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# taz.de -- Prozess um Auftragsmord in Berlin: Ein messerscharfes Komplott
> Ein Millionen-Erbe, eine Affäre: Gegen die Angeklagten im Fall des
> Steuerberaters Peter S. will das Landgericht am Dienstag sein Urteil
> sprechen.
Bild: Am Dienstag wird der Fall vor Gericht entschieden
Ist Peter S. ein Opfer, das sein Schicksal selbst verschuldet hat? Diesen
Eindruck gewann man im Laufe des fast neunmonatigen Prozesses gegen die
Täter, die den Steuerberater beinahe umgebracht hätten.
Im September des vergangenen Jahres saßen sie noch zu dritt auf der
Anklagebank: Doris A., die 71-jährige Gattin des Steuerberaters mit dem
Aussehen einer Ruth Maria Kubitschek. Daneben Serdar E., ihr 43-jähriger
Geliebter, ein hünenhafter, türkischstämmiger Deutscher. Und Feramuz E.,
der engagierte Mörder, ein 45-jähriger Türke mit Kulleraugen im runden
Gesicht.
Zwei Monate später ist Doris A. dann raus aus dem Prozess: Sie leidet unter
fortschreitender Demenz und ist verhandlungsunfähig. Gegen die anderen
beiden Angeklagten will das Berliner Landgericht am Dienstag das Urteil
sprechen.
Rund zwei Jahrzehnte lang lebte Doris A. mit Peter S. zusammen. In der Ehe
habe Peter S. ihn und seine Mutter permanent unter Druck gesetzt, berichtet
der Stiefsohn von Doris A. im Zeugenstand. Auch sei der Stiefvater ein
Alkoholiker, der seine Frau geschlagen habe.
Als Doris A. an eine Millionen-Erbschaft von einer Mandantin ihres Mannes
gelangte, konnte sie sich Anfang 2012 von Peter S. trennen, ohne ihren
luxuriösen Lebensstandard aufzugeben. Ende des gleichen Jahres lernte sie
auf einer Tankstelle in Halensee den KfZ-Mechaniker Serdar E. kennen.
## Zur Formel 1 in Dubai
Der erkannte unschwer das finanzielle Potenzial seiner teuer gekleideten
und mit Schmuck behängten Kundin. Der verheiratete Mann ging mit ihr ins
Bett, sie fuhr mit ihm nach Ägypten in den Robinson-Club, zur Formel 1 nach
Dubai und im Sommer in die Türkei. Sie finanzierte ihm ein Auto, eine
Werkstatt und eine Diskothek, wollte ihm Wohnungen in der Türkei kaufen und
eine üppige Rentenversicherung für ihn abschließen. Insgesamt 500.000 Euro
habe sie bis 2014 in den Unterhalt ihres Lovers investiert, davon ist die
Staatsanwältin überzeugt.
Doch soll Doris A. ihre Erbschaft unrechtmäßig angetreten haben.
Möglicherweise war die Erblasserin zum Zeitpunkt der Erklärung ihres
letzten Willens nicht mehr testierfähig. Ein Umstand, von dem Peter S.
wusste und den er nutzte, um seiner Frau mit einer Anzeige zu drohen, falls
sie ihn nicht beteilige.
## „Der Alte“ muss weg
Ihr Gatte stünde ihrem Glück im Wege, fanden Doris A. und auch Serdar E.,
der alles, was er von der „Alten“ bekommen konnte, nehmen wollte, wie er
seiner Mutter in einem Telefonat verriet. Die Worte „Die Alte lebt nicht
mehr lange“ sollen dabei auch gefallen sein.
Zunächst aber sollte Peter S. sterben. In dem Kiez, in dem Serdar E.
wohnte, lebte auch Feramuz E., ein arbeitsloser Vorbestrafter. Der
habgierige Geliebte suchte nun dessen Nähe, um ihn schließlich zu fragen,
ob er nicht nur Gartenarbeiten übernehme, sondern auch einen Auftragsmord.
Feramuz E., der aus akuter Geldnot seine Wohnung untervermietet hatte und
selbst in einem Kellerverschlag hauste, der seine Stromrechnung nicht
bezahlen konnte, zierte sich nicht lange. Für 10.000 bis 15.000 Euro wollte
er zur Verfügung stehen. Die beiden kundschafteten nun den Wohnort des
Steuerberaters aus. Auf dem Autostellplatz sollte Feramuz E. ihn töten –
sobald Doris A. herausgefunden hatte, wo sich ihr Gatte aufhielt.
Anfang Juni 2014 war es dann so weit. Gegen 23 Uhr fuhren Peter S. und die
beiden zum Mord Entschlossenen zur Wohnanlage am Dahlemer Weg. Feramuz E.
nahm die von seinem Komplizen besorgten Handschuhe und das Messer. Der
Steuerberater hatte gerade seinen linken Fuß auf den Boden gestellt, als er
angegriffen wurde. „Wie ein Irrer“ habe eine dunkle Gestalt zugestochen.
Das schreiende Opfer konnte weder die Tür schließen noch aus dem Auto
flüchten. 13 Stiche trafen vorwiegend die linke Körperseite. Einer öffnete
die Brusthöhle, Luft drang in die Lunge – Tod oder Leben war nur eine Sache
von Minuten.
„Hilfe, ich verblute“, hörten die Nachbarn durch die geöffneten Fenster.
„Lass ihn los, du Penner“, schrie eine Nachbarin von oben. Ob dieser Satz
fiel und die Gestalt dann flüchtete oder umgekehrt, vermag keiner der
Zeugen zu sagen.
Feramuz E., dessen Armband am Scheibenwischer des Steuerberater-Autos
hängengeblieben war, entschloss sich schnell zu einem Geständnis mit dem
Hinweis darauf, dass er seinen Plan aus Mitleid mit dem Opfer freiwillig
aufgegeben hätte. Mit diesem juristischen Schachzug – dem strafbefreienden
Rücktritt von der Tat – hofft er, nur noch wegen gefährlicher
Körperverletzung verurteilt zu werden. Ein Kalkül, das nach dem Willen der
Staatsanwältin aufgehen soll: Sieben Jahre Haft fordert sie für den
Kronzeugen.
Für den berechnenden Geliebten aber kommt so viel Milde nicht in Betracht.
Schon kurz nach dem Überfall wurden die Täter im Umfeld des Opfers
vermutet.
Die Polizei riet Peter S. zum Untertauchen und zapfte das Telefon seiner
Frau an. Im November 2014 dann der Volltreffer: Doris A. jammerte über
ihren Mann, der „ganz schlimme Sachen gemacht“ habe. Wenn er tot sei, gäbe
es diese Probleme nicht mehr. Serdar E. versprach ihr: „Ich finde ihn!“
Diesmal wollte er selbst morden. Im März 2015 wurde das Trio verhaftet.
Peter S. wird nun bald von der Rolle des Opfers in die des Angeklagten
schlüpfen: Er soll die zweifelhafte Millionenerbschaft eingefädelt haben.
Sicher stützt sich die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage auch auf die
Anzeige, die der Steuerberater bereits gegen seine Frau verfasst hatte und
die bei ihm in einer Schublade gefunden wurde.
Peter S. wird allein vor dem Richter sitzen, Doris A. ist ja
verhandlungsunfähig.
6 Jun 2016
## AUTOREN
Uta Eisenhardt
## TAGS
Justiz
Mord
Schwerpunkt Neonazis
Familie
Galerie
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