# taz.de -- Verlängerung der A 100 in Berlin: Auf die Überholspur gedrängelt | |
> Während Umweltverbände noch hoffen, dass der Bauabschnitt durch | |
> Friedrichshain nie zustande kommt, hat das Verkehrsministerium mit einem | |
> Trick Fakten geschaffen. | |
Bild: Noch mehr Autobahnteer für Berlin: Die A 100 soll noch lange verlängert… | |
An der Treptower Elsenbrücke machen sich die Open-Air-Clubs, die sich | |
zwischen Straße und S-Bahn eingenistet haben, saisonbereit. Der Blick | |
schweift hinüber zur Oberbaumbrücke und zum Riesenrad im Plänterwald. Wenn | |
es nach Senat und Bundesregierung geht, quert hier in 10 oder 15 Jahren | |
eine sechsspurige Autobahn die Spree. Vor dem Ostkreuz taucht sie in einen | |
Tunnel, kommt an der Frankfurter Allee wieder an die Oberfläche und endet | |
an der Storkower Straße. Der Traum von der autogerechten Stadt wird ein | |
bisschen wahrer. | |
Dass dieser 17. Bauabschnitt der Bundesautobahn A 100 tatsächlich gebaut | |
wird, den Weg dahin haben Land und Bund nun mit einem unsauberen Trick | |
geebnet. Der heftig umstrittene 16. Bauabschnitt von Neukölln zum Treptower | |
Park ist gerade erst seit drei Jahren im Bau. Für vier weitere Kilometer | |
bis an den Rand von Prenzlauer Berg gibt es keinerlei verbindliche Planung, | |
geschweige denn Baurecht. Dank des CSU-geführten Bundesverkehrsministeriums | |
(BMVI) wird aber aller Voraussicht nach der Bedarf dafür höchst offiziell | |
festgestellt. Damit wird es sehr viel schwieriger, den Bau zu verhindern. | |
Und das ist der Trick der schwarz-rot-schwarzen Betonmischer: Ende März | |
eröffnete das BMVI die Öffentlichkeitsbeteiligung für den Entwurf des | |
Bundesverkehrswegeplans 2030. Das voluminöse Werk führt rund 1.700 neue | |
Teilstücke von Bundesfernstraßen auf. Bis Montag konnten Bürger | |
Einwendungen gegen einzelne Vorhaben erheben: umweltfeindlich, zu teuer, | |
überflüssig. Damit sich jeder ein Bild machen kann, hat das Ministerium zu | |
jedem Projekt in Planung ein Dossier erstellt, mit Kosten-Nutzen-Rechnung, | |
Verkehrsprognose, Umweltauswirkungen. Für den 17. Bauabschnitt der A 100 | |
gibt es keins. Angeblich wird daran längst gebaut. | |
Im Grunde erwähnt der Bundesverkehrswegeplan nicht einmal mehr | |
Bauabschnitte, sondern nur pauschal die Strecke „Autobahndreieck Neukölln– | |
Storkower Str.“, und die sei, so heißt es lapidar, „in Bau“. Auf die Fra… | |
weshalb das so sei, gibt sich das BMVI reichlich zugeknöpft: Der 17. | |
Bauabschnitt sei als laufendes Projekt eingestuft, weil erst durch ihn der | |
Nutzen der A-100-Verlängerung voll zum Tragen komme. Deshalb habe man auch | |
beim Umbau des Bahnhofs Ostkreuz baulich für einen Tunnel vorgesorgt. | |
Das ist richtig – die Bahn hat prophylaktisch einen millionenschweren | |
Betontrog unter den Gleisen versenkt, durch den die Autobahn führen könnte. | |
Allein, das bundeseigene Unternehmen wusste, dass eine Planfeststellung für | |
die A 100 nicht sicher war. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung | |
bestreitet sogar auf ihrer Webseite, dass ein 17. Bauabschnitt zwingend | |
notwendig ist. Zitat: „Die Bundesregierung fordert zu Recht, dass jeder | |
Bauabschnitt eines Gesamtprojektes eine eigenständige Verkehrsfunktion | |
haben muss, um auch dann sinnvoll zu sein, falls der Folgeabschnitt nicht | |
realisiert wird. Diese Anforderung erfüllt der 16. BA ohne Einschränkung.“ | |
Der Bundesverkehrswegeplan ist kein Gesetz, ein Baurecht ergibt sich daraus | |
also nicht. Das Vertrackte an der Neulabelung des 17. Bauabschnitts ist die | |
Rechtspraxis, dass der öffentliche Bedarf für ein Projekt durch den | |
Beschluss des Verkehrswegeplans zementiert wird. Gegner können nicht mehr | |
juristisch dagegen vorgehen, wenn sie es insgesamt für verkehrsplanerisch | |
falsch halten. | |
Genau darauf gibt es aber genügend Hinweise. Harald Moritz, | |
verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, zählt sie dem BMVI in | |
einem Schreiben noch einmal auf: Neue Autobahnabschnitte erhöhen das | |
Verkehrsaufkommen nicht nur an den Knotenpunkten, sondern insgesamt. Schon | |
heute muss der Britzer Tunnel immer wieder geschlossen werden, weil der | |
Verkehr nicht abfließen kann. Moritz sieht auch die Gefahr, dass eine | |
Alternativroute für Fahrer entsteht, die von der A 113 im Süden kommend den | |
Weg durch die Stadt zur A 114 in Pankow nehmen könnten, statt den Bogen | |
über den Berliner Ring zu machen. Ganz abgesehen vom ökologischen Effekt in | |
einer Stadt, die bis 2050 „klimaneutral“ werden will. | |
Auch die Linksfraktion kritisiert das faktische Durchwinken des 17. | |
Bauabschnitts: „Die Deklarierung eines Bauprojekts als ,im Bau befindlich', | |
für das es noch nicht einmal Bau- und Planungsrecht gibt, hebelt die | |
demokratische und gesellschaftliche Diskussion über Für und Wider aus“, | |
heißt es in ihrem Schreiben an das BMVI. Die Kostenschätzung über 531 | |
Millionen Euro, die auf Daten von 1999 beruhe, sei zudem höchst | |
unrealistisch. | |
Der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Harald Wolf, hofft noch, dass | |
sich der 17. Bauabschnitt verhindern lässt. „Nach den derzeitigen | |
Mehrheitsverhältnissen könnte die SPD im Herbst gezwungen sein, mit zwei | |
Parteien in Koalitionsverhandlungen zu gehen, die den Weiterbau ablehnen“, | |
sagt er und spielt auf Rot-Rot-Grün an. Es würde ihn aber auch nicht | |
wundern, wenn auf einen 17. auch noch ein 18. Bauabschnitt folgte: „Vor | |
Verrücktheiten ist man in der Politik ja nie gefeit.“ | |
Beim Senat kann man die Aufregung nicht nachvollziehen. „Der Bund ist der | |
Bauherr, das Land Berlin führt die Arbeiten nur als Auftragnehmer durch“, | |
erklärt Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) der taz auf die | |
Frage, was von der Neueinstufung des 17. Bauabschnitts zu halten ist. „Es | |
ist nicht die Aufgabe des Senats, diesen Schritt zu bewerten.“ | |
3 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
## TAGS | |
Berliner Senat | |
Verkehrsministerium | |
Regine Günther | |
Verkehr | |
Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wichtige Verbindung über die Spree: Elsenbrücke wird komplett abgerissen | |
Die Schäden an der Verbindung zwischen Treptow und Friedrichshain sind | |
größer als gedacht. Mit dem Neubau könnte die Verlängerung der A 100 | |
ausgebremst werden. | |
ADFC über Bundesverkehrswegeplan: Freude über Bekenntnis zu Radwegen | |
Fast 270 Milliarden Euro investiert der Bund in die Infrastruktur, viel | |
davon in Asphalt. Aber der wird auch zu Fahrradwegen, lobt Rad-Lobbyist | |
Burkard Stork. | |
Mitsprache bei Großprojekten: Parteien entdecken das Volk | |
Künftig sollen die Bürger an wichtigen Entscheidungen beteiligt werden, | |
findet jetzt auch die CDU. Sie will die Berliner früh befragen, die SPD | |
will sie am Ende abstimmen lassen. | |
Baumbesetzung gegen A 100: Protestler gehen auf die Pappel | |
Autobahngegner besetzen einen Baum auf der künftigen A-100-Trasse in | |
Berlin. Das soll der Auftakt für den finalen Widerstand gegen den Weiterbau | |
sein. | |
Volksbegehren gegen Autobahnbau?: Letzte Ausfahrt von der A 100 | |
Initiativen erwägen Volksbegehren gegen die von Rot-Schwarz geplante | |
Verlängerung der Stadtautobahn. Zeit drängt. Unklar ist, ob das Ergebnis | |
bindend wäre |