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# taz.de -- Spatenstich für Suhrkamp-Neubau: Im Landeanflug auf Mitte
> Am Rosa-Luxemburg-Platz sollen auf 3.000 Quadratmetern Büros und
> Wohnungen entstehen. Alteingesessene fürchten um ihren Kiez.
Bild: Mehr Platz für den Suhrkamp-Verlag: Im April ist Baubeginn in Mitte
Es ist noch nicht lang her, da hatten Feuilleton wie Literaturliebhaber
guten Grund, sich Sorgen um einen Verlag zu machen, der im
Nachkriegsdeutschland eine ganze Kultur etabliert hatte und bis heute aus
der literarischen Landschaft dieses Landes nicht wegzudenken ist: den
Suhrkamp Verlag. Der Streit zwischen den Gesellschaftern, die kurz nach dem
Tod des Verlegers Siegfried Unseld 2002 den Verlag übernommen hatten,
eskalierte. Und das in einer Weise, dass sie den Verlag ernsthaft an den
Abgrund steuerten.
Erst Ende 2013 – der Verlag residierte inzwischen seit drei Jahren in
Berlin – war Schluss damit. Suhrkamp wurde in eine Aktiengesellschaft
umgewandelt, der eine der beiden Gesellschafter, Hans Barlach, konnte auf
diese Weise entmachtet werden. Die andere, Ulla Unseld-Berkéwicz, zog sich
zurück. Nun scheint Suhrkamp wieder Luft zu bekommen: Denn jetzt steht
endlich fest, wie der Neubau aussehen wird, den der Verlag an der
Torstraße, direkt gegenüber der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, bauen
lässt.
Von den Plänen dazu hörte man schon länger, Suhrkamp hatte bereits beim
Umzug nach Berlin zum Jahreswechsel 2009/2010 eine eigene Immobilie
erwerben wollen – was am Konflikt zwischen den Gesellschaftern gescheitert
war. Die zwei Etagen im ehemaligen Finanzamt in der Pappelallee in
Prenzlauer Berg, wo der Verlag seither arbeitet, hätten von Anfang an als
Provisorium fungiert, so Pressechefin Tanja und nicht als „Verlagshaus, als
Suhrkamp-Haus“.
Baubeginn für den Neubau wird nun im April sein, fertiggestellt werden soll
das Ensemble aus drei Gebäuden 2019. Geplant hat es das Büro Bundschuh
Architekten, das direkt nebenan auch das Wohn- und Geschäftshaus in der
Linienstraße 40 gebaut hat: einen schwarzen, spitz zulaufenden Kubus an der
Torstraße, der weniger aus dem Kiez heraus entstanden als vielmehr wie ein
Raumschiff dort gelandet zu sein scheint.
## Der Entwurf: schlicht und transparent
Neben Verlagsräumen für die 140 Mitarbeiter von Suhrkamp auf 3.000
Quadratmetern sollen Büros, Läden, ein Café, eine Galerie sowie
Mietwohnungen neu entstehen. Die Optik ist nicht ganz so brachial wie beim
Kubus nebenan – ob sie aber so schlicht und transparent ausfallen wird wie
in den Plänen beschrieben, bleibt abzuwarten.
Vor dem Krieg war das Grundstück, auf dem Suhrkamp baut, zu 80 Prozent von
dem Architekten Hans Poelzig mit einer Blockrandbebauung dicht gemacht
worden. Nun soll zu 30 Prozent bebaut werden, der Block soll nur noch zu
der viel befahrenen Torstraße hin geschlossen sein. Zum Süden, also zur
Volksbühne hin, wird sich das Ensemble öffnen. So soll ein neuer
öffentlicher Platz mit Grünflächen und Bäumen entstehen. Im Verlag hofft
man, dass es nun „keinen Protest mehr vor Ort“ geben wird, so Postpischil.
„Das ist doch Quark“, sagt taz-Mitarbeiterin Rosemarie Nünning, die von den
Plänen nicht so überzeugt ist, wie der Verlag das gern hätte. Nünning wohnt
seit 1991 in der Torstraße gegenüber, sie war dabei, als eine Handvoll
Anwohner gegen die Baumfällungen vor wenigen Wochen protestierten. Durch
den Block auf der anderen Straßenseite wird die Lärmbelastung gegenüber
größer werden, meint Nünning. Sie hat erlebt, wie im Kiez eine Brache nach
der anderen verschwand und stattdessen ein Hostel nach dem anderen aus dem
Boden schoss. „Ich fühle mich manchmal nur noch als Besucherin in meinem
eigenen Viertel.“
Daran wird vermutlich auch der Zuzug eines renommierten Verlags nicht viel
ändern. Sie ist nicht gegen Verdichtung an sich – eine Notwendigkeit in
einer wachsenden Stadt. Sie ist nur gegen die Art und Weise, wie hier
verdichtet wird. Keiner weiß, wohin der Imbiss verschwunden ist, der hier
jahrelang stand, sagt Nünning. Und auch die Wohnungen in bester Lage
dürften nicht gerade billig zu haben sein.
27 Mar 2017
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Suhrkamp
Neubau
Kunst
Literatur
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