# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Unerhörter Liebesentzug | |
> Man kann seinen Spaß haben an Debatten über Ultras, Kuttenfans und | |
> Familienblockbesucher. Das zeigt auch der Fall Mats Hummels. | |
Bild: Fragen stellen können Fans auch | |
Reden wir über Liebe! Über echte Liebe. Die soll es ja vor allem in | |
Dortmund geben. Sie gilt dem Ballspielverein Borussia 09. Die Fans des BVB | |
schmachten ihren Klub besonders intensiv an. Der Massenminnesang, der von | |
der Südtribüne Richtung Spielfeld geschmettert wird, sucht seinesgleichen | |
in der Fußballwelt. | |
Doch nicht immer wird die lebenslange Liebe der Fans von den Spielern auch | |
erwidert. Die Fans macht das traurig. Die Fans stimmen dann einen anderen | |
Ton an. Mats Hummels hat das [1][erleben müssen am Samstag]. [2][Er möchte | |
Borussia Dortmund] verlassen und zum FC Bayern wechseln. Die Fans haben ihn | |
mit Liebesentzug bestraft. Er wurde ausgepfiffen. | |
Schlimm finden das nicht wenige. Und die Dortmunder Klubführung hat eine | |
merkwürdige Debatte darüber angestoßen, wie ein Fan seine echte Liebe zu | |
zeigen hat. Dabei haben die Manager so getan, als hätten sie die Pfiffe und | |
Anti-Hummels-Transparente überrascht, als hätten sie irgendetwas anders | |
erwartet. | |
Vielleicht ein Transparent mit der Aufschrift: „Lieber Mats Hummels, wir | |
sind dir sehr dankbar für alles, was du in unsere Beziehung eingebracht | |
hast. Jetzt wünschen wir dir viel Erfolg in München und werden uns mit dir | |
über jeden Titel freuen, den du in deiner neuen Heimat gewinnen wirst. In | |
Liebe! Deine Fans.“ Nein, aber merkwürdig war sie allemal, die Diskussion | |
darüber, wie sich ein Fan zu verhalten hat. | |
Eine solche wird schon lange auch unter Fans diskutiert. Da gibt es die, | |
die sagen, dass Pfiffe vor dem Anpfiff okay seien, pfeife man aber während | |
des Spiels bei jeder Ballberührung des Verräters, schade das auch den | |
Spielern, die man immer noch liebe. Dass das Wort „Judas“, das in solchen | |
Zusammenhängen gerne einmal verwendet wird, nun wirklich nicht schön ist, | |
ist eine Feststellung, der an dieser Stelle nicht widersprochen werden | |
soll. Das wird wohl nichts daran ändern, dass wir es noch oft hören werden, | |
was man schade finden kann. | |
## Fans als Kunden | |
Und während die Verräterdiskussion Fahrt aufnimmt, läuft der Streit | |
darüber, wie ein Fan ganz Allgemein seine Liebe zu zeigen hat, sowieso | |
weiter. Da gibt es die Ultras, die nicht aufhören wollen zu singen im | |
Stadion und denen es egal ist, ob gerade ein Konter läuft, ein Spieler | |
knapp vorbeischießt oder das Spiel in irgendeiner Weise spannend ist. Sie | |
schwenken Fahnen und stören sich auch nicht, wenn ihnen die Sicht von einer | |
Riesenfahne dauerhaft verdeckt wird. Und am liebsten würden sie gar nichts | |
sehen vom Spiel und bunten Rauch über ihre Kurve legen. | |
Für sie sind all diejenigen, die keine Dauerkarte haben und vielleicht den | |
Weg zum Stadion scheuen, wenn es bei Minus drei Grad Eis vom Himmel regnet: | |
Schönwetterfans – und deshalb beinahe schon verachtenswert. Und wer nicht | |
mehr für seinen Verein tut, als einen kleinen Aufkleber auf den | |
Kofferraumdeckel seines Autos zu pappen, der gehört für einen gestandenen | |
Ultra sowieso nicht zur Gruppe ernstzunehmender Fußballinteressenten. | |
Und wehe es gibt jemanden, der die bisweilen im Stadion ausliegenden | |
Kartons zu Klatschpappen faltet und versucht, dem Spiel damit zu ein wenig | |
Rhythmus zu verhelfen! Ein solcher ist für einen gestandenen | |
Traditionsvereinsfan eine unwürdige Kreatur. Für sie ist die Klatschpappe | |
das Red Bull Leipzig der Fanutensilien, der Todesbringer der Kurvenkultur. | |
Man kann seinen Spaß haben an derlei Debatten über Ultras, Kuttenfans und | |
Familienblockbesuchern. Wenn aber die Manager anfangen, darüber zu reden, | |
wie sich ein Fan zu verhalten hat, ist Vorsicht geboten. Für ein | |
Fußballunternehmen ist ein Fan in erster Linie Kunde. Echte Liebe zeigt in | |
dieser Hinsicht vor allem derjenige, der sich im Fanshop nicht lumpen | |
lässt. | |
1 May 2016 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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