| # taz.de -- Parlamentarische Minderheitsrechte: Opposition bleibt schwach | |
| > Die Linkspartei fühlt sich als Oppositionspartei benachteiligt. Zu | |
| > Unrecht, urteilt das Bundesverfassungsgericht. | |
| Bild: Herr Gysi und seine Partei hat kein Glück mit ihrer Beschwerde | |
| Karlsruhe taz | Wenn die Opposition zu schwach ist, um die im Grundgesetz | |
| garantierten Minderheitsrechte zu nutzen – dann hat sie eben Pech gehabt. | |
| Das Bundesverfassungsgericht lehnte es nun ab, Oppositionsrechte auch | |
| gegenüber einer Großen Koalition zu garantieren. | |
| Seit der letzten Bundestagswahl stellt die Opposition (aus Linken und | |
| Grünen) nur rund zwanzig Prozent der 631 Abgeordneten. Die meisten | |
| parlamentarischen Minderheitsrechte erfordern aber ein Viertel der | |
| Volksvertreter. Als freiwilliges Zugeständnis änderte die Mehrheit | |
| daraufhin die Geschäftsordnung des Bundestags in einigen Punkten. | |
| Beispielsweise soll ein Untersuchungsausschuss schon dann eingerichtet | |
| werden, wenn 120 Abgeordnete dies fordern. Auch bei den Redezeiten werden | |
| kleine Fraktionen bevorzugt. | |
| Die Linke war damit noch nicht zufrieden. Sie forderte zusätzlich das | |
| Recht, jedes Gesetz dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen | |
| (abstrakte Normenkontrolle). Dafür klagte sie bei eben diesem | |
| Verfassungsgericht. Allerdings ohne Erfolg. | |
| Zwar betonten die Richter ausführlich, dass die Opposition für die | |
| Demokratie geradezu „konstitutiv“ ist. Die Demokratie beruhe auf der Idee | |
| des offenen Wettbewerbs unterschiedlicher Kräfte. Deshalb enthalte das | |
| Grundgesetz den Grundsatz „effektiver Opposition“. | |
| Allerdings folgt aus diesem Grundsatz nichts, wenn die Opposition zu | |
| schwach ist, um sich auf die im Grundgesetz garantierten Minderheitsrechte | |
| berufen zu können. Weder könnten Oppositionsfraktionen solche Rechte direkt | |
| aus der Verfassung ableiten, noch gebe es eine Pflicht, die | |
| 25-Prozent-Schwelle im Grundgesetz im Falle solcher Konstellationen | |
| abzusenken. | |
| ## Alle Abgeordneten sind gleich | |
| Zur Begründung verwies Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle auf den | |
| ausdrücklichen Wortlaut des Grundgesetzes. An diesen sei auch das | |
| Bundesverfassungsgericht gebunden. Die relativ hohen Schwellen für die | |
| Wahrnehmung von Minderheitsrechten seien nicht unbedacht ins Grundgesetz | |
| geschrieben worden, sondern, um „Missbrauch“ zu vermeiden. | |
| Außerdem, so Voßkuhle, seien alle Abgeordneten gleich. Wenn bestimmte | |
| Rechte für Oppositionsvertreter leichter zugänglich wären, würde die | |
| Opposition gegenüber den Mehrheitsabgeordneten bevorteilt. Das sei nicht zu | |
| rechtfertigen. | |
| Praktisch heißt dies für die laufende Wahlperiode: Grüne und Linke haben | |
| keinen Anspruch auf Nachbesserung ihrer Rechte. Auch die Zugeständnisse der | |
| Mehrheit zu Beginn der Wahlperiode waren freiwillig und könnten jederzeit | |
| rückgängig gemacht werden. Beispielsweise, um einen unerwünschten | |
| Untersuchungsausschuss zu verhindern. Manche dieser freiwilligen | |
| Minderheitsrechte stehen nun sogar selbst in Verdacht, verfassungswidrig zu | |
| sein: Weil sie nur der Opposition zustehen, so wie etwa die | |
| überproportionalen Redezeiten. Insofern ist die Verfassungsklage der Linken | |
| geradezu nach hinten losgegangen. | |
| 3 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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