| # taz.de -- Kommentar Oppositionsrechte: Zu viel an die AfD gedacht | |
| > Oppositionsrechte heute sind möglicherweise nach der Wahl Rechte für die | |
| > AfD. Hat das Gericht deswegen die Verfassungsklage abgewiesen? | |
| Bild: Eine selbstbewusste Demokratie braucht auch ein mutiges Verfassungsgericht | |
| Demokratie – das ist mehr als die Herrschaft der Mehrheit. Niemand hat | |
| öfter daran erinnert als das Bundesverfassungsgericht. Demokratie erfordert | |
| auch einen lebendigen außerparlamentarischen Prozess und den offenen | |
| Schlagabtausch im Parlament. Minderheiten müssen sich offen artikulieren | |
| und die Mehrheit kontrollieren können. | |
| Die Kontrolle der Mehrheit ist aber nicht so einfach, wenn eine Große | |
| Koalition regiert, die im Bundestag 80 Prozent der Sitze besetzt. Denn | |
| viele Minderheitenrechte können laut Grundgesetz nur Abgeordnetengruppen | |
| geltend machen, die mehr als ein Viertel der Sitze innehaben. Bei einer | |
| Großen Koalition laufen solche Garantien offensichtlich leer. | |
| Daran wollte das Bundesverfassungsgericht [1][nun aber erstaunlicherweise | |
| nichts ändern]. Es postuliert zwar einen Grundsatz der „effektiven | |
| Opposition“, tut dann aber nichts dafür, um die Effizienz auch einer | |
| zahlenmäßig schwachen Opposition zu sichern. | |
| Das Recht, einen Untersuchungsausschuss zu verlangen, wird von den Richtern | |
| zwar als „elementares“ Oppositionsrecht bezeichnet; wenn die Opposition zu | |
| klein ist, hat sie dieses elementare Recht aber offensichtlich verwirkt. | |
| Einerseits erklärt Karlsruhe, die Opposition dürfe bei Ausübung ihrer | |
| Rechte nicht auf das „Wohlwollen der Mehrheit“ angewiesen sein. | |
| ## Richter widersprechen ihren eigenen Prämissen | |
| Bei der Frage, ob eine schwache Opposition überhaupt Rechte hat, muss sie | |
| nach dem jetzigen Urteil aber sehr wohl auf den „Goodwill“ der Großen | |
| Koalition vertrauen. Die Richter betonen doch selbst, dass die | |
| Oppositionsrechte nicht nur für die Oppositionsparteien wichtig sind, | |
| sondern für die gesamte Gesellschaft. Die Demokratie lebe von Wettbewerb | |
| und von der Kontrolle. So gesehen haben die Richter sehenden Auges ihren | |
| eigenen Prämissen widersprochen. | |
| Und warum all diese Inkonsistenz? Warum werden Maßstäbe aufgestellt, an die | |
| man sich selbst nicht einmal zu halten versucht? Haben die Richter zu viel | |
| an die AfD gedacht? Wollen sie deshalb der Mehrheit freie Hand lassen, | |
| welche Rechte sie der Opposition nach der nächsten Wahl gewährt? | |
| Das wäre tatsächlich ein Armutszeugnis für die Demokratie. Und das | |
| Verfassungsgericht hätte seine eigene Rolle als Integrationsorgan aufs | |
| Spiel gesetzt. Mit Hasenfüßigkeit und einseitiger Rechtsprechung ist der | |
| Kampf gegen die Rechtspopulisten sicher nicht zu gewinnen. Eine | |
| selbstbewusste Demokratie braucht auch ein mutiges Verfassungsgericht. | |
| 3 May 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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