| # taz.de -- Flüchtlinge in Berlin: Holzen statt klotzen | |
| > Um Massenunterkünfte zu vermeiden, sollte der Senat Flüchtlinge dezentral | |
| > unterbringen, fordern die Grünen. Holzhäuser seien besser als Beton. | |
| Bild: Willkommenskultur in Rheinland-Pfalz: Prototyp eines Holzhauses. | |
| Berlin taz | Geht es nach den Grünen, haben Flüchtlinge in Berlin zumindest | |
| im wörtlichen Sinne bald gute Aussichten. Sie schlagen vor, auf den Dächern | |
| landeseigener Gebäude Holzbauten zu errichten. „So könnte man in kurzer | |
| Zeit 10.000 Plätze schaffen“, sagte Fraktionschefin Antje Kapek am Montag. | |
| Die Aufbauten seien nicht nur schnell, sondern auch kostengünstig zu | |
| realisieren, man könnte sie an die Wasser- und Stromversorgung der Häuser | |
| anschließen. Insgesamt gebe es auf den Dächern in Berlin und Brandenburg | |
| ein Potenzial von bis zu 100.000 Plätzen, so Kapek. | |
| Vor allem aber würden auf diese Weise Massenunterkünfte vermieden. Darum | |
| geht es den Grünen: „Wir müssen viel stärker in dezentralen und kleineren | |
| Standorten denken“, forderte Kapek. Als Ziel nennt sie Unterkünfte für 50 | |
| bis 200 Personen. Neben der Aufstockung von Gebäuden seien Anbauten eine | |
| gute Möglichkeit, kleinteiligen Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen. Auch | |
| Baulücken müssten genutzt werden. Für die Integration seien dezentrale | |
| Unterkünfte von großem Vorteil, ist Kapek überzeugt: „Es gibt dort eine | |
| bessere Anbindung an Schulen, an Kitas, an Einkaufsmöglichkeiten.“ | |
| Der Senat hatte am vergangenen Dienstag eine Liste mit rund 60 Standorten | |
| für Flüchtlingsunterkünfte veröffentlicht, über weitere wird noch | |
| verhandelt. Jeweils rund 500 Personen sollen an einem Standort leben. | |
| Insgesamt will der Senat 15.000 Menschen in Containern unterbringen. Zirka | |
| 19.000 Flüchtlinge sollen zudem in aus Betonmodulen gefertigten Gebäuden | |
| wohnen, in sogenannten modularen Unterkünfte, kurz Mufs. | |
| Das reiche gerade mal, um die Flüchtlinge mit Wohnraum zu versorgen, die | |
| sich bereits jetzt in den Notunterkünften befänden, sagte Kapek. Im | |
| laufenden Jahr müsse man aber mit weiteren Zehntausenden rechnen. „Wir | |
| brauchen mindestens doppelt, wenn nicht dreimal so viele Plätze für | |
| Geflüchtete.“ | |
| Und die sollten nicht alle in Beton gegossen werden, findet die | |
| Fraktionschefin, die auch stadtentwicklungspolitische Sprecherin ist. So | |
| böten Holzmodulbauten im Vergleich zu den vom Senat anvisierten | |
| Betongebäuden viele Vorteile. „Sie können in der Hälfte der Zeit gefertigt | |
| werden, das heißt: in zwei bis fünf Monaten. Außerdem kann man sie je nach | |
| Bedarf nachrüsten, auf- und wieder abbauen.“ Die Kosten beziffert Kapek mit | |
| 1.300 bis 1.600 Euro pro Quadratmeter. | |
| Nicht nur große Bauunternehmen, auch lokale Schreinerbetriebe wären in der | |
| Lage, den Aufbau zu übernehmen. Engpässe könnten so vermieden werden. In | |
| anderen Bundesländern würden Holzbauten explizit gefördert, berichtete | |
| Kapek. „Rheinland-Pfalz hat den Prototyp eines Holzhauses entwickelt, das | |
| nur noch an den entsprechenden Standort angepasst werden muss.“ | |
| Die Berliner Architektenkammer begrüßte die Vorschläge am Montag. „Nur die | |
| dezentrale Unterbringung schafft Integration in gemischten Quartieren“, | |
| sagte Vizepräsidentin Theresa Keilhacker gegenüber der taz. Dachaufbauten | |
| und Parkplatzbebauungen seien dafür eine gute Möglichkeit. Auch die | |
| Förderung von Holzmodulbauten bezeichnet sie als „absolut richtig“. Sinkt | |
| die Zahl der Flüchtlinge, könnten die vom Senat favorisierten Betonbauten | |
| nur schwer für andere Zwecke genutzt werden, Holzhäuser dagegen schon. | |
| Vor allem müssten aber auch die vielen leer stehenden Gewerbeimmobilien in | |
| der Stadt für die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden, forderte | |
| Keilhacker. Rechtlich sei das nach der Aufweichung der Bauordnung machbar. | |
| „Diese Immobilien liegen mitten in den Quartieren und haben nicht so | |
| schnell ein Stigma.“ | |
| „Es geht nicht um die Frage: Holz oder Beton. Es geht um die Frage, wie wir | |
| schnell Menschen helfen können“, sagte Martin Pallgen, Sprecher der | |
| Stadtentwicklungsverwaltung. Der Senat habe sich in der ersten | |
| Ausschreibung für Beton entschieden, weil er die Unterkünfte auch | |
| langfristig nutzen wolle, etwa als Apartments für Studierende oder für | |
| soziale Einrichtungen. „Wir finden, dass dies ein sehr nachhaltiges Planen | |
| ist. Und mit einem Quadratmeterpreis von 1.470 Euro auch sehr | |
| kostengünstig.“ | |
| 29 Feb 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Antje Lang-Lendorff | |
| ## TAGS | |
| Flüchtlinge | |
| Unterbringung | |
| Ghetto | |
| Flüchtlinge | |
| Migration | |
| Flüchtlinge | |
| Container | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Flüchtlingsunterbringung in Hamburg: Einigung in letzter Minute | |
| Ein polarisierender Volksentscheid ist abgewendet: Landesregierung und | |
| Helfer-Initiativen einigen sich auf dezentrale Unterbringung. | |
| Migranten den Wohnsitz vorschreiben: Nur wenn es der Integration dient | |
| Wohnsitzauflagen für Migranten können zulässig sein, wenn sie der | |
| Integration dienen sollen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) | |
| am Dienstag. | |
| Platz schaffen für Flüchtlinge: Die neuen Nachbarn können kommen | |
| Mit modularen Unterkünften und Containerdörfern wird Platz für mindestens | |
| 34.000 Menschen geschaffen. Mit der Einigung sind die Bezirke weitgehend | |
| zufrieden. | |
| Flüchtlingsunterbringung: Jetzt noch Container | |
| Neben den Schnellbauten, den sogenanten Mufs, will der Senat Container | |
| aufstellen lassen. Geplant sind mindestens zwei pro Bezirk | |
| Häuser für Flüchtlinge: Leicht bauen ist ziemlich schwer | |
| Mit bis zu 30.000 einfachen Wohnungen wollte der Senat möglichst schnell | |
| Unterkünfte schaffen. Nun zeigt sich: Das wird länger dauern als geplant. |