# taz.de -- Ungarischer Autor über Kertész: „Kertézs litt sehr unter den A… | |
> Imre Kertész war kein bequemer Autor. Er forderte in seiner Heimat Ungarn | |
> Widerspruch heraus, sagt der Schriftsteller György Dalos. | |
Bild: Nationalistische Kreise zürnten Kertész wegen einiger Aussagen | |
taz: Herr Dalos, welche Bedeutung hat [1][der verstorbene Nobelpreisträger | |
Imre Kertész] für Ungarn? | |
György Dalos: Imre Kertész hat mit seinen beiden Meisterwerken „Roman eines | |
Schicksallosen“ und „Kaddisch für ein nicht geborenes Kind“ die ungarisc… | |
Literatur bereichert. Er gehört jetzt schon zu den Klassikern. | |
Nun galt Kertész in seinem Heimatland Ungarn auch als ein Nestbeschmutzer, | |
der auf die ungarische Mitschuld am Holocaust verwiesen hat. Wie ist das zu | |
verstehen? | |
Es ist eine schlechte ungarische Tradition, Ausland und Inland strikt | |
auseinanderzuhalten. Ich glaube, wenn Kertész als in der ganzen Welt | |
bekannter Schriftsteller in Deutschland etwas über Ungarn sagte, dann wurde | |
das anders bewertet, als wenn er dies in Ungarn gesagt hätte. Das ist, so | |
glaube ich, ein Zeichen der Provinzialität unseres Landes. Kertész, der | |
kein Politiker war, zog daraufhin den Zorn von rechten bis rechtsradikalen | |
Kreisen auf sich und litt sehr unter diesen Angriffen. | |
Kertész hat mit seinen Romanen auch an einem Tabu gerührt. | |
Der „Roman eines Schicksallosen“ erschien erstmals 1975. Das Thema war | |
damals kein absolutes Tabu. Ich glaube aber, dass Kertész damals die | |
Lektoren mit seiner völlig souveränen, eigentlich ironischen Schilderung | |
des Holocaust mit den Augen eines Heranwachsenden in Verlegenheit brachte. | |
Der Holocaust war in der kommunistischen Zeit in Ungarn ein nur sehr | |
vorsichtig behandeltes Thema. Natürlich konnte man Romane über den | |
heldenhaften antifaschistischen Widerstand der Kommunisten schreiben. Aber | |
die Realität wurde in nur sehr wenigen Texten authentisch dargestellt. Und | |
diese Authentizität hat damals gestört. | |
Im Jahr 2014 [2][hat Kertész den Stephansorden angenommen], dessen | |
Geschichte bis in die Zeit der rechtsautoritären Führung Ungarns während | |
des Zweiten Weltkriegs reicht. Hat er damit seinen Frieden mit der | |
ungarischen Politik gemacht? | |
Ich glaube, dass er als alter und kranker Mann von all diesen Angriffen | |
einfach müde geworden ist. Er wollte endlich seine Ruhe haben. Aber er hat | |
sie nicht bekommen – trotz dieser sehr freundlichen Geste gegenüber der | |
ungarischen Regierung. | |
31 Mar 2016 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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