| # taz.de -- Postenvergabe bei den Grünen: Schrebergärtner unter sich | |
| > Volker Beck darf Abgeordneter bleiben und bekommt in der grünen | |
| > Kleingärtnerkolonie eine neue Parzelle zugewiesen. Was lernen wir daraus? | |
| Bild: Ist das Volker Beck oder einer von den anderen grünen Zwergen aus der Pa… | |
| Die Bundestagsfraktion der Grünen funktioniert im Innersten wie eine | |
| Schrebergartenkolonie. Wer sich mit den Eigenheiten des organisierten | |
| Kleingärtnertums auskennt, muss frappierende Ähnlichkeiten feststellen, die | |
| weit über die ökologische Grundausrichtung hinausgehen. | |
| Die Grünen-Fraktion hat ihren Acker, die Politik, fein säuberlich in | |
| Parzellen aufgeteilt. Jeder Abgeordnete bewirtschaftet sein Fleckchen. Es | |
| gibt Sprecher für Außen-, Innen- oder Haushaltspolitik, aber auch einen | |
| Sprecher für Bioökonomiepolitik, eine für Tierschutzpolitik und eine für | |
| bürgerschaftliches Engagement. Die Wirklichkeit ist ja komplex genug, aber | |
| in einem kann man sicher sein – jede denkbare Nische wird von einem Grünen | |
| betreut. Sie haben nicht 63 Abgeordnete, sondern 63 Sprecher für irgendwas, | |
| was viel bedeutender klingt. | |
| Nehmen wir Volker Beck, den nicht unprominenten Grünen, der angeblich mit | |
| Chrystal Meth erwischt wurde. Nachdem die Staatsanwaltschaft die | |
| Ermittlungen gegen ihn eingestellt hat, stand die Fraktionsspitze vor einem | |
| Dilemma. Beck fallen lassen ging nicht, schließlich hat der Mann auf | |
| Twitter mehr Follower als der offizielle Fraktionsaccount und eine riesige | |
| Fangemeinde. Außerdem ist diese Drogennummer so wichtig nun auch wieder | |
| nicht. Aber allen Grünen war klar: Sprecher für Innenpolitik durfte er auf | |
| keinen Fall bleiben, wegen Glaubwürdigkeit und so. | |
| Deshalb wiesen ihm die ChefInnen eine neue Parzelle zu. Präziser: Sie | |
| schnitten ein von ihm schon längst beackertes Stück aus der Innenpolitik | |
| heraus. Volker Beck behält den Sprecherposten für Religionspolitik, gibt | |
| das Innere ab und wird neuer Sprecher für Migrationspolitik. Bisschen | |
| kompliziert? Das ist erst der Anfang. Denn die Themen halten sich ja leider | |
| nicht an die Parzellengrenzen der Grünen. Wen ruft ein Journalist zum | |
| Beispiel an, wenn er eine Frage zu Flüchtlingen hat? | |
| ## Zu wenig Aufmerksamkeit | |
| Nun, die Sprecherin für Flüchtlingspolitik, die für Innenpolitik, den für | |
| Menschenrechte oder eben den neuen Sprecher für Migrationspolitik. Aber die | |
| beiden Fraktionsvorsitzenden schicken bestimmt auch noch eine | |
| Pressemitteilung. Bei den Grünen gibt es zu viele Experten für zu wenig | |
| Aufmerksamkeit, was in jeder, wirklich jeder Schrebergartenkolonie | |
| ebenfalls der Fall ist. Einen Zeitungsbericht, gar: einen O-Ton im | |
| Fernsehen muss man sich dabei als Sonnenschein im Alltag des Grünen | |
| vorstellen. | |
| Damit möglichst viele Abgeordnete die mediale Ernte einfahren, verschickt | |
| die Pressestelle gerne mal Mitteilungen mit einem Statement, das aber von | |
| zwei Grünen abgegeben wird. Beim Lesen stellt man sich dann immer zwei | |
| Gesichter vor, die völlig synchron einen Text vortragen. In ökobürgerlichen | |
| Milieus soll es ja noch den Brauch geben, Kinder unter dem Weihnachtsbaum | |
| Gedichte hersagen zu lassen. | |
| Auf seiner Parzelle ist der Grüne King, da macht ihm keiner was vor. Denn | |
| Kleingärtnertum bedeutet ja beides. Ein kleiner Alleinherscher zu sein, | |
| aber auch die Beschränktheit des Horizonts stets im Blick zu haben. Für die | |
| generalistisch arbeitenden FraktionschefInnen ist das „Teile und Herrsche“ | |
| übrigens eine komfortable Existenzabsicherung: ein Zaun begrenzt | |
| ambitionierte Konkurrenten sehr effektiv. Und für die sorgsam eingehegten | |
| Abgeordneten ergeben sich unzählige Anlässe, sich über den Geltungsdrang | |
| anderer schwarz zu ärgern. | |
| ## Becks Expansionsdrang | |
| Wer darf in die Zeitung? Wer die Rede im Parlament halten? Übernimmt nun | |
| Ulle Schauws (Kulturpolitik) das Kulturthema oder Claudia Roth (Auswärtige | |
| Kulturpolitik)? Es ist nicht einfach bei den Grünen – und nie gewesen. | |
| Volker Becks Expansionsdrang zum Beispiel ist gefürchtet unter seinen | |
| Kollegen. Aus dem Büßer könnte in ein paar Wochen wieder der | |
| sendungsbewusste Innenpolitiker werden, der er war. | |
| Was natürlich schnell zu Eifersüchteleien führen kann mit den Nachbarn: | |
| Wenn ein Gärtner seine Gewächse zu wild wuchern lässt, wenn die freche | |
| Forsythie zum Nachbarn rüber macht, dann gibt es Krach, und zwar nicht zu | |
| knapp. Denn der Maschendrahtzaun teilt Machtbereiche. Und Konkurrenzdenken | |
| gehört zum Wesen des Schrebergärtners, des Abgeordneten, ach was: des | |
| Menschen an sich. | |
| 27 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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