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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Moralismus ist die schlimmste Droge
> Brauchen die Grünen Moralisten? Grundsätzliches zum „Fall“ Volker Beck
> und die Grundsünde zu denken, dass man ein besserer Mensch sein müsse.
Bild: Es geht um die Bewältigung von Realitäten, nicht um Moral.
Die Grünen brauchen Moralisten. Das sagt nicht nur der SZ-Leitartikler Kurt
Kister, das glauben auch wirklich realitätsorientierte Spitzengrüne. Ohne
Moralisten, so geht der Gedanke, wären sie nicht mehr singulär, denn gegen
Atomkraft und für Schwulenehe seien ja andere längst auch.
Ein fataler Irrtum. Kein Mensch braucht Moralisten. Die Politik schon gar
nicht. Moralismus ist die schlimmste Droge überhaupt, ist
anti-gesellschaftlich und macht politikunfähig, weil er davon ausgeht, in
der Politik gehe es um die absolute Unterscheidung zwischen dem Guten und
dem Bösen. In einer Demokratie geht es aber um das Gewinnen von Mehrheiten
für eine politische Lösung. Das ist der große Schritt, den die Menschheit
mit der Aufklärung getan hat. Das ist der Schritt, den manche Grüne bis
heute nicht nachvollzogen haben. Wenn ein Grüner Moralist seinem
handlungsverantwortlichen Parteifreund vorwirft, er habe moralische
„Ideale“ für „einen Appel und ein Ei verkauft“, dann ignoriert er schl…
die Realität: Ideale können nicht demokratisch umgesetzt werden.
Selbstverständlich braucht eine sozialökologische Politik eine moralische
Basis und Orientierung. Aber die hat eine christ- oder sozialdemokratische
auch. Die Grundsünde der Grünen war es, sich von anderen aufschwatzen zu
lassen oder gar selbst zu denken, sie müssten bessere Menschen sein. Das
kann nur falsch sein.
Sie müssen das bessere sozialökologische Politikangebot machen. Und dafür
Mehrheiten gewinnen und bewahren.
## Merkel ist nicht moralisch geworden
Der Grundirrtum mancher linksgrünen Begeisterung über die CDU-Kanzlerin
Merkel liegt darin, ihr zu unterstellen, sie sei auf ihre alten Tage
endlich auch moralisch geworden. Das wäre furchtbar, denn dann wäre auch
sie politikunfähig. Merkel hat offenbar eine Überzeugung, wie man als Teil
der EU und der Welt mit der globalen Flüchtlingsbewegung umgehen muss.
Verglichen mit den meisten europäischen Staaten hat sie einen hohen
moralischen Standard. Aber was zählt ist, was sie durch politische
Kompromisse und Deals politisch umsetzen kann. Man muss sich für eine
gemeinsame planetarische Zukunft mit Leuten einlassen, mit denen man lieber
nichts zu tun hätte. Für uns sind andere der Teufel, für andere sind wir
der Teufel. Das ist die moralische Realität.
Was nun den Grünen Spitzenpolitiker und Obermoralisten Volker Beck
betrifft, den die Polizei mit der harten Droge Crystal Meth erwischt hat.
Es hat etwas Unsouveränes, wie die Grünen sich dazu verhalten. „Ein
tragischer Einzelfall“? Solche Kommentierungen wünscht man wirklich
niemand.
Es ist letztlich reaktionär, dem heutigen CSU-Vorsitzende Horst Seehofer
eine polyamore Zwei-Familien-Realität als Verpassen seiner Ideale
vorzuwerfen. Stattdessen soll er seine Politik der Realität anpassen. Und
genauso hat es etwas Unaufgeklärtes, Beck jetzt vorzuhalten, gerade ihm als
Moralisten hätte das nicht passieren dürfen.
Falsch. Moralisten passiert so etwas auch. Das ist nicht das Problem, das
ist die Wirklichkeit, in der wir alle unsere moralischen Ansprüche und
unser Handeln ausbalancieren müssen.
Wir brauchen keine Robespierres, für deren Moral die Köpfe rollen. Aber wir
brauchen auch keine rollenden Köpfe von Moralisten. Und schon gar nicht
brauchen wir scheinheilige Moralansprüche an Politiker.
Ein Mensch, der einen juristisches Problem hat, soll seine Strafe zahlen
oder abbüßen. Ein Mensch, der ein persönliches oder gesundheitliches
Problem hat, soll sich Zeit nehmen, um zu regenerieren. Und dann soll er
wiederkommen und weitermachen. Da Politiker Menschen sind, gilt das
selbstverständlich auch für sie. Das ist gelebte, aufgeklärte Moral.
5 Mar 2016
## AUTOREN
Peter Unfried
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