# taz.de -- Zukunft der Barlach-Halle: Als Kunst getarntes Event | |
> Barlachs Erben eröffnen die Hamburger Barlach-Halle K neu – mit einer | |
> Ausstellung von Albert Scopin. Unklar ist, ob es dort künftig eher Kunst | |
> oder lukrative Events geben wird. | |
Bild: Großzügiger „Farb“-Auftrag mit dem Besen: Albert Scopin macht Kunst. | |
Bitumen? Das ist doch dieses Zeugs, das die Altvorderen Erdpech nannten. | |
Mit dem die Ägypter ihre Mumien zuschmierten, während Assyrer und | |
Babylonier Prachtstraßen gegen Bodenfeuchte abdichteten. Der Stoff, aus dem | |
der Asphalt ist, kommt übrigens aus der Natur – auf Trinidad existiert | |
sogar ein Asphaltsee – und führt weit zurück in die Anfänge der | |
Zivilisation. Vielleicht auch zu deren Ende, wenn irgendwann der ganze | |
Erdball asphaltiert ist. | |
Bis dahin kann man aber schön Kunst damit machen und sich abarbeiten an | |
diesem archaischen, nur unter extremer Hitze zu verflüssigenden Material. | |
Diesen Kampf hat der derzeit in Hamburg präsentierte Künstler Albert Scopin | |
aufgenommen – unter Einsatz seiner Gesundheit: Ohne Schutzmaske malt er den | |
glühenden Asphalt mit einer Gasflamme auf Holzplatten, malt mit Öl – aber | |
keine klassischen Ölgemälde, sondern teils oder ganz monochrome Werke, von | |
denen manche wie Kalligraphien wirken. | |
Asphalt als Schrift, welch eine Idee: Scopin benutzt sie seit 2012, hat | |
vorher gefilmt, fotografiert gezeichnet, gemalt; hat in den USA und | |
Deutschland gelebt, immer wieder die Orte gewechselt, Lob gesucht und | |
gemieden, Einsiedelei und Familie ausprobiert. Ein Nomade ist er geblieben, | |
sich aufreibend an der Industriellenfamilie, aus der er stammt und die die | |
Kunst nicht schätzt. | |
## Düstere Seelenlandschaften | |
Jetzt ist er angekommen bei diesen schwarzen, altar-ähnlichen Arbeiten, die | |
den Gemälden Pierre Soulages‘ gleichen und den Holzkohle-Kalligraphien von | |
Lee Bae. Die Oberfläche ist mal glatt, mal ziseliert, aber immer | |
unberechenbar. Und dass das Informel, dem man seine Kunst zurechnen kann, | |
nicht neu ist, kümmert ihn nicht. Er findet, diese schwarzen Bilder seien | |
auch Seelenlandschaften, und weil sie so schwer sind, hängen sie nicht, | |
sondern sind trendy an die Wand gelehnt oder aufgebockt. | |
Und wie sie so trocken und kühl dastehen, sieht man nichts mehr von Dampf | |
und Schweiß, sondern nur noch glänzende Abziehbildchen. Es seien | |
eingetrocknete Sünden unserer Zivilisation, findet der Kunstprofessor Bazon | |
Brock, der da gleich an eine Ölpest denkt. | |
Das tun aber die wenigsten. Die meisten Besucher laben sich an dem Kontrast | |
zwischen dem archaischen Material und dem geschniegelten Ambiente: der 350 | |
Quadratmeter großen Barlach-Halle K, zwischen Kunsthaus und Galerien in | |
eine einstige Markthalle eingebettet und vom 2015 verstorbenen Hans Barlach | |
von der Stadt gemietet. | |
## Barlach der Geschäftsmann | |
Der war nicht nur Enkel des expressionistischen Bildhauers Ernst Barlach, | |
sondern auch ein umtriebiger Kunstförderer und Medienunternehmer, der mal | |
kaufte, mal verkaufte, sobald es sich nicht mehr rechnete. Die Hamburger | |
Rundschau, die Hamburger Morgenpost und TV Today waren Opfer dieser | |
Politik. Zuletzt war Barlach durch einen langen – und schließlich | |
verlorenen – Rechtsstreit mit dem Suhrkamp-Verlag aufgefallen, an dem er | |
Anteile hielt. | |
Um die Barlach-Halle K blieb es lange ruhig. Jahrzehntelang hatte er den | |
Raum dem angrenzenden, auf junge Künstler spezialisierten Kunsthaus | |
vermietet, das einen direkten Zugang zur Halle K hatte. „Sehr günstig“ habe | |
Hans Barlach dem Kunsthaus die Halle untervermietet, ist zu hören. Wie | |
günstig, verrät aber niemand. | |
Als der langjährige Kunsthaus-Chef Claus Mewes die Barlach-Halle 2013 aus | |
Geldnot kündigte und kurz darauf selber ging, war Barlach allerdings nicht | |
erfreut. 2014 ließ er den Durchbruch zumauern und brach jede Kommunikation | |
ab; auch die jetzige Kunsthaus-Chefin Katja Schröder traf ihn nie. Rund ein | |
Jahr lang stand die Halle danach leer; Barlach, der sie als Galerist hatte | |
bespielen wollen, war mit Rechtsstreitigkeiten befasst, vielleicht auch | |
schon gesundheitlich angeschlagen. | |
## Kunstort als Partylokal? | |
Nach seinem Tod im Sommer 2015 hat seine Witwe Elvie, Innenarchitektin, die | |
Halle dann erst einmal renoviert und aufgepeppt: alles geweißt, zünftige | |
Lounge-Sofas und flexible Wände rein gestellt, den Betonboden poliert. So | |
viel Aufwand treibt man bestimmt nicht für die Kunst, die subversive zumal | |
– und siehe da: Auf der Homepage wird inzwischen für die „lichtdurchflutete | |
und großzügig gebaute Halle“ als „dezente und einladende Räumlichkeit – | |
vielleicht auch für Ihre nächste Veranstaltung“ geworben. | |
Es geht also um Events, nicht um Kunst, und wenn sich jetzt die | |
Scopin-Ausstellung dorthin verirrt hat, dann vermutlich erstens wegen des | |
Staun-Effekts und zweitens, weil noch ein Konzept fehlt. Zwar wolle man die | |
Halle „wieder zu einer Kunst-Adresse in Hamburg machen“, sagt Elvie | |
Barlach. Dabei werde sie den Raum für eine Ausstellung durchaus mal | |
günstiger vermieten. Andererseits müsse sie ja auch von was leben. | |
Leben kann man aber eher von lukrativen Veranstaltungen für ein | |
elitär-wohlhabendes Publikum, und genau so ist die – nur handliche zwei | |
Wochen laufende – Scopin-Schau arrangiert: Neben einem vornehm | |
cognacfarbenen Tisch steht eine ebensolche Vase mit braven | |
Apfelblütenzweiglein, seien sie echt oder nicht. Und wer zu | |
Pressevorbesichtigung oder Vernissage will, muss sich akkreditieren – ein | |
in der Branche unübliches Verfahren, denn normalerweise freut sich der | |
Galerist über jeden unverhofften Gast. | |
## Eröffnung im kleinen Kreis | |
Aber in der Barlach-Halle K will man wenigstens bei der Eröffnung unter | |
sich sein und sich als kunstaffin feiern. Dazu passt, dass PR-Beraterin | |
Laura Kroth, die für die Stadt Hamburg sonst die China Time organisiert, | |
Scopin „entdeckte“ und als Experten Tilman Kriesel, Kunstberater und Enkel | |
des hannoverschen Kunstmäzens Bernhard Sprengel, holte. | |
Der gibt auch gleich zu, dass man die Halle für die Ausstellung habe mieten | |
müssen; von Kunst-Sponsoring der Barlach-Erben keine Spur. Und Kriesels Job | |
wird finanziert „von Menschen, die an das Projekt glauben“, orakelt er und | |
blickt auf die vielen umherschwirrenden PR-Damen aus Berlin. | |
Auch dies ungewöhnlich für eine Galerie, die eigentlich eher Personal spart | |
und froh ist, wenn sie mal was verkauft. Aber da scheinen sich die Barlachs | |
keine Sorgen zu machen, denn Scopin sei selbstverständlich eine | |
Verkaufsausstellung, sagt Kriesel, nachdem Laura Kroth vorher das Gegenteil | |
erzählt hat. Ein interessanter Mix aus Glamour und PR. Obwohl, da ist noch | |
Luft nach oben. | |
Bis 5.3., Barlach-Halle K, Klosterwall 3, Hamburg | |
1 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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