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# taz.de -- AfD-Parteitag in Stuttgart: Formaler Streit und große Töne
> Die Parteichefin Petry betont die wichtige Rolle der AfD. Die Mitglieder
> können sich derweil nicht über die Reihenfolge der Antragsdiskussionen
> einigen.
Bild: Die Parteichefin in Stuttgart
Stuttgart taz | Um 15.11 Uhr stellt sich ein Mann ans Mikrofon und stellt
einen Antrag. Er ist Teilnehmer des Bundesparteitags der AfD. So wie alle
hier ist er nach Stuttgart gekommen, um am Grundsatzprogramm seiner Partei
zu arbeiten. Jetzt aber geht es darum, ob sie sich mit einem
Tagesordnungspunkt beschäftigen oder nicht. Ob Redner dazu drei Minuten
reden sollen, fünf oder zehn. Ob die Presse den Saal eine Weile verlassen
soll oder nicht. Ob überhaupt darüber geredet werden darf, in der
Öffentlichkeit, eine Schlammschlacht. Dieser Mann steht am Mikrofon und
beantragt, „endlich mal was zu machen“.
Dieser Parteitag ist ein Experiment. Eine Programmkommission hat über
Monate hinweg in 150 Landesfachausschüssen, einem Bundesfachausschuss und
einer Bundesprogrammkommission zusammengesessen. Über das Ergebnis soll nun
debattiert werden. „Graswurzelbewegung“ hatte das Bundesvorstandsmitglied
Alexander Gauland genannt. Das war vier Stunden, bevor der Mann am Mikrofon
ungeduldig geworden war. Heute sind so viele Mitglieder gekommen, über
2000, dass die Sitzungsleitung sie bittet, den Saal hin und wieder zu
verlassen, sonst wären sie zu viele.
Jetzt geht es um den kleinen saarländischen Landesverband, genauer: um
dessen Auflösung. Dort hatte der Bundesvorstand so enge Verflechtungen mit
der rechtsextremen Szene gesehen, mit NPD-Mitgliedern und Gruppierungen,
die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, dass sie selbst für die AfD
das Maß des Zulässigen weit übersteigen. Der Landesverband hatte dazu eine
autoritäre Autonomie entwickelt und Weisungen des Bundesvorstands ignoriert
– letztlich auch seine Auflösung. Der Vorstand war daraufhin vor das
parteieigene Schiedsgericht gezogen – das hatte wiederum nicht ausreichend
Belege für die Vorwürfe gefunden. E-Mails, WhatsApp-Nachrichten und
persönliche Aussagen hatten nicht gereicht. Das Bundesschiedsgericht hatte
die Auflösung abgelehnt.
Die Auflösung eines Landesverbandes ist die schärfste Maßnahme, die die
Satzung der Partei vorsieht. Vor den Mitgliedern wirbt nun das
Vorstandsmitglied Dirk Driesang erneut für die Auflösung. „Sich mit der NPD
einzulassen, widersprecht diametral dem Selbstverständnis der Partei“, sagt
er. Er meint damit jedoch nur die saarländischen Verbindungen. Die
möglichen Kontakte anderer Mitglieder in die rechtsextreme Szene spricht
hier niemand an. Es ist ebenfalls nicht die Rede vom ehemaligen
NPD-Mitglied, das in Sachsen-Anhalt für die neue Parlamentsfraktion
arbeiten soll. Lutz Hecker vom saarländischen Landesverband weist alle
Vorwürfe von sich und seinem Landesverband. „Eine Unterwanderung gibt es
nicht“, sagt er. Dann sagt er: „So.“
Die Mitglieder lassen keine Debatte zu und nehmen den Antrag des
Bundesvorstands an: Das Bundesschiedsgericht muss sich nun erneut mit dem
umstrittenen Verband befassen. Es ist eine knappe Entscheidung, 51,9
Prozent. Jubelschreie aus dem Publikum. Von einigen wenigen.
## Ein eigener Präsidentschaftskandidat
Zuvor hatte Vorstandssprecher Jörg Meuthen großen Beifall bekommen. Er
hatte die erste Rede gehalten. Drei Säulen, so Meuthen, bildeten die
Klammer der Parteidientität: „eine modern-konservative Partei“, eine
„entschlossen freiheitliche Partei“, die ein „unverkrampftes und
natürliches“ Verhältnis zum Patriotismus hat.
Dann spricht Frauke Petry: von den „gewaltigsten Schwierigkeiten“ seit
Jahrzehnten in Deutschland, der „stickigsten geistigen Atmosphäre“ – auch
seit Jahrzehnten. Sie nennt ihre Partei mutig: „Wir lassen uns den Schneid,
offen und kontrovers zu sein, nicht abkaufen.“ Dann verkündet sie, dass der
Bundesvorstand, ganz ohne Basisdemokratie, einen eigenen
Bundespräsidentschaftskandidaten, den 74-jährigen Albrecht Gläser,
aufstellen will. Wieder großer Jubel bei den Mitgliedern und stehende
Ovationen. Petry sieht sich selbst in einer Schlüsselposition: „Sie
brauchen mich als maßgeblichen Repräsentanten in der Öffentlichkeit.“ Sie
sagt aber auch, ihre Partei wolle nicht über Personen debattieren, sondern
über Inhalte.
Draußen, vor der Stuttgarter Messehalle, hatten seit dem Vormittag
AfD-Gegner demonstriert. 800 bis 900 will die Polizei gezählt haben, sagte
ein Sprecher. 500 Demonstranten wurden bis zum Nachmittag in Gewahrsam
genommen.
16.30 Uhr, nach fünfeinhalb Stunden Parteitag, ist drinnen die Abstimmung
über die Reihenfolge der Debatten noch immer nicht beendet.
30 Apr 2016
## AUTOREN
Christina Schmidt
## TAGS
Jörg Meuthen
Schwerpunkt AfD
Frauke Petry
Schwerpunkt Rassemblement National
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Junge Alternative (AfD)
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