# taz.de -- Syrische Farce: Assad lässt wählen | |
> In den vom Regime kontrollierten Gebieten wird ein neues Parlament | |
> gewählt. Das Ergebnis dieser Wahl steht schon vorab fest. | |
Bild: Wahllokal in Damaskus: Ein syrischer Soldat gibt seine Stimme ab | |
BERLIN taz | Syriens Präsident Baschar al-Assad bittet an die Urnen, um | |
turnusgemäß ein neues Parlament wählen zu lassen. Ab Mittwoch früh um | |
sieben Uhr Ortszeit waren die Wahllokale geöffnet. Augenzeugen berichteten, | |
das Interesse sei in den ersten Stunden gering gewesen. 3.500 vom | |
Geheimdienst überprüfte Kandidaten bewarben sich um die 250 Sitze. Wie | |
immer bei Wahlen in Syrien zierten mehrfach überlebensgroße Plakate von | |
Assad und seinem verstorbenen Vater die Hauswände. Hinzu kamen Poster von | |
Frauen und Männern, die sich um einen Parlamentssitz bewarben. Die | |
Wahllokale sollten um 18 Uhr schließen. | |
Wegen des Bürgerkrieges findet die Wahl nur in jenen Teilen des Landes | |
statt, die vom Regime kontrolliert werden. Hier leben etwa acht Millionen | |
Menschen; vor 2011 hatte Syrien 24 Millionen Einwohner, von den über vier | |
Millionen ihrer Heimat den Rücken gekehrt und kein Wahlrecht haben. Über | |
sieben Millionen Menschen sind zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden | |
sind. | |
Die Opposition im Ausland hält die Wahl aus diesem Grund für eine Farce. | |
Selbst in Syrien tolerierte Oppositionsgruppen, von denen zwei bei der | |
Parlamentswahl 2012 noch angetreten waren und sechs Sitze erhielten, rufen | |
dieses Mal zu einem Boykott auf. Die kurdische Partei PYD hat angekündigt, | |
in ihren Gebieten im Norden des Landes keine Wahl zuzulassen. | |
Für Assad ist die Wahl ein Anlass, Syrien als ein funktionierendes Land mit | |
normalen Institutionen, normalen Wahlen und einer legitimen Regierung zu | |
präsentieren. Dies ist zugleich eine Botschaft an die von dem | |
UN-Sonderbeauftragten für Syrien, Staffan de Mistura geführten | |
Friedensverhandlungen in Genf, deren nächste Runde für den Wahltag selbst | |
angesetzt ist. Allerdings zunächst ohne die syrische Delegation diese wird | |
erst am Freitag eintreffen. | |
Die Prioritäten sind klar gesetzt, auch das Ziel ist klar: Über die Zukunft | |
Syriens entscheidet allein „das syrische Volk“. Damit hat Assad einmal mehr | |
den Plan der UNO zurückgewiesen, der eine Übergangsregierung mit neuer | |
Verfassung und neuen Wahlen binnen 18 Monaten vorsieht. Damit stünde auch | |
die künftige Rolle Assads zur Disposition. | |
Das Ergebnis des Urnengangs steht freilich schon fest. Das neue Parlament | |
wird wie alle seine Vorgänger unter Hafez und Baschar al-Assad von der | |
National-Progressiven Front dominiert werden, in der die herrschende | |
Baath-Partei und ihre fünf Blockparteien, darunter zwei kommunistische, | |
zusammengeschlossen sind. | |
## Wahlbeobachter gibt es nicht | |
Bei der Wahl 2012 errang die Front 168 der 250 Sitze, dazu kamen neben den | |
sechs Opoositionellen 77 unabhängige Kandidaten, unter denen freilich auch | |
Mitglieder der Baath-Partei sind. Eine unabhängige Wahlkommission oder | |
ausländische Wahlbeobachter gibt es nicht und damit keine Möglichkeit, | |
Beschwerde einzulegen. | |
Hinzu kommt, dass die Funktion des Parlaments lediglich darin besteht, | |
Entscheidungen, die in den eigentlichen Machtzentralen getroffen werden, | |
abzunicken. Dazu gehört der Assad-Makhlouf-Clan, wie manche Oppositionelle | |
das Regime auch nennen. | |
Beide Familien sind durch Heirat miteiander verbunden. Rami Makhlouf, | |
Cousin des Präsidenten, gilt als der reichste Mann des Landes; sein Name | |
taucht auch in den Panama-Papieren auf. Neben dem Assad-Makhlouf-Clan sind | |
das Militär und der Geheimdienst die weiteren Zentralen der Macht, die | |
zusammengenommen ein häufig undurchsichtiges Konglomerat bilden. | |
Doch auch bunte Wahlplakate und Parolen wie „Wir stehen für Sicherheit“ | |
können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Assad-Regime, das auf | |
friedliche Demonstranten schießen ließ und zahllose Fassbomben auf Aleppo | |
und andere Städte abgeworfen hat, der Bevölkerung keine Sicherheit gebracht | |
hat. Wahlen unter Assad sind und bleiben eben eine Farce. | |
13 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Beate Seel | |
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