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# taz.de -- Dokumentarfilm von Michael Moore: Europäer sind bessere Amerikaner
> Gewohnt hemdsärmelig: Regisseur Michael Moore zieht in „Where to Invade
> Next“ durch Europa, um dort die besten Ideen der Länder zu klauen.
Bild: Invasion: Michael Moore in einer Szene seines Films „Where to invade ne…
2. 1. 2015: Ein Treffen Michael Moores mit den obersten Militärs der USA im
Pentagon in Washington. 60 Jahre verlorene Kriege in Korea, Vietnam, dem
Libanon, dem Irak, dem Jemen und Libyen haben die Generäle ratlos
zurückgelassen. Um Rat gebeten, verordnet Moore dem amerikanischen Militär
nach kurzem Nachdenken eine Pause.
Die Invasionen übernimmt Moore ab jetzt persönlich: „Ich werde in Länder
mit weißen Einwohnern einmarschieren, deren Namen ich in den meisten Fällen
aussprechen kann, werde die Dinge mitnehmen, die wir brauchen und sie
zurückbringen nach Amerika.“
Auf das fiktive Treffen im Pentagon folgt eine Einmanninvasion Moores mit
einer amerikanischen Flagge in der Hand. Erstes Ziel: Italien. Ein Paar
zählt Moore die bezahlten Urlaubstage auf, erinnert sich gegenseitig an die
zusätzlichen staatlichen und regionalen Feiertage und fügt schließlich noch
das dreizehnte Gehalt hinzu.
Moore lauscht mit ungläubigem Staunen. Bezahlter Urlaub und Unternehmer,
denen am Wohlergehen ihrer Angestellten liegt – kopfschüttelnd verlässt
Moore Italien und reist weiter nach Frankreich. Das Staunen wird nicht
weniger, als Moore mit der Esskultur an französischen Schulen und der
Überzeugung konfrontiert wird, dass sexuelle Abstinenz als
Verhütungsmethode vollkommen abwegig ist.
## Schwere des Pathos
In „Where to Invade Next“ stellt Moore in gewohnt hemdsärmliger Weise
Sackgassen der US-amerikanischen Politik bloß – und konfrontiert sie mit
funktionierenden Alternativen außerhalb der USA: ein Schulsystem, das auf
weniger Schule und mehr Leben setzt (Finnland), ein gebührenfreies
Universitätssystem (Slowenien), die deutsche Erinnerungspolitik und die
Bleistiftherstellung bei Faber-Castell in Nürnberg, die Straffreiheit für
Drogennutzer in Portugal. „Where to Invade Next“ führt Moore durch halb
Europa und schließlich zu einem Abstecher nach Tunesien.
Mehr als frühere Filme Moores leidet dieser unter der Schwere des Pathos.
Die wiederkehrenden Gesichter im Bildzentrum in halbnaher Aufnahme geben
dem Film stellenweise den Look eines Werbefilms zu süßlicher Musik. Daneben
stehen Begegnungen wie die mit einer in den USA geborenen Lehrerin in
Finnland, die die Schulsysteme beider Länder pointiert vergleicht: Kindern
zu erzählen, sie könnten werden, was sie wollen, fühle sich für sie in
einer finnischen Schule weniger verlogen an als an einer staatlichen Schule
der USA. Als europäischer Zuschauer ringt man um Haltung: Wie umgehen mit
dem überschwänglichen Lob Europas?
Dieses Ringen um Haltung gegenüber den Filmen Moores ist jedoch nichts
Neues. Spätestens seit „Bowling for Columbine“ tut man gut daran, die Filme
Moores weniger als Einblick in die bisweilen skurrile Welt der USA zu
verstehen, sondern zum Ausgangspunkt einer Selbstbefragung als europäischer
Zuschauer zu nehmen. Wie bei den Vorgängerfilmen ist auch bei „Where to
Invade Next“ das Ziel des Films unklar.
Kaum ein amerikanischer Zuschauer dürfte vor dem Gang ins Kino Zweifel an
der Existenz von Alternativen zur gegenwärtigen Politik gehabt haben. Ein
amerikanisches Publikum bestärkt „Where to Invade Next“ also höchstens
darin, dass die Alternativen nicht nur existieren, sondern praktikabel und
bezahlbar sind.
Einen europäischen Zuschauer nimmt Moore mit auf eine schlurfige Reise
durch die Bandbreite der europäischen Politik. Bei allem Pathos führt der
Film in einem kritischen Moment vor Augen, wie bewahrenswert der liberale
Teil dieser Politik ist. So etwa, wenn Moore einen Vater des Massakers von
Utøya fragt, weshalb Norwegen nach den Attentaten von Breivik 2011 keinen
Patriot Act eingeführt habe. Eine Frage, die mit Blick auf die
Perpetuierung des Ausnahmezustands in Frankreich nach den Attentaten im
November letzten Jahres schmerzt.
Das utopische Bild Europas, das Moore in „Where to Invade Next“ zeichnet,
ist nur möglich durch das Ignorieren von allem, was diesem in der Realität
europäischer Politik entgegensteht. Die deutsche Erinnerungspolitik war
stets ebenso umstritten wie kostenfreier Zugang zu Bildung, der Umgang mit
Gefangenen und Drogen. Umsonst gibt es für europäische Zuschauer nur die
Kritik an den Verhältnissen in den USA, der Todesstrafe und dem Rassismus
der Polizei von Ferguson.
24 Feb 2016
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
Michael Moore
Dokumentarfilm
Bildungspolitik
Gefängnis
Sozialpolitik
Spielfilm
Hillary Clinton
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