| # taz.de -- Homosexualität im Iran: Er liebt jetzt Israel | |
| > Payam Feili ist Schriftsteller, Iraner und schwul. Er floh, als es für | |
| > ihn zu gefährlich wurde – ausgerechnet nach Tel Aviv. | |
| Bild: Israel war für Payam Feili schon immer ein Sehnsuchtsort – deshalb auc… | |
| Alles an mir ist eigenartig“, sagt Payam Feili. „Deshalb interessieren sich | |
| die Leute so sehr für mich.“ Manchmal, wenn sie ihn erkennen, sprechen sie | |
| ihn auf der Straße an. „Warum gerade Israel?“, wollen sie dann wissen. | |
| Feili sitzt im Italian House, einem Café im Zentrum Tel Avivs. Die Beine | |
| übereinandergeschlagen, zwischen den blau lackierten Fingernägeln klemmt | |
| eine Zigarette. Das Gesicht ist glatt rasiert und gepudert, seine Wimpern | |
| sind mit Mascara verschönert, seine Haare durchzogen von grauen Strähnen. | |
| Dreißig ist er und wirkt müde, aber entspannt. Gespräche mit Journalisten – | |
| das kennt er. In den vergangenen Monaten hat er Dutzende Interviews | |
| gegeben. Immer die gleichen Fragen: Warum Israel? Wie ist es, im Iran | |
| schwul zu sein? Und: Warum hat er diese Tätowierung – den Davidstern – auf | |
| seinem Hals? Die Frage, die er gerne beantworten möchte, kommt selten: Wer | |
| ist das eigentlich, Payam Feili? „Ich hatte bislang kaum Möglichkeiten, | |
| über mich und meine Arbeit zu sprechen.“ | |
| Deshalb sei er genervt von vielen Medien. „Die zeigen mich nur als den | |
| schwulen, regimekritischen iranischen Flüchtling, der in Israel Asyl | |
| sucht.“ Er will nicht auf diese Labels reduziert werden. Doch gerade die | |
| bescheren ihm Aufmerksamkeit. Nicht seine Bücher. | |
| ## Liebe zur Mutter | |
| Dabei ist Payam Feili Schriftsteller. Und er ist verliebt – in Israel. | |
| Deshalb der Davidstern auf dem Hals. Seit Ende November 2015 lebt er in Tel | |
| Aviv. Als Nichtjude nach Israel einwandern, das ist nicht so einfach, | |
| selbst für ihn als Atheist nicht. Iran und Israel sind verfeindete Staaten. | |
| Trotzdem sieht Feili seine Zukunft hier – er hat Asyl beantragt. Weil Tel | |
| Aviv für ihn ein Neuanfang ist, hier kann er endlich zu seiner | |
| Homosexualität stehen. In seiner Heimat lebte er zurückgezogen. „Ich bin | |
| nicht im Iran aufgewachsen, sondern in meinem Zimmer.“ | |
| Im Jahr 1985 wird Feili in Kermanschah geboren, einer Stadt an der Grenze | |
| zum Irak. Die prägendsten Erinnerungen seiner Kindheit sind die Lesungen | |
| seiner Mutter, zu Hause, manchmal gehen sie bis in die frühen | |
| Morgenstunden. Seine Mutter ist Lyrikerin, oft liest sie eigene Gedichte | |
| vor. Feili bleibt wach, bis der letzte Gast geht. „Ich war verliebt in | |
| meine Mutter, wenn sie las“, sagt er. „Ihretwegen habe ich mich auch in die | |
| Poesie verliebt.“ Eine seiner liebsten Zeilen der Mutter: „Ah! Deine | |
| dunklen Augen. Wie mein Umherwandern, rochen traurig.“ | |
| Mit seiner Mutter verbringt er viel Zeit, noch mehr, als die Depressionen | |
| schlimmer werden. Feili ist bipolar, mit 15 wird ihm die Diagnose gestellt. | |
| Noch heute hat er starke Stimmungsschwankungen, muss Medikamente nehmen. | |
| „Oft möchte ich, dass das Leben so schnell wie möglich vorbei ist.“ | |
| Feilis Stimme klingt sanft. Er dreht den Kopf immer wieder zu Orly Cohen, | |
| die neben ihm auf der Bank im Café sitzt. Cohen ist eine Freundin, sie ist | |
| jüdisch und im Iran geboren. Deshalb spricht sie auch Farsi und übersetzt. | |
| Feili versteht Englisch, aber sprechen, das funktioniert noch nicht so gut. | |
| Als Teenager beginnt er sich für Israel zu interessieren. Er sieht Filme | |
| über den Holocaust, liest die Bibel. Feili ist fasziniert von der jüdischen | |
| Geschichte und von der Thora. Israel wird zum Sehnsuchtsort, zu einer | |
| Fantasiewelt, in die er immer wieder entfliehen kann. Gärten voller | |
| Orangenbäume, die Wüste, Jerusalem, hebräische Lieder und mysteriöse Tunnel | |
| unter der Klagemauer – so stellt er sich diese Welt vor. Für die „echte“ | |
| Welt im Iran fühlt sich Feili dagegen nicht gewappnet. | |
| ## Feili fällt auf | |
| Was genau er an Israel liebt, das vermag er nicht zu benennen. Irgendwie | |
| vertraut fühle sich das Land an, fast so, wie er es sich ausgemalt hatte. | |
| Die nächste Zigarette. Er nimmt einen Zug und bläst den Rauch durch die | |
| Nase aus. Wenn er sich nach vorne beugt, kann man unter dem Tabakgeruch | |
| sein süßliches Haargel riechen. | |
| Dass Feili Männer liebt, hatte er auch im Iran schon offen ausgesprochen. | |
| „Homosexualität ist etwas Natürliches“, sagt er. „Homosexualität ist | |
| abnormal“, sagt das iranische Regime. Im Extremfall droht darauf die | |
| Todesstrafe. „Die Regierung mag es nicht, wenn du eine eigene Identität | |
| hast“, sagt Feili. „Entweder nimmt sie sie dir weg oder sie versucht, sie | |
| zu unterdrücken.“ | |
| Wer homosexuell ist, lebt im Iran mit der permanenten Gefahr, entdeckt und | |
| bestraft zu werden. Trotzdem gibt es vor allem in Teheran eine lebendige | |
| Schwulenszene. „Man kann im Iran auch als Schwuler ganz gut leben, wenn man | |
| nicht auffällt.“ Doch Feili fällt auf. Denn er redet – und schreibt. | |
| Im Jahr 2010 veröffentlicht er seinen Roman „Ich werde wachsen, ich werde | |
| Früchte tragen...Feigen“. Sein Leben verändert sich komplett, denn das Buch | |
| wird zwar nicht im Iran veröffentlicht, sorgt dort aber für Aufsehen. Schon | |
| der erste Satz: „Ich bin 21. Ich bin homosexuell. Ich mag die | |
| Nachmittagssonne.“ | |
| Der Roman handelt von zwei iranischen Soldaten, die sich während des Kriegs | |
| gegen den Irak ineinander verlieben. Medien wollen wissen, ob die schwule | |
| Hauptfigur Ähnlichkeiten mit Feili hat. Hat sie, auch wenn er selbst nie | |
| Soldat war. Feili will sich nicht verstecken, auch nicht im Iran. „Ich habe | |
| das als erniedrigend empfunden.“ | |
| Das Buch ist für ihn sein Coming-out in der Öffentlichkeit. Die Drohungen | |
| beginnen, mehrfach wird er inhaftiert, einmal 44 Tage in einen | |
| Schiffscontainer gesperrt. „Darüber möchte ich nicht sprechen“, sagt er. | |
| ## Imagekampagne für Israel | |
| Im Iran fühlt er sich immer einsamer. Freunde besuchen ihn nicht mehr aus | |
| Angst, drangsaliert zu werden. Es ist im Sommer 2014, als er merkt, dass es | |
| zu gefährlich wird. Er flieht in die Türkei. Dann wird sein Traum | |
| Wirklichkeit. Miri Regev, Israels Kulturministerin, erfährt von ihm und | |
| davon, dass in Tel Aviv ein Theaterstück aufgeführt wird, das auf seinem | |
| Roman basiert. | |
| Sie sorgt dafür, dass er einreisen darf. Jetzt läuft sein Asylverfahren – | |
| eine langwierige, bürokratische Angelegenheit, meist sogar eine | |
| aussichtslose. Denn Israel hat in den vergangenen Jahren weniger als ein | |
| Prozent der Asylanträge bewilligt. Payam Feili ist trotzdem optimistisch. | |
| „Jeder weiß doch, dass sie mir das geben werden“, sagt er. Ein schwuler | |
| Iraner, der sich vor dem eigenen Staat fürchtet und in Israel Zuflucht | |
| sucht – für die israelische Regierung ist das eine perfekte Imagekampagne. | |
| Genau wie für ihn. | |
| Jetzt, in Tel Aviv, will er als Schriftsteller bekannter werden. Feilis | |
| Romane sind durchzogen von Poesie und abstrakten Formulierungen. „Poker und | |
| ich haben den Nachmittag in den Augen des anderen verbracht“, heißt es in | |
| „Ich werde wachsen, ich werde Früchte tragen ...Feigen“, oder „Mit einem | |
| kleinen Stück Wahnsinn in der Tasche suchten wir nach Benyamins Leben unter | |
| den Toten.“ | |
| Sein erstes Buch „Das Podest der Sonne“ veröffentlichte er mit 19. Es ist | |
| das Einzige, das im Iran erschien, wenn auch stark zensiert. Neun Bücher | |
| hat er bislang geschrieben, Israel und Homosexualität sind die dominanten | |
| Themen. Aber auch seine Krankheit drückt sich darin immer wieder aus, die | |
| Depression und die Verzweiflung, die Feili spürt. „Wer meine Bücher liest, | |
| ist hinterher nicht gerade glücklich.“ | |
| Feili fühlt sich willkommen in Tel Aviv. Israelis nehmen ihn bei sich auf, | |
| unterstützen ihn auch finanziell. Müde, sagt er, machen ihn die politischen | |
| Fragen. Nach seinem Heimatland oder dem Nahostkonflikt. „Ich bin kein | |
| Nahostanalyst“, sagt Feili. Und beginnt dann dennoch zu reden. Über die | |
| iranischen Parlamentswahlen etwa, die Ende Februar stattgefunden haben und | |
| die er nicht ernst nehmen kann. „Die haben den Leuten gesagt, wen sie | |
| wählen sollen. Präsident Rohani ist ein Heuchler, ich glaube ihm nicht ein | |
| Wort.“ | |
| Auch wenn er in Tel Aviv ein neues Leben führen möchte, sein Heimatland ist | |
| ihm wichtig. Die Feindschaft zwischen Iran und Israel: Sie besteht vor | |
| allem zwischen den Staaten. Nicht zwischen den Menschen. | |
| 9 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Maria Caroline Wölfle | |
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