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# taz.de -- Goldförderung in Kolumbien: Der Fluch der gelben Nuggets
> 10.000 Förderkonzessionen gibt es in Kolumbien, aber nur 40 zuständige
> Beamte. Zu Besuch auf einer Goldfarm, die den Umweltschutz erstmals ernst
> nimmt.
Bild: Süßwasser in Gefahr: Goldabbaugebiet in Kolumbien.
PUERTO LIBERTADOR taz | Ariel Hernández streift den Taucheranzug über,
klemmt sich den Schlauch in den Mund und springt in das bräunliche Wasser
des San Pedro. Wenig später signalisiert ein Ziehen an der Leine, die ihn
mit dem Kollegen an Bord des Schwimmbaggers verbindet, dass es losgehen
kann.
Der Saugstutzen unter der Wasseroberfläche ist an Ort und Stelle. Kollege
Mario Montes lässt den Motor aufheulen, und ein dicker Schwall
ockerfarbenen, mit Geröll versetzten Wassers ergießt sich über die große
rechteckige Fläche: das Sieb des Schwimmbaggers. Draga heißen die Ungetüme,
die von je drei Männern bedient werden: einem Taucher und zwei Kollegen,
die das röhrende Dieselaggregat und das rüttelnde Sieb bedienen.
Acht dieser schwimmenden Schürfmaschinen sind auf der Hacienda Orisava im
Einsatz. Die Farm befindet sich nur ein paar Kilometer vor dem Ortseingang
von Puerto Libertador. Die Provinzstadt im Norden Kolumbiens ist eines der
Zentren des informellen Goldbergbaus in Kolumbien.
Etliche Dutzend kleine Bergbauunternehmen schürfen entlang der beiden
Flüsse in der Region, des San Pedro und des San Jorge, und verwandeln die
grünen Weide- und Waldflächen in Ufernähe in eine Mondlandschaft. "Puerto
Libertador ist schon seit mehreren Dekaden eine Bergbaustadt.
Zwar gibt es offiziell nur eine größere Mine, aber dafür unzählige
inoffizielle, die extreme Umweltschäden hinterlassen", erklärt Javier
Arroya. Der großgewachsene junge Mann ist Umweltexperte der kirchlichen
Kinderrechtsorganisation Benposta. Die hat eine Zweigstelle in Puerto
Libertador und ein Arbeitsschwerpunkt liegt in der Beratung von informellen
Bergbauunternehmen.
"Wir wollen sie davon überzeugen wiederaufzuforsten und den Einsatz von
Quecksilber zu reduzieren", erklärt Javier Arroya. Der ist heute mit zwei
Kollegen gekommen und erklärt José Márquez und einigen seiner Arbeiter die
Pläne zur Wiederaufforstung am Laptop. Márquez, ein stämmiger Mann mit
Schnauzer und Baseballkappe, betreibt die kleine Mine seit 18 Monaten.
Seit nunmehr 15 Jahren schürft er in der Region im Departamento Córdoba.
Der Verwaltungsbezirk gehört zu den gefährlichsten Kolumbiens. Hier ist
nicht nur das Stammland der Paramilitärs, hier verlaufen auch strategisch
wichtige Schmuggelrouten für Kokain und Waffen. Abseits der größeren Städte
ist der Staat nur sporadisch präsent, wie selbst Behördenvertreter in
Montería, der Hauptstadt der Region, ohne Zögern zugeben.
Folgerichtig werden die Minen und deren Erträge an dem gelben Metall auch
nicht vom Staat, sondern zumeist von den Paramilitärs besteuert. In Puerto
Libertador ist das ein offenes Geheimnis, doch zugeben will das auch José
Márquez nicht.
## Kontrolle gibt es nicht
"Beamte oder Behördenvertreter, die das Treiben der Bergbauunternehmen
kontrollieren, Umweltauflagen verfügen und die Renaturierung einleiten,
gibt es nicht", klagt Javier Arroya. Deshalb hat er gemeinsam mit drei
Mitstreitern der Kirchenorganisation den ersten Renaturierungsplan in der
Region erarbeitet.
Mehrere tausend Bäume will er auf dem Areal, welches von José Márquez und
den rund sechzig Familien, die mit ihm und für ihn arbeiten, in etwa drei
Jahren ausgebeutet sein wird, anpflanzen lassen.
"Finanzieren werden das die Bergleute, und auch der Betreiber, ein
Unternehmer aus Medellín, wird sich daran beteiligen. So lautet die
Abmachung", erklärt Javier Arroya. In der Umgebung von Puerto Libertador
ein einzigartiges Projekt, denn Wiederaufforstung ist dort bisher ein
Fremdwort.
Es gibt doch genügend Regenwald und Weideland, lautet ein gern verwandtes
Argument der Einheimischen. Das stimmt vielleicht für die Region, aber in
Kolumbien wird angesichts des Booms des Goldpreises in immer mehr Regionen
nach Gold, aber auch nach Rohstoffen wie Nickel, Kupfer oder Kohle
gefahndet.
## Regierung fördert den Goldrausch
"Der Run auf neue Lagerstätten ist in vollem Gange, und Kolumbien hat
einiges zu bieten", sagt der Geologe Julio Fierro. Der Wissenschaftler hat
bis vor ein paar Jahren das Umweltministerium beraten und steht dem
Bergbauboom in seinem Heimatland kritisch gegenüber.
"Das erklärte Ziel der Regierung von Juan Manuel Santos ist es, Kolumbien
zu einem Bergbauland zu machen. Investoren werden die Türen geöffnet, aber
wir sind darauf gar nicht vorbereitet", klagt der kleine Mann von Ende
vierzig. Gerade 40 Beamte hat die zuständige Kontrollbehörde im
Ministerium. "Wie soll sie denn den Wust von rund 10.000 Förderkonzessionen
in allen Landesteilen kontrollieren?", fragt Fierro.
Experten wie der ehemalige Umweltminister Manuel Rodríguez Becerra
pflichten ihm bei. "Wir brauchen Kontrollinstanzen, die den Namen auch
verdienen, denn schließlich stehen zentrale Ressourcen auf dem Spiel. Das
Risiko, dass der Bergbau unsere Süßwasserdepots kontaminiert, ist immens",
sagt Rodríguez Becerra, Professor an der renommierten Universität de los
Andes in Bogotá.
Das Süßwasserproblem droht nicht nur rund um Puerto Libertador.
"Quecksilber wird in erheblichen Mengen eingesetzt, um das Gold vom Gestein
zu trennen", erklärt José Márquez. Es bindet nämlich das Gold und bildet
mit ihm Amalgam, das wiederum zu Boden sinkt auf den Grund eines
entsprechenden Gefäßes. Wenn man dann die Masse erhitzt, verdampft das
Quecksilber - und das Gold bleibt zurück. Die Dämpfe sind extrem giftig.
Márquez, Vater von fünf Kindern, von denen drei im Bergbaucamp leben, gibt
ihnen möglichst viel Obst zu essen, um der schädigenden Wirkung des
Quecksilbers zu begegnen. Außerdem benutzt er spezielle Matten, um das
Quecksilber aufzufangen, wenn er das Gold von den Gesteinsresten lösen
will, das seine Männer mit den Dragas aus dem Untergrund schwemmen. Rund
sechzig Familien leben insgesamt auf der Hacienda von der Goldsuche und
fördern jeden Tag etwa 160 Gramm des Edelmetalls.
## Quecksilber verpestet Böden und Flüsse
Das Quecksilber ist in vielen Regionen Kolumbiens längst zum Problem
geworden. Laut Angaben der Vereinten Nationen ist Kolumbien eines der
Länder mit der höchsten Quecksilber-Kontaminationsrate weltweit. Jedes Jahr
verschwinden fünfzig bis einhundert Tonnen Quecksilber in den Böden und
Flüssen Kolumbiens durch die Goldsuche, berichtet Marcello Veiga von der
UN-Organisation für industrielle Entwicklung (Unido).
Quecksilber ist in Kolumbien überall vorhanden und wird deshalb in
Bergbauregionen wie Segovia, Remedios oder Puerto Libertador in erheblichen
Mengen eingesetzt. Bemühungen, die Mengen zu reduzieren, sind als
Fortschritt zu werten. Doch das allein reicht nicht aus. "Wir müssen unsere
Wasserquellen besser schützen", mahnt der ehemalige Umweltminister Manuel
Rodríguez Becerra und fordert mehr Kontrollen.
Zwei Millionen Menschen gingen immerhin im Frühjahr 2011 auf die Straße, um
die Goldförderung durch einen kanadischen Konzern in der Nähe der Stadt
Bucaramanga zu verhindern. Dort hätte im offenen Tagebau auf knapp 3.000
Meter Höhe nahe einem für die Wasserversorgung wichtigen Schutzgebiet, des
Páramo de Santurbán, Gold gefördert werden sollen - doch die Gerichte
verweigerten dem Konzern die Lizenz zur Inbetriebnahme. Zuvor waren
allerdings die Konzessionen bewilligt worden, obwohl bekannt war, dass es
sich um eine sensible Region handelt, klagen Experten wie Fierro oder
Becerra.
## Keine Entschädigungen
Klare Regeln und Kontrollen - so lautet die zentrale Herausforderung für
Umweltschützer und lokale Politiker, denn die Investoren haben schon zu oft
Vorrang vor den Rechten der regionalen Bevölkerung gehabt. So wurden für
den Ausbau der größten Steinkohlemine Lateinamerikas, El Cerrejón, mehrere
Dörfer zwangsgeräumt. Bis heute warten die Dorfgemeinschaften auf
Entschädigungen, während die drei internationalen Bergbaugesellschaften
immense Gewinne einfahren.
Doch auch im Nachbarland Peru häufen sich die Proteste gegen die Folgen des
Bergbaus. Wasserverschmutzung und das Konkurrieren von Bergbau und
Landwirtschaft um das oft knappe Nass sind dort prägende Themen. Über
zweihundert Konflikte im Kontext des Bergbaus haben Umwelt- und
Sozialorganisationen in Peru registriert.
In Kolumbien sind es noch nicht ganz so viele. "Doch angesichts des Tempos,
das die Regierung Santos beim Ausbau des Bergbausektors anschlägt, kann
sich das schnell ändern", warnt Julio Fierro. Der Widerstand in Bucaramanga
oder Initiativen wie die in Puerto Libertador zeigen allerdings, dass die
negativen Seiten des Bergbaus wahrgenommen werden. Ob das positive Beispiel
der Hacienda Orisava allerdings Schule machen wird, muss sich noch zeigen.
26 Oct 2011
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Peru
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