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# taz.de -- Urteil gegen Ex-BND-Mitarbeiter: Spiönchen kommt in den Knast
> Markus R., der jahrelang Geheimpapiere an die CIA weitergab, muss ins
> Gefängnis. Das Motiv „Nervenkitzel“ ließ der Richter nicht gelten.
Bild: Markus R. wollte zugleich für den deutschen, amerikanischen und russisch…
München taz | Landesverrat unter Freunden? Ist das nicht ein Widerspruch in
sich? Das war die entscheidende Frage, über die das Oberlandesgericht im
Prozess gegen einen ehemaligen BND-Mitarbeiter zu entscheiden hatte.
Nein, befanden die Richter und verurteilten den 32-jährigen Angeklagten am
Donnerstag wegen zweifachen Landesverrats, davon einmal in einem besonders
schweren Fall, Verletzung von Dienstgeheimnissen und Bestechung zu einer
Haftstrafe von acht Jahren. Außerdem wurde ihm das Wahlrecht für fünf Jahre
aberkannt. Der Mann hatte sich sechs Jahre lang als Spitzel für den
amerikanischen Geheimdienst CIA betätigt.
Der Pullacher Agententhriller liest sich dabei recht banal: Markus R., ein
kleiner Angestellter in der Registratur und Poststelle des
Bundesnachrichtendienstes bekommt immer mal wieder vertrauliche, zum Teil
geheime Dokumente in die Hand. Um sein Gehalt von zuletzt rund 1600 Euro
aufzubessern, gibt er diese Informationen an die CIA weiter – über Jahre
hinweg.
Besonders schwer scheint dies nicht zu sein. Die Papiere legt er mal eben
auf den Dienstkopierer, die Kopien packt er in seinen Rucksack und nimmt
sie mit nach Hause. Dort scannt er sie ein und schickt sie per Mail an
Alex, seinen Verbindungsmann auf amerikanischer Seite. Die Papiere
vernichtet er.
## Nichts für Hollywood
Nicht unbedingt der Stoff für einen Hollywood-Blockbuster. Schon das
Anheuern bei den Amerikanern lief reichlich unspektakulär ab: R. schickte
eine Blindbewerbung an die US-Botschaft in Berlin. Er habe da gewisses
Material. Ob man nicht Interesse an einer Zusammenarbeit hätte. Man hatte.
Jetzt sitzt Markus R., klein, hager, Geheimratsecken, randlose Brille, im
Sitzungssaal B 275 des Münchner Justizgebäudes und hört sich die
detaillierte Urteilsbegründung an. Gefühlsregungen lässt er sich nicht
anmerken.
Rund 200 Dokumente soll R. zwischen 2008 und 2014 weitergegeben und dafür
insgesamt 90.000 Euro kassiert haben. Die einzelnen „Honorare“ bekam R.
über tote Briefkästen, etwa in einer Steinattrappe versteckt.
2014 – R. befand sich gerade wieder in einer finanziell besonders
angespannten Situation – schrieb er auch an das russische Generalkonsulat
in München eine Mail. Wiederum mit dem Angebot einer Zusammenarbeit. Im
Anhang: drei interne BND-Dokumente, gewissermaßen als Appetizer. Diese Mail
wurde jedoch vom BND abgefangen, R. festgenommen. Den erstaunten Ermittlern
erklärte er: Wieso Russen? Ich habe doch für die CIA spioniert.
Welche Dokumente R. im einzelnen weitergegeben habe, lasse sich nicht mehr
nachvollziehen, führte der Vorsitzende Richter Reinhold Baier in seiner
Urteilsbegründung aus. Im Jahr 2010 habe der Angeklagte der CIA aber etwa
einen Datensatz übermittelt, der einen guten Überblick über Personal und
die Residenturen des BND ermöglicht habe. Dadurch habe für die
Bundesrepublik eine „konkrete Gefahr“ bestanden. Die Arbeitsfähigkeit des
BND sei durch die Enttarnung von Mitarbeitern beeinträchtigt worden.
## Motiv Nervenkitzel
Der Argumentation des Angeklagten, der als Grund für seine Taten angegeben
hatte, dass er sich in seinem Job unterfordert gefühlt und den Nervenkitzel
gesucht habe, wollte Baier nicht gelten lassen. Schließlich habe sich der
gelernte Bürokaufmann stets für die eher trockenen Verwaltungsaufgaben
beworben. Für den Richter standen eindeutig finanzielle Beweggründe im
Mittelpunkt.
Strafmindernd wertete das Gericht zwar, dass R. nicht vorbestraft war und
die Taten gestanden hat. Dem stand jedoch entgegen, dass die
Spionagetätigkeit über sechs Jahre andauerte und dass sich R. von sich aus
anbot und nicht abgeworben werden musste. Unter dem Strich gelangte das
Gericht in seinem Urteil zu einer Haftstrafe von 6,9 Jahren für den
Geheimnisverrat an die CIA und drei Jahre für den an die Russen, die zu
einer Gesamtstrafe von acht Jahren verschmolzen wurden.
Damit blieb das Gericht zwar deutlich unter den von der Bundesanwaltschaft
geforderten zehn Jahren Haft, aber über der Hoffnung der Verteidigung. Die
sah in den Taten ihres Mandanten keinen Landesverrat, schon gar nicht in
einem besonders schweren Fall, sondern nur den geringer eingestuften
Tatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit. Sie will nun prüfen, ob
sie Revision gegen das Urteil einlegt.
## Härter als im Kalten Krieg
Aus Sicht der Anwälte wurde nicht genügend berücksichtigt, dass die
Dokumente schließlich an einen befreundeten Staat gegangen seien. Man habe
schließlich heute eine ganz andere Bedrohungslage als vor 1990. Verglichen
mit Urteilen gegen Spione von damals, als etwa Informationen über
Atomwaffen an Ostblockstaaten weitergegeben worden seien, erscheine das
gegen Markus R. jedoch sehr hart, so Verteidiger Walter Lechner. R. sei zu
einem Topspion gemacht worden, der er nicht sei.
Außerdem habe man es R. schon sehr leicht gemacht, deshalb habe der BND
hier auch eine gewisse Mitverantwortung, findet Lechner. So sei R. in sechs
Jahren kein einziges Mal beim Verlassen des BND-Geländes kontrolliert
worden. Und sein Kollege Klaus Schroth ergänzt: „Wenn beim BND nur ein
Fünftel so streng kontrolliert würde wie hier, dann wären wir nicht hier.“
In der Tat sind die Sicherheitsvorkehrungen extrem streng bei diesem
Verfahren. Besucher müssen sich einer zweifachen Leibesvisitation
unterziehen, nicht einmal Kugelschreiber dürfen mit in den Sitzungssaal,
nur Bleistifte. Zweimal wird der Personalausweis kontrolliert, einmal
kopiert.
Knapp vier Stunden nach der Urteilsverkündigung wird der taz-Korrespondent
im Stadtzentrum von vier Polizeibeamten angesprochen, die ihn nach eigener
Aussage seit dem Verlassen des Gerichtsgebäudes beschattet hatten. Ein
drittes Mal werden die Personalien überprüft. Wenn es der Sicherheit der
Bundesrepublik dient ...
17 Mar 2016
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
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