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# taz.de -- Außenminister Steinmeier im Kreml: Moskau bleibt cool
> Russland verachtet Europas Liberalität. Doch beim Kräftemessen mit den
> USA ist es auf Deutschlands Unterstützung angewiesen.
Bild: Frank-Walter Steinmeier bei einem Treffen mit Sergei Lawrow und Wladimir …
MOSKAU taz | „Wir sehen uns fast häufiger als unsere Familien“, sagte
Walter Steinmeier. Der deutsche Außenminister versuchte es bei seinem
russischen Amtskollegen am vergangenen Mittwoch auf die verbindliche Art.
Er gratulierte Sergei Lawrow auch noch zum 66. Geburtstag vom Anfang der
Woche. Doch was Steinmeier bei der Moskauer Visite auch unternahm, dem
kalendarischen folgte kein klimatischer Frühling.
Moskau bleibt ungemütlich, es fühlt sich international im Aufwind. Nach
Lawrow war auch noch ein Treffen mit Ministerpräsident Dmitri Medwedjew und
Kremlchef Wladimir Putin vorgesehen. Auch US-Außenminister Kerry hatte sich
für Donnerstag noch in Moskau angesagt, er wollte ebenfalls im Kreml
vorsprechen.
Alle Wege führen nach Moskau, triumphieren Russlands staatliche Medien. Die
Botschaft ist klar: Moskaus internationale Isolation, die auf die
Krim-Besetzung folgte, ist überwunden. Das kann, wer will, aus der Anreise
Kerrys noch vor Ostern herauslesen.
Lawrow war in der Pressekonferenz mit Steinmeier zu keinen Späßen
aufgelegt. Der Außenminister ist erfahren genug, um zu wissen, dass Moskau
Kraft und Mittel fehlen, um die Rolle einer zweiten Supermacht zu
übernehmen. Diesen Mangel muss seit einiger Zeit die unbeweglich drohende
Mine des russischen Außenamtschefs ausgleichen.
## Jugend als Selbstläufer
Um die deutsch-russischen Beziehungen steht es schlecht. Wie schlecht,
belegte die gemeinsame Erklärung der beiden Länder zum Jugendaustausch
2017. Wer sich nichts zu sagen weiß, stürzt sich auf die Jugend. Sie lässt
sich mit beruhigenden Themen wie Zukunft, Gemeinsamkeiten, Offenheit und
Abbau von Stereotypen verbinden. Ein Selbstläufer, der zu nichts
verpflichtet. Abzuwarten bleibt, wen Moskau zum Austausch nach Deutschland
zu schicken wagt. Der Jugend hat es gehörig den Kopf gewaschen.
Unmittelbar nach den Anschlägen von Brüssel warb Steinmeier für einen
vereinten Kampf gegen den Terrorismus. „Es ist in unserem gemeinsamen
Interesse, gegen diese gemeinsame Bedrohung anzugehen“, sagte er. Der Russe
pflichtete ihm bei, konnte sich aber die Spitze nicht verkneifen: „Ich
hoffe, dass die Europäer angesichts des fürchterlichen Terroranschlags in
Brüssel ihre geopolitischen Spielchen beenden“, sagte Lawrow. Steinmeier
blieb Sergei die Antwort schuldig.
Russlands wütende Vorwürfe haben inzwischen System. Es wirft dem Westen
vor, was es meist selbst macht und für unabdingbar hält. Zum Anschlag hatte
sich am Vortag schon die Sprecherin des Außenministeriums geäußert. „Leider
kommen wir heute zu sehr traurigen Ergebnissen in der Politik doppelter
Standards. Man darf Terroristen nicht in gute oder schlechte einteilen“,
sagte Maria Sacharowa, die mit ihrem Auftreten diplomatische
Gepflogenheiten leichtfertig unterläuft. Die Anspielung galt der gemäßigten
Opposition in Syrien, die Russland auch zu Terroristen zählt.
Ein leicht gewöhnlicher Zungenschlag hat sich im Ministerium am Smolensker
Ploschtschad eingeschlichen. Er kennzeichnet den Wechsel von der Oligarchie
zur Ochlokratie. Die politische Elite ist der Meinung, dass sich die EU das
Terrorismusproblem selbst eingebrockt habe. Moskau verachtet Europas
Liberalität, übersieht jedoch, dass auch ein autoritärer Staat wie Russland
vom Terror regelmäßig heimgesucht wird. Scharfe Analyse ist in Russland
zurzeit nicht angesagt.
## Reine Symbolik als Politik
Lawrow bekräftigte die Notwendigkeit der Friedensbemühungen in Syrien, warf
der Türkei indes vor, kurdische Milizen daran zu hindern, gegen den
Islamischen Staat (IS) vorzugehen. Unklar ist weiter hin, wie Moskau mit
dem Diktator Baschar al Assad verfahren möchte. Das dürfte einer der Gründe
für Kerrys Anreise gewesen sein.
Auch mit Blick auf die Ukraine bewegt sich in Moskaus nichts. Daran wird
sich demnächst auch nichts ändern. Moskau empfindet den Status quo als
vorteilhaft, während die Widersprüche in Kiew wachsen.
Auch die Verurteilung der ukrainischen Kampfpilotin Nadija Sawtschenko zu
22 Jahren Haft sprach Steinmeier an und plädierte für eine „humanitäre
Lösung“. Der Prozess sprach rechtsstaatlichen Anforderungen Hohn und wurde
international scharf kritisiert.
## Gezielten Halb- und Unwahrheiten
Russland und der Kreml sind auf die USA fixiert. Russische Beobachter
vermuten, Kerry könnte Putin auf das Schicksal der Pilotin ansprechen. Eine
Lösung auf „Augenhöhe“ – zwischen Washington und Moskau – wäre dann …
mehr ausgeschlossen. Es ist reine Symbolik, die Russlands Politik der
harten Bandagen seit einigen Jahren begleitet.
Lawrow nutzte die Gelegenheit, Russlands Positionen noch einmal in aller
Breite darzustellen. Ob zu Syrien oder der Ukraine – der Außenminister
verbreitete die gezielten Halb- und Unwahrheiten der hybriden
Kriegsführung.
Hochkarätige Besuche legt Moskau auch als Zustimmung aus. Das sollte
niemand vergessen, der in Moskau mit ehrlichen Absichten auftritt. Noch
gilt: Sicherheit und Stabilität lassen sich nicht ohne und auch nicht gegen
Russland erzwingen, leider aber auch nicht mit Moskau.
26 Mar 2016
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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