# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Der platte Wolf | |
> Was für ein Grün-Schwarz erwartet uns in Baden-Württemberg? Es wird auf | |
> jeden Fall etwas mit Winfried Kretschmann zu tun haben. | |
Bild: Kretschmann im Auto – Wolf überfahren? | |
EinhundertfünfzigJahre nach seiner regionalen Ausrottung wanderte im | |
vergangenen Jahr ein Wolf aus der Schweiz nach Baden-Württemberg ein – und | |
wurde auf der Autobahn überfahren. Bums, Wolf platt. | |
„Das hätte den Auguren zu denken geben müssen“, sagt ein CDU-Insider. | |
Offenbar hat die CDU Baden-Württemberg aber auch keine fähigen Auguren | |
mehr, die den Götterwillen aus Tieren zu lesen verstehen. Weshalb die | |
Partei mit einem Spitzenkandidaten namens Guido Wolf antrat. Der, mit | |
Verlaub, ziemlich platt wirkte. Das – aus CDU-Sicht – fatale Ergebnis: | |
Erstmals in der Geschichte des Bundeslandes ist man nicht mehr die stärkste | |
Partei. Das sind jetzt die Grünen von Ministerpräsident Winfried | |
Kretschmann. | |
Und nun also Grün-Schwarz? | |
Für Grün-Rot reicht es nicht mehr. Da der FDP-Fraktionsvorsitzende Rülke | |
nicht mitregieren will und der Bundesvorsitzende Lindner offenbar auch | |
nicht, bleibt gar nichts anderes übrig, um den Wählerwillen umzusetzen. Der | |
lautet eindeutig: Kretschmann muss Ministerpräsident sein. | |
## Frappante Entwicklung | |
Der frappante Entwicklungsschritt besteht darin, dass sich die uralte | |
schwarz-grüne Gewissensfrage für die Grünen nicht mehr stellt. Diese | |
Emanzipationsstufe hat die Partei in Baden-Württemberg übersprungen. Die | |
Grünen sind mit dem Vertrauenspolitiker Kretschmann und dem Versprechen der | |
wirtschaftsökologischen Wohlstandsbewahrung die Orientierungspartei im | |
Land, der Rest muss sich an ihnen orientieren. Wie schnell Menschen eine | |
als fantastisch geltende Umwälzung für den Normalzustand halten, konnte man | |
am Wahlabend erleben. Da wurden die nie zuvor erreichten 30,3 Prozent fast | |
schon als zu wenig eingepreist. Und die CDU jubelte voller Verzweiflung | |
über desaströse 27 Prozent. Weil Grün-Rot „abgewählt“ war. | |
Kandidat Wolf hatte an diesem Abend seinen spektakulärsten Auftritt, als er | |
nicht die Übernahme der Verantwortung ankündigte, sondern den Versuch, eine | |
schwarz-rot-gelbe Regierung als Ministerpräsident anzuführen. Damit jagte | |
er den Grünen richtig Angst ein. Viele verließen die Wahlparty weit vor | |
Mitternacht und stocknüchtern. Inzwischen weiß man, dass das ein grelles | |
Strohfeuer war, das heute nicht mal mehr glimmt. Die Deutungshoheit – es | |
geht immer nur um die Deutungshoheit – hat längst die Einschätzung, dass | |
Wolf damit der staatspolitischen Seriosität der CDU geschadet hat, weil er | |
den Wählerwillen (Kretschmann!) dreist ignorieren wollte. „Staatspolitisch“ | |
ist übrigens das CDU-Buzzword der Ostertage. Grün-Schwarz ist jetzt – wegen | |
AfD – ihre „staatspolitische Verantwortung“. | |
Die Frage, was für ein politisches Grün-Schwarz das werden soll, kann man | |
erst beantworten, wenn die CDU weiß, was sie sein will und sein kann. Wenn | |
die amputierte Fraktion und die beiden Flügel sich sortiert haben, wenn | |
klar ist, was der Landesvorsitzende Thomas Strobl wollen kann, was Wolf | |
noch kann, was liberale und ökologische Spitzenpolitiker jenseits der | |
Fraktion bewirken können. Und wie sich die einbinden lassen, die mit den | |
Grünen nullkommanull zu tun haben möchten. | |
## Links könnte es Raum geben | |
Werdie Modernisierung der verkrusteten und inhaltsschwachen Landes-CDU | |
erhofft, muss bedenken, dass sie auf beiden Seiten verloren hat. Die einen | |
gingen wegen seiner pragmatisch-humanistischen Flüchtlingspolitik zu | |
Kretschmann, die anderen gingen wegen der pragmatisch-humanistischen | |
Flüchtlingspolitik von CDU-Kanzlerin Angela Merkel zur AfD. | |
Da die Grünen für ihre Mehrheitspolitik dramatisch belohnt wurden, werden | |
sie die bürgerliche Mitte sicher nicht verlassen. Für die CDU dagegen wird | |
es Priorität haben, ihre ehemaligen Wähler von der AfD zurückzuholen. | |
Heißt theoretisch: Links könnte es Raum geben. Praktisch aber wird in | |
Baden-Württemberg derzeit nur eine Ideologie gelebt: Auf den Kretschmann | |
kommt es an. | |
26 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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