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# taz.de -- Tod von hohem US-Richter: Kampf um Nachfolge ist entbrannt
> Mit Antonin Scalia verlieren die USA einen streitbaren Juristen.
> Demokraten und Republikaner wittern ihre Chance bei der Neubesetzung des
> Postens.
Bild: Antonin Scalia, verheiratet und Vater von neun Kindern, war strikt wertko…
Washington taz | Antonin Scalia war nicht einfach nur Richter am Supreme
Court, dem obersten Gerichtshof in den USA. Der Jurist war eine der
prägenden konservativen Figuren der Institution, brillant, unterhaltsam,
streitbar, kontrovers. „Ich liebe es zu streiten“, sagte er in einem
Interview mit dem [1][Fernsehsender CBS] im Jahr 2008 – und das tat er 30
Jahre lang als einer der obersten Richter des Landes. Saclia war der
Wortführer des konservativen Flügels unter den insgesamt neun Richtern und
begründete in seiner Amtszeit mehrere wegweisende Entscheidungen, darunter
solche zum Waffenrecht.
Am Samstag ist Scalia im Alter von 79 Jahren in seiner Privatresidenz im
westtexanischen Big Bend tot aufgefunden worden, teilte eine
Justizsprecherin mit. Laut einem Bericht des Senders CNN starb der Richter
im Schlaf. In den USA trauert die Öffentlichkeit aber nicht nur wegen des
unerwarteten Verlustes eines Mannes, den Präsident Barack Obama [2][einen
der „wichtigsten Juristen und Denker des Landes“] nannte. Nur wenige
Stunden nach der Nachricht über Scalias Tod entbrannte bereits ein Kampf um
die Frage, wer ihm nachfolgen soll. Eine Nominierung von großer politischen
Tragweite – und das kurz vor dem Ende von Obamas Amtszeit.
In dem so gespaltenen Land ist es immer mehr der Supreme Court, der
ideologische Fragen beantworten muss, die Republikaner und Demokraten nicht
in der Lage sind, politisch zu lösen. Obamas Gesundheitsreform wurde durch
das Gericht legitimiert, als die Republikaner über den juristischen Weg
versucht hatten, sie zu stoppen. Und im Juni 2015 legalisierte das Gericht
die Homo-Ehe. Ein Urteil, das gar nicht im Sinne des Katholiken Scalia war.
Der verheiratete Vater von neun Kindern war strikt wertkonservativ und
darüber hinaus ein Originalist und damit der Ansicht, dass die Verfassung
im Wortlaut ausgelegt werden muss. Etwas, worüber er vortrefflich mit
seiner liberalen Kollegin Ruth Bader Ginsburg streiten konnte. Sie war eine
seiner engsten Freundinnen, was immer wieder thematisiert wurde, ihn aber
nur wunderte. „Ich greife Ideen an, keine Menschen“, sagte er im Interview
mit CBS dazu.
## Pattsituation im Supreme Court
Scalia schrieb am Supreme Court viele „Mehrheitsmeinungen“, die die
Entscheidung des Gerichts begründen. Darunter war 2010 auch das
Grundsatzurteil „[3][District of Columbia v. Heller]“, in der Scalia und
vier weitere Richter ihre liberaleren Kollegen überstimmten und
entschieden, dass der Zweite Zusatz der Verfassung das Recht jedes
einzelnen Bürgers schützt, eine Handfeuerwaffe zu besitzen. Ein Urteil, das
Konservative und Waffenfans bejubelten.
Mit dem Tod Scalias sind die verbleibenden acht Richter in einer
Pattsituation, Entscheidungen damit so gut wie ausgeschlossen. Auch deshalb
ist eine schnelle Nachbesetzungso wichtig. Vor allem in einem Jahr, in dem
das Gericht unter anderem noch über die Einwanderungsreformpläne Obamas
entscheiden soll. Und doch scheint eine rasche Entscheidung fast unmöglich.
Zwar kündigte Obama an, seiner verfassungsgemäßen Pflicht nachzukommen und
einen Richter oder eine Richterin zu benennen. Die Kandidaten müssen sich
jedoch einer Befragung und einer Abstimmung im Senat stellen. Und der wird
derzeit von den Republikanern kontrolliert. Mehrheitsführer Mitch McConnell
sagte noch am Samstagabend, die Nachfolge Scalias sollte erst nach der
Präsidentschaftswahl getroffen werden. Es obliege dem neuen Präsidenten,
dies zu tun.
Mehrere republikanische Präsidentschaftsbewerber – die sich am Abend erneut
einer TV-Debatte stellten – äußerten sich ähnlich, darunter Ted Cruz und
Marco Rubio. Sie wollen die Chance haben auf die Deutungshoheit, genau wie
die Demokraten. Eine von Bernie Sanders Kernaussagen ist der Wunsch, eine
Entscheidung des Gerichts zu revidieren, die es unabhängigen Gruppen
erlaubt, mit unbegrenzten Geldsummen politisch aktiv zu sein. Auch Clinton
hat sich ähnlich geäußert.
Eine monatelanges Ringen um Scalias Nachfolge ist absehbar. Obama braucht
Stimmen der Republikaner, um seinen Kandidaten durch den Senat zu bekommen,
das scheint jedoch ausgeschlossen. So droht der Institution ein Jahr lang
die Handlungsunfähigkeit. Und der Wahlkampf hat ein weiteres Streitthema.
Den streitbaren Scalia hätte das wohl bestens unterhalten.
14 Feb 2016
## LINKS
[1] http://www.cbsnews.com/news/justice-scalia-on-the-record/
[2] https://www.whitehouse.gov/blog/2016/02/13/watch-president-obama-speak-pass…
[3] http://www.supremecourt.gov/opinions/07pdf/07-290.pdf
## AUTOREN
Rieke Havertz
## TAGS
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Bürgerrechte
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