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# taz.de -- Zeitungen in Thüringen: Aus drei mach eins
> Die Funke-Gruppe baut den Thüringer Zeitungsmarkt um. Kritiker fürchten
> sich vor der „Einheitspresse“ – und sind in Sorge um Arbeitsplätze.
Bild: Ist vielleicht bald einer der wenigen verbliebenen Medienmacher in Thüri…
Michael Tallai hatte damit gerechnet, dass es für ihn unbequem werden
könnte. Er ist Geschäftsführer der Mediengruppe Thüringen und verantwortet
das, was Funke „Zukunftsprogramm“ nennt: Die Mantelredaktionen der
Thüringer Allgemeinen, der Thüringer Landeszeitung und der Ostthüringer
Zeitung sollen zusammengelegt und nicht mehr in Thüringen, sondern in den
[1][Zentralredaktionen in Berlin] und Essen produziert werden.
Rund ein Drittel der Belegschaft der drei Thüringer Zeitungen soll
eingespart werden, von bis zu 150 Mitarbeitern ist die Rede. So hatte es
Funke Ende Februar verkündet. Der Thüringer Landtag nahm den Umbau zum
Anlass für eine Aktuelle Stunde, bei der alle Fraktion, bis auf die AfD,
von einem Verlust der Pressevielfalt, von Einheitspresse und
Medienkonzentration sprachen.
## Nur einer kritisiert
Am vergangenen Donnerstag nun stelle sich Tallai auf einer
Podiumsdiskussion der öffentlichen Diskussion. Das Café Nerly in der
Erfurter Innenstadt war so voll wie selten. Rund 100 Leute quetschten sich
auf die schweren Sofas, saßen auf dem Boden und den Stufen des alten
Theatersaals. Doch der Einzige, der Tallai für sein Programm kritisierte
und – bisweilen polemisch – angriff, war der [2][frühere Chefredakteur] der
Thüringer Allgemeinen und das heutige Presseratsmitglied, [3][Sergej
Lochthofen].
Funke habe sich mit dem knapp [4][eine Milliarden schweren Kauf] von
Regionalzeitungen, Frauen- und Fernsehzeitschriften von Springer im Jahr
2013 übernommen. Die Kosten müssten nun die Thüringer Zeitungen zahlen,
mutmaßte Lochthofen. Tallai bestreitet das. Es seien vielmehr die sinkenden
Auflagenzahlen und Anzeigenerlöse sowie der Mindestlohn für die
Zeitungszusteller, die den Umbau der Zeitungen nötig machten.
Tatsächlich hat die Zeitungsgruppe Thüringen, der die drei Blätter
angehören, in den vergangenen Jahren Auflage verloren – allerdings nicht
mehr als viele andere Regionalzeitungen. Mit gut 250.000 verkauften
Exemplaren täglich ist sie noch immer die größte Zeitungsgruppe in
Ostdeutschland.
Seit Ende März verhandelt Funke mit den Betriebsräte. Der Verlag hat
Mitarbeitern, die älter als 57 sind, Angebote zur Frühverrentung gemacht,
die einige bereits angenommen haben. Wenn es gut läuft, sagt Tallai, werde
es nur wenige betriebsbedingte Kündigungen geben. Britt Mandler,
Betriebsratsvorsitzende der Thüringer Allgemeinen, ist weniger
optimistisch. Die Stimmung im Haus sei schlecht, heißt es aus verschiedenen
Redaktionen.
## Nur wenige Sekretärinnen bleiben
Auf der Streichliste stehen neben Redakteuren und Anzeigenverkäufern auch
Sekretärinnen. Funke will sie durch eine zentrale Beratungshotline
ersetzen. Damit werde ein großer Teil der Identität der Lokalredaktionen
verloren gehen, glauben viele Mitarbeiter. Die Sekretärinnen seien nicht
nur Organisatorinnen, sondern auch Anlaufstelle für Leser, die ihren
Leserbrief vom Sütterlin übersetzt, ein vergilbtes Familienfoto eingescannt
haben wollen oder die erzählen, was der Gemeinderat wieder verbockt hat.
Das werden die Thüringer Zeitungen dann nicht mehr leisten können, sagt
Tallai dazu.
Wie genau die Thüringer Zeitungen in Zukunft aussehen sollen, steht noch
nicht fest. Arbeitsgruppen basteln an einem Konzept. Bereits vor fünf
Jahren verkündete die Geschäftsführung einen stärkeren Fokus auf das
Regionale und [5][baute die Blätter um]. Gebracht hat das scheinbar nichts,
die Leser vermissen laut einer aktuellen Befragung noch immer gute
Regional- und Lokalberichterstattung.
Es ist heute schon so, dass die Thüringer Allgemeine als größte der drei
Zeitungen, vor allem die Thüringer Landeszeitung mit Inhalten beliefert –
gleiche Texte, gleiche Autoren, ähnliche Bilder, nur unter einem anderen
Zeitungstitel. Die Überschneidungen dürften zunehmen, wenn Funke einige
Lokalredaktionen von Thüringer Allgemeiner und Thüringer Landeszeitung
zusammenlegt.
Wieso dann überhaupt noch drei unterschiedliche Zeitungen betreiben? Wäre
es nicht einfacher mit einer? Betriebswirtschaftlich wäre das dumm, sagt
Michael Tallai. Die jetzigen Überschneidungen störten den Leser nicht.
Nähme man ihm aber seine Zeitung, würde er nicht die einzig verbleibende
abonnieren. Die Frage ist nur, wie viel von „seiner Zeitung“ er in Zukunft
noch finden wird.
11 Apr 2016
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## AUTOREN
Anne Fromm
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