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# taz.de -- Medien in Südsudan und Sudan: Journalismus säen in der Chaosregion
> Eine Berliner NGO hat in Sudan und Südsudan ein JournalistInnen-Netzwerk
> aufgebaut, das insbesondere Frauen in den Beruf geholfen hat.
Bild: Flüchtlinge auf dem Weg in den Sudan
Der Journalist Hannington Ochan hat alles richtig gemacht. Darum trachtet
man ihm jetzt nach dem Leben.
Der 31-Jährige recherchierte gründlich, redete mit mehreren Quellen, die
ihm die Sache mit der Veruntreuung von Spendengeldern in der
Methodistischen Kirche Südsudans bestätigten. Dann – wie sich das gehört �…
bat er Kirchenoberhaupt Reverend Fred Dearing um eine Stellungnahme: Warum
er der Frauenabteilung Gelder vorenthalte. Die Antwort erhielt Ochan nicht
vom dubiosen Reverend, sondern vom südsudanesischen Geheimdienst. „Wenn dir
dein Leben lieb ist, lass die Finger von der Story.“ Ochan entschied sich
für sein Leben und für die Geschichte. Und floh über Nacht nach Uganda.
JournalistInnen im Sudan und Südsudan kämpfen mit der Willkür der Behörden
– und mit einem kriminellen System. Vielmehr noch aber fehlt es ihnen an
Infrastruktur. Die Berliner Nonprofitorganisation „Media in Cooperation and
Transition“ (MICT) hat in der ostafrikanischen Dauerkonfliktregion ein
Netzwerk aus Medienschaffenden etabliert. Es bietet ihnen Ausbildung,
Equipment und eine Veröffentlichungsplattform: [1][TheNiles.org] versorgt
Menschen in der Region nicht nur mit soliden Informationen, sie bringt auch
JournalistInnen aus verfeindeten Gebieten zusammen.
Inzwischen zählen etwa 130 Journalisten zu dem Netzwerk. Fast jede
Tageszeitung im Sudan und Südsudan übernimmt die Artikel kostenlos. The
Niles zahlt das Honorar von etwa 125 Euro pro Geschichte inklusive zwei
Fotos. Das ist eine recht solide Summe gegenüber dem durchschnittlichen
Monatsgehalt von JournalistInnen in der Region von geschätzten 180 Euro.
## Kapazitäten aufbauen
Gefördert wird das Projekt vom deutschen Auswärtigen Amt. Die Medienleute
bereichern die Nilregion mit ihren Informationen und Geschichten auf
Englisch und Arabisch. Tageszeitungen haben hier eine sehr geringe Auflage,
die Analphabetenquote ist eine der höchsten weltweit. Also bietet
TheNiles.org auch Radio- und Videobeiträge.
Doch vorrangig sieht MICT sein Vorhaben nicht im Aufbau einer
Newsplattform. „Uns geht es nicht darum, zu produzieren“, betont Leila
Bendra vom Projekt, „uns geht es darum, Kapazitäten aufzubauen.“ Der
Schwerpunkt liegt auf Workshops und der Förderung von Equipment. Damit
halfen sie vielen JournalistInnen in den Beruf: KollegInnen aus dem
The-Niles-Netzwerk beliefern inzwischen auch die Nachrichtenagentur AFP,
den Guardian und den amerikanischen Radiosender Voice of America.
Hannington Ochan kann vom Journalismus leben. Auch wenn seine Arbeit ihm
die Heimat geraubt hat. Im ugandischen Exil vermisst er seine Familie im
Südsudan. Trotz der Loslösung vom Norden existiert in der Region weiterhin
kein Frieden: „Leute geraten in Streit miteinander und erschießen einander
auf offener Straße“, erzählt er auf Skype. Neben den großen Konflikten wie
in Darfur, bei denen schwarzafrikanische Stämme für Autonomie gegenüber dem
arabisch dominierten sudanesischen Staat kämpfen, schwelen in der gesamten
Region lokale Stammeskriege. Er hoffe, er könne mit seiner Arbeit die
internationale Aufmerksamkeit auf den Südsudan lenken, sagt Ochan. „Diese
Konflikte hier kann man nur von Außen lösen.“
## Niemand kann ihn stoppen
Zuletzt hat sich das Netzwerk The Niles zu einem Zeitungsworkshop in
Nairobi getroffen. Auf kenianischem Territorium, da die Sudanesen nicht
einfach in den Südsudan reisen können – und umgekehrt. In der Gruppe sind
alle vertreten: Menschen mit arabischer Herkunft, Schwarzafrikaner,
Muslime, Christen. „Wir sind eine große Familie“, sagt Ochan. Und ein
signifikanter Teil von ihr sind Frauen – was in einem Land wie dem Sudan
ungewöhnlich ist. So etwa die Journalistin aus der Hauptstadt Khartoum:
Hadia Elyas. Die 34-Jährige berichtet in einer E-Mail von ihren Problemen.
„Vom Umgang mit InformantInnen bis hin zur Zusammenarbeit mit Kollegen“ –
alles sei für Frauen sehr schwierig, sagt Elyas.
Hannington Ochan lächelt während des Interviews eine Dreiviertelstunde lang
ununterbrochen in die Skype-Kamera. Dabei hat er eigentlich wenig Grund zu
guter Laune. Seine Familie und seine 5.000-Euro-Filmausrüstung musste er
zurücklassen – auf der Flucht mit dem Motorrad durch Flüsse und Bergwälder.
Nun beginnt für ihn der Neuanfang. Ohne Journalistenausweis und ohne
Kontakte ist der auch in Uganda schwierig. Jüngst hätten die
Geheimdienstleute aus dem Südsudan seine neue Adresse herausgekriegt, Ochan
ist also wieder umgezogen. Stoppen kann den jungen Journalisten aber schon
lange nichts mehr.
26 May 2016
## LINKS
[1] http://www.niles.org/
## AUTOREN
Tobias Krone
## TAGS
Sudan
Schwerpunkt Pressefreiheit
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Journalismus
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Sudanesische Flüchtlinge
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