# taz.de -- Food Assembly: Vom Hof in die Nachbarschaft | |
> Beim Konzept Food Assembly kommen regionale Erzeuger mit Kunden zusammen. | |
> Damit das Netzwerk sich für alle Seiten lohnt, muss es wachsen. | |
Bild: Frisch und zur Abholung bereit | |
Berlin taz | Bei Familie Ganske soll es heute Bratkartoffeln aus | |
brandenburgischem Bioanbau geben. Barbara Ganske nennt ihre Bestellnummer | |
und nimmt ihr Gemüse entgegen. Bezahlt hat sie schon online. Auf der | |
Website thefoodassembly.com hatte sie sich vor ein paar Tagen angesehen, | |
was heute bei der Food Assembly in ihrem Kiez angeboten wird. Treffpunkt | |
für die Abholung ist wie jede Woche Mittwoch im Agora, einem Café und | |
Projektraum in Berlin-Neukölln. | |
Assembly, das heißt auf Deutsch Versammlung oder auch Zusammenfügen. Und | |
das ist es, was die Gründer des Social-Start-up The Food Assembly wollen: | |
Verbraucher und Produzenten zusammenbringen, um eine nachhaltige Esskultur | |
zu fördern. Dafür haben sie ein Konzept entwickelt, das auf Vernetzung | |
setzt. Überall, wo sich ein ehrenamtlicher Gastgeber findet, kann eine Food | |
Assembly gegründet werden. | |
Der Gastgeber stellt einen Raum zur Verfügung, in dem einmal pro Woche | |
Lebensmittel verteilt werden können, und macht sich auf die Suche nach | |
Lebensmittelproduzenten aus der Region. Diese müssen sich einer Überprüfung | |
durch die Food-Assembly-Zentrale unterziehen: Transparenz bei der | |
Produktion und das Einhalten von Kriterien zu Nachhaltigkeit und | |
artgerechter Haltung sind die Grundregeln. | |
Wenn der Check bestanden ist, registriert der Organisator seine Assembly | |
online und bestimmt ein Abholdatum. Jetzt können sich Käufer für diese Food | |
Assembly registrieren. Sie bestellen und bezahlen online die Produkte, die | |
sie am Abholtag von der Sammelstelle mitnehmen. Es gibt keine | |
Aboverpflichtungen – jeder Kunde bestimmt, wie oft, wie viel und was er | |
bestellen will. | |
Die Idee stammt aus Frankreich. Dort ist das Modell seit 2011 erfolgreich, | |
2014 expandierte das Start-up nach Deutschland. Die Food Assembly – Equanum | |
GmbH sitzt in Berlin-Mitte. Das Unternehmen ist eine Tochter der | |
französischen Food Assembly, allein finanziert sich der deutsche Ableger | |
noch nicht. Das soll sich bald ändern: „Die Zahl der Food Assemblies, und | |
vor allem unser Kundenstamm wächst kontinuierlich“, sagt Veronica Veneziano | |
vom deutschen Team. Tatsächlich gibt es in Deutschland nur 16 Food | |
Assemblies, die regelmäßig stattfinden. | |
## Der Umsatz ist in vielen Assemblies noch schwach | |
Die Gemüsegärtnerin Angelika Fietze-Glawe ist eine der Produzentinnen, die | |
bei der Assembly in Berlin-Neukölln verkaufen. Rund 55 Kilometer fährt sie | |
von ihrem Hof nach Märkisch Luch, eine Stunde ist sie unterwegs. | |
„Hierherzukommen rentiert sich wirtschaftlich erst ab einem Bestellwert von | |
100 Euro“, erklärt sie, „als die Food Assembly ganz neu war, habe ich mit | |
dem Verkauf oft nur die Fahrtkosten abgedeckt.“ | |
Auch heute ist der Umsatz in vielen Assemblies noch schwach. Etwa 11.000 | |
Nutzer sind bei Food Assembly Deutschland registriert, doch nur rund 3.000 | |
kaufen tatsächlich ein. Den Food-Assembly-Mitarbeitern ist klar: Das | |
Projekt braucht Zeit, das Netzwerk muss wachsen. Bauernverbände sehen die | |
Gefahr, dass sich das Konzept langfristig nicht tragen wird. „Sich an einer | |
Food Assembly zu beteiligen ist ein hoher Aufwand für Produzenten“, sagt | |
Gerald Wehde vom Ökoanbauverband Bioland. „Die Anreise ist oft weit, | |
Laufkundschaft fehlt, und die zu zahlende Gebühr ist auch nicht gerade | |
niedrig. “ | |
16,7 Prozent vom Umsatz müssen die Verkäufer abgeben – die Hälfte davon | |
geht an das Unternehmen Food Assembly, die andere an den Organisator. | |
Angelika Fietze-Glawe vermarktet trotzdem lieber über Food Assemblies: | |
„Früher stand ich den ganzen Tag auf Märkten“, erklärt sie, „am Ende d… | |
Tages hatte ich dann doch wieder etliche Salatköpfe übrig, die nicht | |
gekauft wurden.“ Bei der Assembly wird mitgebracht, was im Voraus bestellt | |
wurde: „Es wird nichts verschwendet.“ | |
Heute haben 17 Personen bei Angelika Fietze-Glawe Ware bestellt. Das | |
Angebot der kleinen Food Assembly in Berlin-Neukölln ist überschaubar. Aber | |
es ist nicht das große Angebot, das die Kunden für das Konzept begeistert, | |
sondern die Nähe zum Produzenten. „Ich möchte wissen, wo meine Lebensmittel | |
herkommen und dass sie frei von Pestiziden sind“, erklärt Barbara Ganske, | |
„deshalb kaufe ich lieber hier als im Supermarkt.“ | |
Die Stärke der Food Assembly ist das Vertrauensverhältnis zwischen Kunde | |
und Produzent. Trotzdem: Das Konzept ist keine Konkurrenz für andere | |
Direktvermarktungswege, da sind sich die Biobauernverbände einig. „Wir | |
haben schon ein sehr gutes Versorgungsnetz. Die Food Assembly ist eine neue | |
Form der Direktvermarktung, die das bestehende Netz ergänzt“, erklärt | |
Gerald Wehde, „der direkte Kontakt zwischen Verbraucher und Erzeuger ist | |
uns sehr wichtig. Deshalb hoffen wir, dass sich dieses neue Konzept | |
langfristig bewährt.“ | |
22 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Madeleine Hofmann | |
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