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# taz.de -- Urteil gegen Kriegsverbrecher Bemba: „Effektive Autorität und Ko…
> Der Internationale Strafgerichtshof sieht den Kongolesen verantwortlich
> für Morde und Vergewaltigungen, die seine Soldaten in Zentralafrika
> begingen.
Bild: Ihm droht eine lange Hafstrafe: Jean-Pierre Bemba
Berlin taz | Von den Verbrechen, die Richterin Sylvia Steiner auflistet,
ist eines grausiger als das andere. Äußerlich ungerührt liest die
Vorsitzende der Dritten Verfahrenskammer am Internationalen
Strafgerichtshof in Den Haag am Montagnachmittag vom Blatt, was Soldaten
der „Kongolesischen Befreiungsbewegung“ (MLC) vor über dreizehn Jahren in
der Zentralafrikanischen Republik angerichtet haben.
Zeugin P79 wurde von einem Soldaten mit vorgehaltenem Gewehr festgehalten,
während zwei andere sie vergewaltigten und ein anderer sich über ihre
Tochter hermachte, wobei weitere Kinder zuschauen mussten. Ein Opfer hatte
gleich zwölf Vergewaltiger hintereinander. Als Zeuge P69 sich der
Plünderung seines Hauses in Bangui widersetzte, nahmen die MLC-Soldaten
seine Schwester und schossen ihr in den Kopf.
Knapp fünf Monate lang waren Truppen der MLC in den Jahren 2002 und 2003 in
der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz. Sie sollten der Regierung
gegen rebellierende Soldaten helfen, aber sie erklärten die
Zentralafrikanische Republik zum Selbstbedienungsladen. MLC-Führer
Jean-Pierre Bemba wusste Bescheid und verhinderte das nicht.
„Die MLC-Täter nahmen sich die Zivilbevölkerung zum Ziel, um sich selbst
für unzureichende Bezahlung und Rationen der MLC zu entschädigen“, so die
Richterin. Die Zivilisten waren „primäres Objekt“ ihrer Angriffe. Es gab
dafür keine formalisierte Politik, aber „das Versagen der MLC, dagegen
einzuschreiten, ermutigte die Angriffe“.
## Systematischer Angriff
Damit seien die Straftatbestände von Mord und Vergewaltigung als Verbrechen
gegen die Menschlichkeit – das sind laut Rom-Statut des Internationalen
Strafgerichtshofs Straftaten im Rahmen eines „ausgedehnten oder
systematischen Angriffs auf eine Zivilbevölkerung“ – erfüllt. Ebenso Mord
und Vergewaltigung sowie Plünderung als Kriegsverbrechen.
Bemba ist als „militärischer Befehlshaber“ dieser Verbrechen schuldig, sagt
die Richterin. Der 53-jährige Kongolese hört diesem Urteil, das er in
französischer Simultanübersetzung durch Kopfhörer wahrnimmt, genauso
äußerlich unbewegt zu, wie es die 63-jährige Brasilianerin auf Englisch
verkündet.
„Herr Bemba handelte effektiv als militärischer Befehlshaber, er hatte
effektive Autorität und Kontrolle über die MLC-Streitkräfte, die die
Verbrechen begangen“, so die Richterin. Die Linie der Verteidigung, laut
der die MLC-Truppen dem zentralafrikanischen Präsidenten Ange-Félix Patassé
unterstanden hätten – dieser stand nicht vor Gericht und ist inzwischen tot
– ließ das Gericht nicht gelten. Befehle und Berichte seien per
Satellitentelefon und Funksprüche zwischen der MLC-Hauptstadt Gbadolite im
Kongo und der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui hin- und hergegangen.
Geplünderte Güter aus Bangui kamen in den kongolesischen Urwald.
Bembas Reaktion auf Berichte über Übergriffe habe sich auf „allgemeine
öffentliche Aufrufe“ beschränkt, zwei Untersuchungen von Plünderungen,
einen Militärprozess gegen sieben einfache Soldaten wegen Plünderung; eine
weitere Untersuchung blieb ohne Folgen.
Bemba, so das Urteil, hatte die im deutschen Recht „Tatverhinderungsmacht“
genannte Möglichkeit, seine Untergebenen an Verbrechen zu hindern. Er hätte
echte Untersuchungen anstellen und beschuldigte Soldaten abziehen können.
Er hätte den Soldaten klare Befehle erteilen können, sich von Zivilisten
fernzuhalten. Dass Bemba all das nicht tat, „trug direkt dazu bei, dass
Verbrechen verübt wurden“, so die Richterin am Ende.
Das Urteil erging einstimmig. Es ist ein schwerer Schlag für die mehreren
hundert Kongolesen, die nach Den Haag gekommen sind, um Bemba zu feiern.
Viele Oppositionelle im Kongo hatten gehofft, ihren Helden als freien Mann
begrüßen und als Heilsbringer nach Hause mitnehmen zu können. Nun droht ihm
eine lange Haftstrafe. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt
verkündet.
21 Mar 2016
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Afrika
Kongo
Zentralafrika
Internationaler Strafgerichtshof
Jean-Pierre Bemba
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Jean-Pierre Bemba
Zentralafrika
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