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# taz.de -- Orbán-Besuch bei Helmut Kohl: Zweifelhafte Freundschaft
> Was für eine Farce: Der ungarische Premier Viktor Orbán gibt sich beim
> Besuch von Altkanzler Helmut Kohl als glühender Europäer.
Bild: Ihr glühender Antikommunismus verbindet sie
Es geht um Zeichen, nicht um Worte. Bei seiner Privataudienz bei Helmut
Kohl am Dienstag in Oggersheim vermied Viktor Orbán jeglichen schrillen
Ton. Statt der üblichen rechtsnationalistischen Parolen, mit denen er
üblicherweise sein Publikum unterhält, gab der ungarische Ministerpräsident
ganz den proeuropäischen demokratischen Staatsmann.
Ungarn wolle „selbstverständlich seinen solidarischen Beitrag für eine gute
Zukunft des geeinten Europas leisten“, ließen Orbán und Kohl in ihre
gemeinsame Erklärung schreiben. Und weiter: „Zum politisch geeinten Europa
gibt es keine Alternative, wenn wir Frieden und Freiheit in Europa auf
Dauer bewahren wollen und wenn Europa seine Verantwortung in der Welt
wahrnehmen will.“ Das klingt zu schön, um wahr zu sein.
Es war still geworden um Kohl. Schon seit Längerem meidet der
gesundheitlich schwer angeschlagene Exkanzler öffentlichkeitswirksame
Auftritte. Fast die Hälfte des vergangenen Jahres musste er auf
Intensivstationen des Klinikums Heidelberg verbringen und erst in den
vergangenen Tagen kursierten wieder Gerüchte über das angeblich kurz
bevorstehende Ableben des 86-Jährigen. Die waren verfrüht, wie Kohl
ausgerechnet durch sein Treffen mit dem umstrittenen Orbán demonstriert
hat.
Es ist eine Zusammenkunft mit einiger politischer Brisanz, gehört der
ungarische Autokrat doch in der europäischen Flüchtlingspolitik mit seinem
rigiden Abschottungskurs zu den schärfsten Widersachern von Kohls
Nachfolgerin Angela Merkel.
## Aggressiv fremdenfeindlich
Orbán, der sich als heldenhafter Kämpfer für das christliche Abendland
zelebriert, hat die Grenzen zu Serbien und Kroatien mit einem massiven Zaun
schließen lassen, lehnt verbindliche Quoten für die Aufnahme von
Geflüchteten innerhalb der EU strikt ab und schürt aggressiv
fremdenfeindliche und antimuslimische Ressentiments in seinem Land.
Migranten brächten „Verbrechen und Terror nach Europa“, verkündete er
unlängst.
Würde Orbán in Deutschland Politik machen, wäre sein Platz gewiss an der
Seite von Alexander Gauland und Beatrix von Storch in der AfD. Das gilt
nicht nur für die Flüchtlingsfrage. Auch Orbáns gesellschaftspolitische
Vorstellungen haben eher weniger mit denen einer europäischen Demokratie
gemeinsam.
In seiner zweiten Regierungszeit seit 2010 haben er und seine
rechtspopulistische Partei Fidesz sich den ungarischen Staat zur Beute
gemacht. Die Verfassung wurde seinen autokratischen Bedürfnissen angepasst,
Grundrechte wie die Pressefreiheit wurden massiv eingeschränkt. „Mit den
liberalen Prinzipien und Methoden der Organisierung einer Gesellschaft und
überhaupt mit dem liberalen Verständnis von Gesellschaft müssen wir
brechen“, lautet sein Credo. Er „denke nicht, dass uns die
EU-Mitgliedschaft daran hindern wird, einen neuen illiberalen Staat auf
einem nationalen Fundament aufzubauen“.
## Glühender Antikommunismus
Ein solch unangenehmer Zeitgenosse sollte sich eigentlich als
Bündnispartner für Christdemokraten verbieten. Tatsächlich ist Orbán jedoch
sogar noch mehr: Er ist Vizepräsident der Europäischen Volkspartei, jenem
europäischen Zusammenschluss christdemokratischer Parteien, dem auch die
CDU und die CSU angehören. Im Europarlament sitzen die Unionsparteien mit
der Fidesz in einer Fraktion.
Dass sich Orbán als ein „Schüler“ Kohls bezeichnet, ist ein zweifelhaftes
Lob für den Altkanzler. Seit Langem sind die beiden befreundet. Die
Endphase von Kohls langer Regentschaft fiel 1998 mit dem Anfang der ersten
Regierungsperiode des damals 35-jährigen Orbán zusammen. Es ist wohl der
glühende Antikommunismus, der sie verbindet.
Doch ihr Treffen am Dienstag, zu dem Orbán mit einem großen Blumenstrauß
anreiste, dürfte nicht nur der Vertiefung ihrer freundschaftlichen
Beziehungen gegolten haben. Es ist auch eine Ohrfeige für Merkel, mit der
sich weder der eine noch der andere allzu gut versteht. Dass beide
gleichwohl auf jedes kritische Wort in Richtung der Kanzlerin verzichteten,
entsprach der Inszenierung. Das Zeichen reichte.
19 Apr 2016
## AUTOREN
Pascal Beucker
## TAGS
Viktor Orbán
Helmut Kohl
Schwerpunkt Angela Merkel
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Flüchtlinge
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