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# taz.de -- Pannen des Familienministeriums: Kein Geld für Miete und Gehälter
> Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ fördert Projekte gegen Rassismus.
> Doch bei der Verteilung des Geldes hapert es immer wieder.
Bild: Viele Initiativen leisten wichtige Arbeit gegen Rassismus – und benöti…
BERLIN taz | Das Jahr 2016 ist bisher kein gutes für Klaus Weger*. Der Chef
eines lokalen Projekts, das sich gegen Muslimfeindlichkeit einsetzt, konnte
weder seine Mitarbeiter noch die Miete zahlen. Und er ist nicht der Einzige
mit diesem Problem. Bundesweit sind Initiativen, die in Schulen, auf der
Straße oder Sportplätzen gegen Islamophobie und Rassismus kämpfen, in
existenzielle Krisen geraten. Eine Kollegin von Weger aus Ostdeutschland
musste einen Kredit aufnehmen, um eine Pleite abzuwenden. Ein anderer
Projektleiter nahm Geld aus Töpfen, die dafür nicht gedacht seien, sagt er
der taz unter Zusicherung von Anonymität.
Die drei haben eines gemeinsam: Sie werden von „Demokratie leben!“
unterstützt, einem Programm des Familienministeriums. Seit Anfang 2015
fördert es unter anderem rund 70 solcher „Modellprojekte“ mit jährlich
jeweils mehr als 100.000 Euro. „Langfristiger und nachhaltiger als bisher“,
heißt es, soll zusammengearbeitet werden im Kampf gegen Gewalt und
Menschenfeindlichkeit. Doch diesen können die Projekte nur führen, wenn sie
Geld haben. Und da hapert es derzeit.
„Demokratie leben“ kommt für 80 Prozent der Projektkosten auf. Der Rest
muss durch Kofinanzierung selbst gestemmt werden. Um „Planungssicherheit zu
gewährleisten“, sind die Förderungen auf bis zu fünf Jahre angelegt.
Trotzdem muss jedes Jahr die Finanzierung neu beantragt werden. Zuständig
für die Erteilung der Bescheide sind das Familienministerium und eine
Regiestelle beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben.
Bei einigen Projekten gibt oder gab es in diesem Jahr nun Probleme mit der
Ausstellung der für die Finanzierung benötigten Dokumente. Die taz hat rund
25 Initiativen in ganz Deutschland kontaktiert. Die Erzählungen der
Mitarbeiter ähneln sich: Zuwendungsbescheide kamen entweder später als
angekündigt, noch gar nicht, oder nur für einen Teil des Geldes. Bei rund
der Hälfte aller von der taz kontaktierten Initiativen gab es Verzögerungen
bei den Bescheiden. Gut ein Viertel musste sogar auf anderem Weg Geld
beschaffen, um das Weiterlaufen der Projekte zu gewährleisten.
Besonders kleine Träger bringe das derzeit „sehr in die Bredouille“, ärge…
sich Weger. Ohne eine Privateinlage und Geld von anderen Projekten wäre er
zahlungsunfähig gewesen. Auch ein Projektleiter aus Ostdeutschland ist
sauer. „Wie mit den Partnern umgegangen wird, befremdet mich“, sagt er.
Auch er hat noch keinen endgültigen Zahlungsbescheid bekommen. Im Januar
habe er die Gehälter noch zahlen können, im Februar sei es schwierig
gewesen. „Ich bin hochgradig enttäuscht.“ Erst Anfang März statt Anfang
Januar bekam er einen Bescheid über zumindest einen Teil des Geldes. Doch
jetzt stehe er wieder vor demselben Problem: einer unsicheren
Finanzierungslage. Von der zuständigen Regiestelle bekomme er „keine klaren
Aussagen“.
## Verzögerungen ungeklärt
Obwohl das Problem weit verbreitet scheint, sind nicht alle der geförderten
Projekte betroffen. Im Saarland oder in Baden-Württemberg gibt es solche
Vorfälle kaum. Viele Programm-TeilnehmerInnen zeigen sich vielmehr
„hochzufrieden“ mit der Zusammenarbeit.
Und was sagt das Familienministerium dazu? „Eine Verzögerung von
Auszahlungen ist nicht bekannt“, so ein Sprecher. Eine Verspätung bei der
Erteilung von Bescheiden beschäftige sie jedoch seit Dezember. „In
besonders schwierigen Einzelfällen wurden Trägern inzwischen
Teilbewilligungen ausgesprochen, um eine Milderung der Situation
herbeizuführen“, heißt es. Nach den Ursachen für die Verzögerung gefragt,
verweist der Sprecher auf die rechtliche Voraussetzung der „gesicherten
Gesamtfinanzierung des Vorhabens“.
„Wenn zum Beispiel die Antragsstellung verspätet oder unvollständig erfolgt
und Nachbesserungen erforderlich sind“, könne es zu Verspätungen kommen.
Außerdem müsse der Bundesrechnungshof (BRH) vor der Bewilligung einer
Zuwendung von mehr als 100.000 Euro die Verwendungsnachweise prüfen.
„Naturgemäß“ sei das mit einem größeren administrativen Aufwand verbund…
Auch Klaus Weger hat man gesagt, dass sein Antrag im BRH liege und dort
geprüft werde. Nachfragen dort bestätigen das jedoch nicht.
Eine Sprecherin sagt zwar, dass der BRH „in bestimmten Fällen“ an
Bewilligungen zu beteiligen sei. Das dauere in der Regel aber nur wenige
Tage. Derzeit lägen für „Demokratie leben!“ keine Fälle vor, zu denen der
Bundesrechnungshof angehört werde. Die Verzögerungen bleiben also vorerst
ungeklärt und die Projektmitarbeiter müssen sich wohl auch in Zukunft in
Geduld üben.
*Klaus Weger heißt anders. Er möchte, wie alle Projektleiter, die mit der
taz sprachen, anonym bleiben
7 Apr 2016
## AUTOREN
Hannah Weiner
## TAGS
Bundesrechnungshof
Schwerpunkt Rassismus
Familienministerium
Förderung
Verfassungsschutz
Leerstand
Rechts
Vielfalt
Charlie Hebdo
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