# taz.de -- Konflikt bei „Analyse und Kritik“: Der Kampf geht weiter | |
> Viel Arbeit, wenig Geld: Die Debattenzeitschrift streitet mal wieder. Wie | |
> übergibt man Verantwortung in einem Kollektivbetrieb? | |
Bild: Zeit für einen Generationenwechsel. Mal schauen, wie er ausgeht | |
Die Seite drei ist nach dem Titel die wichtigste Seite einer Zeitung. Auf | |
sie fällt meist der erste Blick beim Durchblättern. Und wenn sich eine | |
Redaktion auf diesem prominenten Platz mit Interna beschäftigt, dann muss | |
es schon einiges zu erzählen geben. Gibt es auch, im Hause der linken | |
Debattenzeitschrift Analyse & Kritik (ak), einer der größten und | |
bewegungsnächsten Zeitungen der außerparlamentarischen Linken. | |
Schon seit Monaten gibt es Streit in der kleinen Hamburger Redaktion. Im | |
Kern geht es darum, wie eine Generation das Zeitungsprojekt an die nächste | |
übergeben kann. Schwierig ist dabei, dass alle Beschäftigten zwar | |
engagiert, aber äußerst prekär arbeiten: Wer lässt von alter Verantwortung | |
ab und übergibt sie vertrauensvoll Jüngeren? Wer aus der Folgegeneration | |
will sie freiwillig übernehmen? Und wie übergibt man Verantwortung | |
überhaupt in einem Kollektivbetrieb? | |
Im März machte die Hamburger Redaktion den Konflikt erstmals auf Facebook | |
öffentlich. Seitdem gab es regelmäßig Wasserstandsmeldungen und nun eben | |
jene Seite drei „zum Stand der Dinge bei ak“. Diplomatisch versucht die | |
Redaktion dort zu beschreiben, worum es geht: von Generationenübergabe ist | |
die Rede, aber auch von Beharrungskräften und Machtfragen. Und: „Niemand | |
will schmutzige Wäsche waschen.“ | |
Gabi Bauer ist eine von den älteren Genossinnen, die das Projekt übergeben | |
wollen. Seit 1972 ist sie dabei, damals noch beim Arbeiterkampf, der | |
Zeitschrift des Kommunistischen Bundes (KB). Als sich der KB aufspaltete, | |
gingen aus dem Arbeiterkampf die antideutsche Bahamas und die | |
debattenorientierte Analyse & Kritik hervor. Seit 1996 ist Gabi Bauer | |
Geschäftsführerin der ak, ehrenamtlich, neben einem Vollzeitjob, so wie das | |
viele GenossInnen gemacht haben. | |
## „Die Krise ist substanziell“ | |
Bis heute arbeiten etliche alte Parteimitglieder an der Monatszeitschrift | |
mit. Sie lesen Korrektur oder pflegen die Technik. „Das war komfortabel für | |
die neueren“, sagt einer von ihnen, Jan Ole Arps. Nur habe das auch | |
Abhängigkeiten produziert und Weiterentwicklungen erschwert. | |
Auch Gabi Bauer sieht in diesen Abhängigkeiten ein Problem. Deswegen habe | |
sie seit drei Jahren die Geschäftsführung abgeben wollen. Es fand sich nur | |
niemand, der sie freiwillig übernehmen wollte. Dann kam es zum Streit, über | |
technische Fragen wie das Vertriebssystem, aber auch über grundsätzliche, | |
wie die Ablösung der Älteren generell. Anfang dieses Jahres, als der Streit | |
zum Machtkampf wurde, stiegen Bauer und ein Genosse aus – „ein Weggang, der | |
die Redaktion sehr getroffen hat“, sagt Arps. | |
Er ist Bauers Nachfolger als Geschäftsführer. „Einige LeserInnen hatten | |
‚Generationenkonflikt‘ so verstanden, als hätten wir die Alten abschieben | |
wollen.“ So sei das nicht gewesen. „Aber in einem so langjährigen Projekt | |
mischen sich strukturelle Fragen mit biografischen Geschichten und | |
Konflikten um die Rollen im Projekt“, sagt Arps. | |
Dabei ist die Redaktion das Streiten eigentlich gewöhnt – zumindest | |
inhaltlich. Der ak-Vorgänger, Arbeiterkampf, war quasi das Zentralorgan der | |
K-Gruppen. Im Norden kam man an ihm nicht vorbei, in seinen besten Zeiten | |
hatte er eine Auflage von 90.000. | |
## Prekäres Arbeiten | |
Die ak liegt heute bei 4.500 Exemplaren. Dass sie überlebte und auf diesem | |
Niveau erfolgreich ist, liegt vor allem am Engagement der MitarbeiterInnen. | |
Sie schrieben für wenig oder gar kein Geld und lebten oft prekär. Wo sich | |
die Redaktion selbst sieht, hat sie in ihrer Ausgabe zum 20. Jubiläum, | |
2012, zusammengefasst: nicht sektiererisch, kein „Vereinsblatt begrenzter | |
Milieus“, sondern nah an den sozialen Bewegungen, „die die Verhältnisse zum | |
Tanzen bringen“. | |
„Anfang des Jahres hat die Redaktion gemerkt, dass die aktuelle Krise | |
substanziell ist“, sagt Arps. Die Märzausgabe hat sie in die Hände | |
befreundeter Redaktionen gelegt: Unter dem Titel „With a little help from | |
my friends“ erschien sie unter anderem mit Beiträgen von Missy Magazin, | |
Graswurzelrevolution, Lateinamerika Nachrichten und dem Rechten Rand. | |
Laut Redaktion hat man die freie Zeit genutzt, um die Konflikte zu klären, | |
zum Teil mit einer professionellen Moderatorin. In den kommenden Wochen | |
wollen sie die Aufgaben der Geschäftsführung neu regeln und die Technik | |
sowie die Website überarbeiten. Die Seite drei der Mai-Ausgabe soll sich | |
jedenfalls nicht mehr mit Redaktionsinterna beschäftigen. | |
27 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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