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# taz.de -- Bernie Sanders im US-Vorwahlkampf: Ein Verlierer, der viel bewirken…
> Bernie Sanders wird die USA verändern – wenn er auch keineswegs ins Weiße
> Haus einzieht. Sein Erfolg legt eine ideologische Kluft offen.
Bild: Sanders’ linke Forderungen kommen vor allem bei den jungen Wählern gut…
Bernie Sanders wird nicht Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
werden. Im Wettstreit um die Präsidentschaftskandidatur ist Hillary
Clintons Vorsprung so gut wie nicht mehr einzuholen. Doch die vielen
Stimmen, die Bernie Sanders gewinnen konnte, legen eine ideologische Kluft
offen, die auf die Amtsführung einer Präsidentin Clinton Einfluss ausüben
wird.
Wären Sanders und Clinton Deutsche, wären sie nicht in derselben Partei.
Clinton wäre in der SPD und Sanders Mitglied der Grünen oder der Linken.
Der 74-jährige Sanders war bis zu seiner Präsidentschaftskandidatur auch
tatsächlich nie Mitglied der Demokratischen Partei. Er bekleidet seit 35
Jahren politische Ämter, ohne einer Partei angehörig zu sein. Darüber
hinaus ist er der einzige Kongressabgeordnete, der sich selbst Sozialist
nennt.
Aber Sanders ist mehr daran interessiert, die Demokraten weiter nach links
zu bewegen, als das Zweiparteiensystem auf den Kopf zu stellen. Er hat nie
Präsidentschaftskampagnen dritter Parteien unterstützt, die nur auf Kosten
der Demokraten gegangen wären, und er würde auch keine eigene beginnen.
Noch vor dem großen Börsenkrach 2008 glaubten die meisten Demokraten nicht
daran, allein mit aufrechtem Linksliberalismus gewinnen zu können. Der
vorherige demokratische Präsident Bill Clinton punktete noch, indem er
demokratische Kernthemen mied, insbesondere die Bereiche Armutsbekämpfung
und Strafjustiz. Obama dagegen veranlasste die größten wirtschaftlichen
Anreize in der Geschichte der USA, subventionierte die
Krankenversicherungen und trat für eine stärkere Regulierung der Banken
ein.
Hillary Clintons Kandidatur ist ein weiteres Indiz für einen Linksruck der
Demokraten. Sie wiederholt nicht die Forderung ihres Ehemanns nach
„persönlicher Verantwortung“ der Armen. Ihre Wahlversprechen wären vor 25
Jahren undenkbar gewesen, etwa die Subventionierung der Studiengebühren mit
350 Milliarden Dollar. Während sich ihr Ehemann noch scheute,
internationale Klimaabkommen einzuhalten, unterstützt sie sowohl das
Pariser Abkommen als auch Obamas Pläne, den Schadstoffausstoß von
Kraftwerken zu deckeln.
## Höhere Steuern für Reiche
Während Obamas gesamter Präsidentschaft war bei den Linken aber noch
Frustration zu spüren. Sie beklagten sich darüber, dass er zu viele
Steuersenkungen bewilligte, seine Gesundheitsreform zu ehrerbietig
gegenüber den Versicherungen und den Pharmamultis war und seine Reform der
Wall Street keineswegs dazu taugte, den Großbanken Einhalt zu gebieten.
Nachdem die Republikaner 2010 die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen
hatten, war Obama außerdem dazu gezwungen, bei der Beschränkung von
Ausgaben Kompromisse einzugehen, die von beiden Parteien getragen wurden.
Der von Obama entfachte wirtschaftliche Aufschwung war dennoch umgreifend
genug, um kritische Stimmen verstummen zu lassen. Die Wiederwahl konnten
die Demokraten gewinnen, durch geeintes Auftreten. Das wiederum ließ viele
denken, Hillary Clinton hätte keine ernst zu nehmenden Gegner. Bis zum
heutigen Tag haben aber nur wenige erkannt, wie tief die Kluft zwischen den
Generationen in der Partei geworden ist. Bis zum 15. März wählten 65
Prozent der über 30-jährigen Demokraten Hillary Clinton, während 71 Prozent
der Demokraten, die für Sanders stimmten, unter 30 waren.
DieseUnterschiede gründen in verschiedenen Erfahrungen. Ältere Demokraten
können sich noch gut an lange Durststrecken im Wahlabseits erinnern.
Demokraten, die jünger als 30 sind, haben dagegen nicht erlebt, wie George
W. Bush Michael Dukakis mit dem Gebrauch des Worts „liberal“ verunglimpfen
und schlagen konnte.
Dafür hat die Generation der Jahrtausendwende den Börsenkrach von 2008 sehr
wohl mitbekommen, was ihr Vertrauen in das wirtschaftliche Fundament
Amerikas stark erschüttert hat. Ihr Misstrauen gegen die Wall Street sitzt
tief. Sie lehnen Kompromisse eher ab, weil sie glauben, bestimmte
Kompromisse hätten dazu geführt, dass das Wirtschaftssystem, wie Sanders es
nennt, „zusammengebastelt“ ist. Nate Silver, Amerikas berühmtester
Statistiker und Betreiber der Website „Five Thirty Eight“, führt eine
Meinungsumfrage an, die ergab, dass eine „Mehrheit der Wähler im Alter
zwischen 18 und 29 Jahren dem Sozialismus wohlwollend gegenübersteht“. Auch
wenn Schweden nicht ihr Ding ist, es verängstigt die Leute nicht so, wie es
Russland noch vor 20 Jahren tat.
Sanders und Clinton sind sich in vielen Dingen einig: Geburtenkontrolle,
Wahlrechtsreform, Homo-Ehe. Bei Wirtschaftsthemen steuern sie in dieselbe
Richtung: höhere Steuern für Reiche und staatliche Kontrolle von
Unternehmen.
Aber viele von Sanders’Forderungen liegen außerhalb des politisch
Durchsetzbaren. Er schlägt eine staatlich finanzierte Krankenversicherung
für alle vor, will die Studiengebühren abschaffen und eine Steuer auf
Kohlenstoffemissionen einführen. Während Clinton vorhat, Großbanken zu
regulieren, verspricht Sanders, sie in kleine Stücke zu zerschlagen. Und
auch wenn Clinton sich seiner Rhetorik beim Thema Handel stark angenähert
hat, weist Sanders gern unablässig darauf hin, dass er der einzige Kandidat
ist, der, seit er im Amt ist, jegliches Handelsabkommen abgelehnt hat.
Der Idealismus von Sanders und seinen Anhängern ist natürlich ein
gefundenes Fressen für Satiriker. In „Saturday Night Live“ trat kürzlich
der Komiker Larry David als Bernie Sanders auf und sagte: „Ich habe
Anhänger in allen Altersklassen. 18-Jährige, 19-Jährige … ähm, das war’…
Außerdem bekam er Lacher für den Satz: „Meine Forderungen finden bei einer
sehr gemischten Gruppe weißer Wähler großen Anklang.“
Davids Stichelei offenbart den Hauptgrund, warum Sanders verlieren wird. Im
Norden und in den Staaten des Mittleren Westens gewann er die Stimmen von
älteren weißen Arbeitern und wohlhabenden weißen Liberalen zu den
jugendlichen Stimmen dazu. Aber im Süden, wo Afroamerikaner großen Einfluss
haben, macht er keinen Stich.
## Größerer Feind Trump
Er hat es versucht. Er warb schwarze Prominente wie Spike Lee oder Cornel
West für seine Sache an. Nach einigen Störaktionen schwarzer Aktivisten
peppt er nun seine Wahlreden auf, indem er seine Bedenken über
Polizeigewalt äußert.
Doch Sanders’ gesamte Karriere hat sich im dünn besiedelten, extrem weißen
Staat Vermont abgespielt. Außerdem merkte der afroamerikanische
Umweltaktivist und CNN-Kommentator Van Jones zu Recht an, dass sich
Sanders’ schwarze Mitstreiter wohler dabei fühlten, das System zu
kritisieren, als Wahlen zu gewinnen.
Dennoch: Auch wenn Sanders es nicht vermochte, die multiethnische
Koalition, die Obama voranbrachte, auch für sich zu gewinnen, hat er es
geschafft, viele Wähler zu aktivieren, die Clinton skeptisch
gegenüberstehen. Manche beschuldigen sie sogar, unehrlich zu sein und die
Wall Street zu hofieren.
Doch Sanders hat zugesichert, eine Präsidentschaftskandidatin Clinton zu
unterstützen. Jüngste Umfragen ergaben, dass Clinton den aussichtsreichsten
Kandidaten der Republikaner, Donald Trump, schlagen würde. Ein Indiz dafür,
dass Sanders-Wähler in Trump den größeren Feind sehen.
Die meisten politischen Analysten erwarten, dass die Republikaner bis 2018
die Mehrheit im Repräsentantenhaus, wenn nicht sogar im Senat innehaben
werden. Das würde bedeuten, dass beide Parteien weiterhin kooperieren
müssen.
Viele außenpolitische Beschlüsse benötigen nicht die Zustimmung des
Kongresses, das anstehende Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) aber
schon. Schon jetzt hat die Präsidentschaftskampagne die Ratifizierung der
Transatlantischen Partnerschaft (TPP) verkompliziert. Der Kongress zeigt
sich von der Resonanz der Attacken sowohl von Trumps als auch von Sanders
Seite beeindruckt, Clinton zog ihre anfängliche Unterstützung zurück. Das
hat den Vorsitzenden des Senats dazu bewogen, die Entscheidung auf die Zeit
nach der Wahl zu verschieben. Wenn die TPP dann nicht durchkommt, sieht es
für das TTIP schlecht aus.
Nein, Bernie Sanders wird nicht nächster Präsident der USA werden. Aber die
Bewegung, die er in Gang gesetzt hat, wird uns vermutlich noch lange Jahre
begleiten.
Aus dem Englischen von Sylvia Prahl
28 Mar 2016
## AUTOREN
Bill Scher
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