“ in dem 85.000 Quadratkilometer umfassenden Gebiet | |
seien als Folge „der unsachgemäßen Praktiken des illegalen und informellen | |
Bergbaus bei der Goldgewinnung durch das Waschen von Schwemmsand“ | |
verseucht. | |
Der von Präsident Ollanta Humala dekretierte Notstand gilt für zunächst 60 | |
Tage und beschränkt sich logischerweise auf peruanisches Territorium. Da | |
die Region aber an Brasilien und Bolivien angrenzt, dürften auch dort weite | |
Gebiete mit Quecksilber belastet sein. | |
Allein in Peru sollen mindestens 50.000 Menschen betroffen sein, die | |
meisten von ihnen Indigene. Mit der Verhängung des Notstandes werden erste | |
Maßnahmen eingeleitet: So entsendet die Regierung medizinisches Personal | |
und schickt mobile Praxiseinrichtungen in die Region, um die Betroffenen | |
behandeln zu können. Zugleich sollen Sanierungsarbeiten erleichtert werden. | |
„Die Werte der untersuchten Personen sind extrem hoch“, sagte | |
Umweltminister Manuel Pulgar-Vidal und verwies auf ein Studie der | |
US-Universität Stanford. Danach liegt die Quecksilberbelastung in der | |
unmittelbaren Schürfzone um ein Achtfaches über dem Standardwert, in den | |
umliegenden Zonen um ein Vierfaches. | |
Rund 20 Prozent des in Peru gewonnenen Goldes stammen aus der im Südosten | |
liegenden Region Madre de Dios. Seit Beginn des Jahrtausends hat der | |
steigende Goldpreis Glücksritter auf den Plan gerufen, die hier informell | |
schürfen und ungeregelt Quecksilber einsetzen, um das Gold aus Geröll und | |
Sand zu waschen. Jährlich hinterlassen diese Mineros rund 40 Tonnen | |
Quecksilber in den Flüssen des peruanischen Amazonasgebiets; 100.000 Hektar | |
Tropenfläche sollen bereits zerstört sein. Die Fische in den verseuchten | |
Flüssen sind die Hauptnahrung der lokalen Bevölkerung. | |
## „Ein Drecksgeschäft“ | |
Die Umweltzerstörung ist nicht alles. Schon vor zwei Jahren schrieb das | |
Umweltministerium in einer Studie: „Die unkontrollierten Aktivitäten der | |
Minenarbeiter haben zu einer Unregierbarkeit der Region geführt.“ | |
So ist es womöglich eher dem Wahlkampf geschuldet, dass der noch amtierende | |
Präsident Humala zwei Wochen vor der Stichwahl um seine Nachfolge den | |
Notstand verhängt. Am 5. Juni wird der zukünftige Präsident gewählt. Dabei | |
hat die Kandidatin Keiko Fujimori gute Chancen, zu gewinnen. Denn sie hat | |
versprochen, die rechtliche Situation der illegalen und informellen Mineros | |
deutlich zu verbessern. | |
Für Umweltminister Pulgar-Vidal ist dies „ein unverantwortlicher | |
Vorschlag“. Und da der Präsident sich nicht in den Wahlkampf einmischen | |
darf, tut es seine Frau. Keiko unterstütze damit ein „Drecksgeschäft, das | |
mehr Geld bewegt als der Narco-Handel“, ließ First Lady Nadine Heredia | |
verbreiten. | |
Erst nach dem Urnengang wird sich zeigen, was sich die künftige Regierung | |
tatsächlich zutraut. Denn Perus wirtschaftliche Entwicklung hängt bislang | |
vom Bergbau und der Exportwirtschaft ab. Rund 60 Prozent der Exporterlöse | |
stammen aus dem Bergbaubereich. Vor allem Kupfer- und Silbervorkommen | |
werden entlang der Anden ausgebeutet. Zugleich ist das Land der weltweit | |
siebtgrößte Goldproduzent. Die Profiteure sind vor allem ausländische | |
Bergbau-Multis. | |
24 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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