# taz.de -- Geklautes Aquarell von Feininger: Der Dieb dopte sich mit Schampus | |
> Aus einer Galerie verschwindet ein 30.000 Euro teures Bild. Vor Gericht | |
> stand wegen des Diebstahls nun ein 75-jähriger einstiger Museumsdirektor. | |
Bild: Manche Bilder sind so schön, die muss man einfach haben! | |
Wo war der Feininger abgeblieben? Tags zuvor hatte sich das für 30.000 Euro | |
zum Verkauf stehende „Vier Männekins“ noch in der Galerie Nierendorf | |
befunden. Es war von den Galeriemitarbeitern der letzten Ausstellung | |
abgehangen und in den letzten Gang gestellt worden, neben anderen Bildern | |
lehnte es an der Wand. Tags zuvor war auch Florian Karsch, der neunzig | |
Jahre alt gewordene, berühmte Inhaber der Galerie im engsten Familien- und | |
Freundeskreis beerdigt worden. Anschließend waren die Trauergäste in der | |
Galerie empfangen worden. Es dauerte nicht lange, bis Ergün Özdemir-Karsch, | |
der Inhaber und Adoptivsohn von Florian Karsch, die Videoaufzeichnungen vom | |
vergangenen Tage durchgesehen und Martin F. als Dieb identifiziert hatte. | |
Ein halbes Jahr später sitzt der 75-jährige pensionierte Museumsdirektor | |
Martin F. vor dem Amtsrichter. Ein großer, schlanker Herr, klassisch | |
gekleidet in Hemd und meliertem, wollenem Sakko. In geschraubten Sätzen | |
berichtet er von „dem mir angebotenen Champagner – drei, vier Gläser“, d… | |
er „zu sich genommen“ habe, dann Weißwein und als auch der alle war, | |
„leider auch Rotwein“. Er war mit seiner Frau dort gewesen, unterhielt sich | |
mit Gästen, von denen er viele aus der Kunstszene kannte, er sprach auch | |
mit dem Inhaber der Galerie. | |
Im Laufe der Feier spazierte er dann in jenen Gang, wo das kleine Aquarell | |
stand, das Lyonel Feininger dem Verstorbenen nach dem Krieg geschenkt | |
hatte. Er nahm es an sich. „Meine Frau hat das gesehen, mich gescholten und | |
mich aufgefordert, es zurückzustellen“, erinnert sich der Angeklagte. Er | |
folgte ihr, um kurz darauf das Bild erneut an sich zu nehmen und die | |
Galerie zu verlassen. Am nächsten Morgen packte er das Bild ein und | |
schickte es ohne Absender an die Galerie zurück, wo es einen Tag später | |
unversehrt ankam. Da hatte der Inhaber bereits Anzeige erstattet. | |
## Alkoholkonsum war schuld | |
Warum F. das Bild gestohlen hatte? Er habe es nicht behalten wollen, sagt | |
der Angeklagte. Vielleicht habe er „einen gewissen Zwang empfunden, darauf | |
aufmerksam zu machen, mehr auf die Sicherheit der Kunstwerke zu achten“ – | |
weil er früher seine Mitarbeiter ständig dazu angehalten hatte? Eine | |
„unkontrollierte Handlung“ sei es gewesen, die er „rational nicht erklär… | |
könne. „Ich muss es meinem Alkoholkonsum zuschreiben.“ Er lebe nun | |
abstinent, außerdem habe er sich zu einem Therapeuten begeben – „um die | |
Ursachen für meine Handlung zu beleuchten“. | |
Mittlerweile ist der Galerie-Inhaber dem Dieb nicht mehr böse, das Bild | |
blieb unversehrt. Nach einem Gespräch mit dem Verteidiger stellt der | |
Richter das Verfahren ein – falls Martin F. 5.500 Euro an die Justizkasse | |
und ein Kinderhospiz zahlt und nachweist, dass er weiterhin seine Therapie | |
besucht. | |
19 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Uta Eisenhardt | |
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