# taz.de -- Bergbau in Argentinien: Wasser ist mehr wert als Gold | |
> Das argentinische Dorf Famatina wehrt sich gegen eine Mega-Mine. Es geht | |
> um 280 Tonnen Gold und Milliarden von Dollar. Die Bewohner haben Angst um | |
> Umwelt und Gesundheit. | |
Bild: Begehrte Barren: Der Goldpreis ist hoch. In den argentinischen Anden möc… | |
BUENOS AIRES taz | Ein kleines Dorf in der argentinischen Nordwestprovinz | |
La Rioja leistet Widerstand. Die knapp 5.000 BewohnerInnen von Famatina | |
stemmen sich gegen eine kanadische Bergbaufirma. | |
Diese hat von der Provinzregierung die Erlaubnis erhalten, in dem | |
gleichnamigen Berg Famatina nach Gold, Silber und Kupfer zu suchen. Dieser | |
Tage soll mit den Erkundungsbohrungen begonnen werden. Seit Anfang Januar | |
blockieren die DorfbewohnerInnen die einzige Zufahrt. | |
Die Gebirgskette der Sierra de Famatina bietet mit ihren über 6.000 Meter | |
hohen Bergen einige der höchstens Andengipfel Argentiniens. Schon in | |
vergangenen Jahrhunderten wurden hier Gold- und Silbererze gewonnen. Im | |
Sommer 2011 unterschrieb La Riojas Provinzgouverneur Luis Beder Herrera ein | |
Abkommen zur Erkundung der Lagerstätten mit der kanadischen Osisko Mining | |
Corporation. | |
Auf einem Gebiet von 40 Quadratkilometer sollen knapp 280 Tonnen Gold | |
lagern, die nur mit einer gigantischen Tagebaumine abzubauen wären. Mit dem | |
Einsatz von Zyankali und Millionen Litern von Wasser soll das Gold aus | |
herausgeprengtem und dann zermalmten Berggestein herausgewaschen werden. | |
## Bewohner fürchten Vergiftungen und Krankheiten | |
"Sie wollen alles herausholen: Gold, Kupfer, Silber und seltene Erden", | |
sagt Carolina Suffich, langjährige Aktivistin aus Famatina. "Unsere Berge | |
werden gesprengt, und wir werden unter den Konsequenzen leiden: | |
Vergiftungen, Wassermangel und all die Krankheiten, die durch die | |
umherschwirrenden Schwermetalle verursacht werden." | |
Die Verantwortlichen bei der Osisko hoffen, dass aus dem Berg mindestens | |
ebenso viel herauszuholen ist wie aus der Mine La Alumbrera in der | |
Nachbarprovinz Catamarca, der bisher größten Gold- und Kupfermine in | |
Argentinien - und die Menschen in Famatina befürchten genau die | |
Konsequenzen, wie sie La Alumbrera schon erfährt: Täglich werden dort über | |
100 Millionen Liter Wasser verbraucht, Boden und Wasser sind verschmutzt. | |
In Famatina haben sich die Anwohner schon vor Jahren unter dem Motto "El | |
Famatina No se Toca" - "Rührt den Famatina nicht an" organisiert. Die erste | |
Blockade errichteten sie 2006 am Berg General Belgrano. Damals wehrten sie | |
sich gegen eine andere kanadische Bergbaufirma, die Barrick Gold | |
Corporation. Tatsächlich musste diese wenig später den Rückzug antreten. | |
Argentinien hat sie jedoch keineswegs aufgegeben. | |
In der südlicheren Provinz San Juan beutet das Unternehmen seit 2005 die | |
Gold und Silbervorkommen in seiner Mine Veladero aus - und bereitet in | |
unmittelbarer Nähe eine weitere Mine der Superlative vor: Das binationale | |
Projekt Pascua-Lama liegt in einer Höhe von rund 4.000 bis 5.000 Metern | |
Höhe auf argentinischem und chilenischem Territorium. | |
## Minenmitarbeiter ließen Aktenmappe liegen | |
Dort werden knapp 500 Tonnen Gold und mit fast 20.000 Tonnen eines der | |
weltgrößten Silbervorkommen vermutet. Die extrem Barrick-freundliche | |
Provinzregierung hat bisher noch jeden Protest klein halten können. | |
In der Umgebung von Famatina wurden Anfang Januar Mitarbeiter von Osisko | |
Mining angetroffen. "Die haben eine Aktenmappe mit Listen liegen lassen. | |
Darauf stehen alle unsere Namen und Adressen, ob wir gewaltbereit sind oder | |
nicht", berichtet Aktivistin Suffich. | |
Daraus werde klar, dass das kanadische Unternehmem noch im Januar mit | |
seinen Aktivitäten beginnen wollte. Seither blockieren die | |
DorfbewohnerInnen die einzige Schotterpiste zum Berg. Sie fordern, dass die | |
Provinzregierung das Abkommen zurücknimmt. | |
Als Reaktion darauf hat die Justiz in La Rioja acht BlockierInnen wegen | |
"Behinderung des freien Verkehrs" angeklagt. Ihre bis zu 400 | |
MitstreiterInnen schlugen daraufhin ihre Zelte mit Erlaubnis der Eigentümer | |
auf einer Privatfinca neben der Piste auf. | |
Bisher hat noch kein Fahrzeug der kanadischen Firma die Durchfahrt | |
versucht. Augenscheinlich ist den politisch Verantwortlichen das Risiko zu | |
groß, die Blockade könnte in einen gewaltsamen Volksaufstand umschlagen. | |
## Für die Provinz geht es um acht Milliarden Dollar | |
Gouverneur Beder Herrera lehnt bisher ein Gespräch ab. Stattdessen | |
verteidigt er das Projekt, das in den kommenden 30 Jahren rund acht | |
Milliarden Dollar für die Provinz abwerfen soll. Eine gewaltsame Räumung | |
der Blockade hat er ausgeschlossen. | |
Doch seine Glaubwürdigkeit wackelt: Bei seiner Wahl 2007 hatte er sich noch | |
als Minengegner geriert, seitdem verwandelte er sich in den vordersten | |
Bergbaulobbyisten von La Rioja. "Niemals" sei er gegen die Minenvorhaben in | |
der Provinz gewesen, nur der Erlös für die Provinz sei ihm zu gering | |
gewesen, sagt er heute. | |
Sollten Famatinas BewohnerInnen das Vorhaben verhindern, verlöre die | |
Bergbaufirma gegenwärtig rund 10 Millionen Dollar. Die Provinz La Rioja | |
müsste auf Einnahmen von rund 500.000 Dollar verzichten. Bei den üblichen | |
Größenordnungen in dieser Branche sind das Peanuts. Viel schwieriger dürfte | |
es sein, die Absprachen und Zuwendungen zu bereinigen, über die niemand | |
etwas weiß und die es nie gegeben hat. | |
Bürgermeister Ismael Bordagaray ist jedenfalls schon umgeschwenkt. "Die | |
Mehrheit des Dorfes sagt nein", so Bordagaray. "Und ihre Entschlossenheit | |
ist sehr groß." | |
24 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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Schwerpunkt Finanzkrise | |
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