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# taz.de -- Kolumne Wirtschaftsweisen: Von Generationen und Turns
> Was lässt sich von Tieren lernen? Etwa, dass eine Revolution mit ihnen
> nicht zu machen ist.
Bild: Hier wird getrunken, nicht Revolution gemacht.
Seitdem die Arbeiterklasse hinter dem Horizont verschwunden ist, spricht
man vermehrt wieder von Generationen. Nach dem Mauerbau hatte Walter
Ulbricht gefordert, die „junge Generation“ stärker in den
„Gestaltungsprozess“ einzubeziehen. Seit dem Mauerfall geht das ratzfatz.
Ein Buchhändler in Charlottenburg legte kürzlich folgende Bücher in sein
Schaufenster: „Die geprügelte Generation“, „Die vergessene Generation“,
„Die verlorene Generation“, „Die Generation der Wendekinder“, „Die
Generation X“, „Wie die Generation ‚Y‘ unsere Welt verändert“,
„Konsumgewohnheiten der Generation Y“, „Generation Allah“, „Generation
Geil“, „Generation Golf“, „Die Dschihad-Generation“, „Generation Er…
„Die schwierige Generation“, „Die nächste Generation“, „Die Generati…
Doof“, „Die enterbte Generation“, „Das Mehrgenerationenhaus“,
„Generationengärten“.
Die „Generation“ gehört zu den „Turn“-Begriffen – wie in den
Geisteswissenschaften folgt eine „Generation“ auf die andere. „Nach dem
cultural turn, dem linguistic turn, dem spatial turn, dem iconic/visual
turn, dem body turn und dem emotional turn ist jetzt der animal turn an der
Reihe“, heißt es in einer anonymen Kritik an den „Human Animal Studies“,
die des „akademischen Konformismus“ bezichtigt werden. Wobei der animal
turn das Proletariat durch Tiere ersetzt. Die Schriftstellerin Brigitte
Kronauer bezeichnet die Tiere als „Verlierer der Evolution“. Auf dem
Deutschen Historikertag 2014 thematisierte eine Sektion die „Tiere als
Verlierer der Moderne“.
## Tiere haben keine Moral
Michel Foucault fragte sich einmal: „Gibt es überhaupt irgendetwas in der
Geschichte, was nicht Ruf nach oder Angst vor der Revolution ist?“ Bei den
Tieren ist man da auf der sicheren Seite: Sie werden sich nie zu einem
(Sklaven)aufstand gegen die Menschen zusammenrotten. „Eine Revolution ist
mit Tieren nicht zu machen“, weswegen der Harvard-Neurologe Marc Hauser
ihnen in seinem Buch „Wild Minds“ mangelnde Moral attestiert: „Kein Tier
hat je eine Koalition mit Verbündeten gebildet, um das System aus den
Angeln zu heben.“
Diese Morallosigkeit hält jedoch Brigitte Kronauer gerade für eine
besonders lobenswerte Eigenschaft – im Tierreich. Den Verfechtern des
animal turn wird vorgeworfen, sie stellten „menschliches und tierisches
Leben auf eine Stufe“. Es ist in Wahrheit jedoch viel schlimmer – wie die
finnische Ornithologin Ulla-Lena Lundberg – in ihrem Buch „Sibirien:
Selbstporträt mit Flügeln“ – gesteht: „Von Vogelbeobachtern heißt es, …
seien Menschen, die von anderen Menschen enttäuscht wurden. Darin liegt
etwas Wahres, und ich will nicht leugnen, dass ein Teil des Entzückens, mit
anderen Vogelguckern gemeinsam draußen unterwegs zu sein, in der
unausgesprochenen Überzeugung liegt, die Vögel verdienten das größere
Interesse.“
Deswegen ist es umso bedauerlicher, dass jüngst ein Vorstoß des
Kulturwissenschaftlers Thomas Macho, der zuletzt ein Porträt „Schweine“
veröffentlichte, den Bereich Animal Studies an der Humboldt-Universität zu
etablieren, zurückgewiesen wurde. Stattdessen vermehren sich dort die
Neurowissenschaften wie blöd. Ähnlich bei den Botanikern, die sich derart
mit „molekularen Strukturen“ befassen, dass viele die Pflanze, die sie
beforschen, gar nicht mehr als Ganze kennen.
„Natürlich kann man Biologiestudenten durch ihre Ausbildung schleusen, ohne
dass sie dabei auch nur einen einzigen lebenden Organismus untersucht
haben. Wenn dann aber die erste derart ungebildete Generation erzeugt ist,
wird man sich nach den Orten sehnen, an denen früher echte Lebenskundler
herangereift sind,“ schrieb die FAZ empört über die Schließung des
Botanischen Gartens der Universität Saarbrücken. Auch die FU möchte ihren
Botanischen Garten abstoßen.
3 Apr 2016
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
Kolumne Wirtschaftsweisen
Tiere
Generationen
Landleben
Buch
Kiffen
Windparks
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