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# taz.de -- Versicherungen im Internet: Appgesichert, ausgesorgt?
> Immer mehr Versicherungen werden digital angeboten. Verbraucherschützern
> und der Offline-Konkurrenz gefällt das nicht.
Bild: Finger ab wegen Dinosaurierangriff? Viele Versicherungen im Netz seien ü…
Die Gründer des Portals [1][„Moneymeets“] haben es geschafft, mit einer
Kleinigkeit für Aufruhr in der Versicherungsbranche zu sorgen: Moneymeets
zahlt seinen Kunden die Hälfte der Provisionen, die die Betreiber als
Vermittler von den Versicherungen erhalten, zurück.
Damit bekommen Kunden nicht nur etwas Geld wieder, sondern auch ein Mehr an
Transparenz. Denn normalerweise bleibt für Verbraucher, die eine
Versicherung abschließen, unklar, wie viel der Vermittler mit dem Abschluss
und den später gezahlten Bestandsprovisionen verdient.
Die Branche ist darüber gar nicht erfreut. So hat ein Versicherungsmakler
bereits gegen das Geschäftsmodell der neuen Konkurrenten geklagt. Das
Landgericht Köln gab im Oktober jedoch den Portalbetreibern recht. „Das
Aufrechterhalten des Provisionsabgabeverbots wäre so, als würde der
stationäre Einzelhandel ein gesetzliches Verbot von Preisvorteilen auf
Online-Plattformen einfordern“, sagt Gründer und Geschäftsführer Dieter
Fromm.
Der Fall ist symptomatisch für die Richtung, in die sich die
Versicherungsbranche derzeit bewegt. Die etablierten Akteure glaubten zu
lange, um die Digitalisierung herumzukommen. Ein Versicherungsabschluss, da
gehöre doch Beratung dazu, ein Mensch in Anzug oder Kostüm und lange
Gespräche über familiäre, gesundheitliche und wirtschaftliche Umstände.
Oder?
Versicherungs-Start-ups stellen Vertreter und Makler als Vertriebskanäle
infrage. Sie erlauben es Nutzern, kurzfristig und schnell Policen
abzuschließen – ohne lange Gespräche mit einem Vertreter. Und versuchen
darüber hinaus auch noch, siehe Transparenz in Sachen Provisionen, sich
besonders kundenfreundlich zu positionieren.
Das ist vor allem deshalb nicht schwierig, weil die Versicherungsbranche
insgesamt eher durch Intransparenz und Bürokratie auffällt – egal ob es um
Provisionen geht, um Schadensregulierung oder um die Weitergabe von Daten.
Das spiegelt der Ruf von Versicherungsverkäufern wider: Bei einer Umfrage
des Marktforschungsinstituts GfK landeten sie, was das Verbrauchervertrauen
angeht, gerade einmal auf dem vorletzten Platz – vor Politikern, hinter
Werbefachleuten.
## Die Schwelle für Nutzer ist niedrig
Die neue Konkurrenz heißt zum Beispiel [2][„Getsafe“]. Die App funktioniert
wie ein digitaler Versicherungsvermittler. Sie vergleicht und vermittelt
Policen für die Nutzer und verwaltet sie auch. Kunden, die ihre
Versicherung über die App abschließen, verschaffen dem Unternehmen dahinter
nicht nur die Provision für Vermittlung – sondern auch die für Bestand.
Andere Anbieter wie [3][www.appsichern.de] suchen die Nische. Das
Unternehmen hat sich auf Kurzzeitversicherungen spezialisiert, in
Situationen, in denen Kunden nicht erst zum Versicherungsbüro gehen können.
Wem am Flughafen kurz vor dem Boarding einfällt, dass eine
Auslandskrankenversicherung nicht schlecht wäre, wird hier fündig. Vorteil
für das Unternehmen: Die Beträge sind niedrig – zwischen 1,60 Euro und 18
Euro pro Versicherung.
Entsprechend niedrig ist auch die Schwelle für Nutzer, hier mal eben einen
Vertrag abzuschließen. Nachteil für die Verbraucher: Die niedrigen Hürden
können dazu verleiten, auch zu überflüssigen Policen Ja zu sagen.
Überflüssig zum Beispiel, weil das Risiko schon bei einem anderen Vertrag –
wie Haftpflicht oder Hausrat – mitversichert ist oder weil die Summe, die
im Schadensfall gezahlt wird, im Vergleich zu herkömmlichen Angeboten
niedrig ist.
So kritisieren Verbraucherschützer etwa eine Kita-Versicherung. Sie richtet
sich an Eltern, deren Nachwuchs an einem Kita-Ausflug teilnehmen und die
eine Unfallversicherung für Sohn oder Tochter abschließen sollen. „Hier
wird mit den Ängsten der Eltern Geld gemacht“, kritisiert Axel Kleinlein,
Vorstandsvorsitzender des Bund der Versicherten (BdV). „Diese Versicherung
ist überflüssig, denn die Kinder sind über die gesetzliche
Unfallversicherung abgesichert.“
Kleinlein hält grundsätzlich nichts vom Abschluss per App. Für Policen wie
eine private Renten- oder Krankenversicherung eigneten sie sich schon
deshalb nicht, weil der Abschluss dieser Verträge eine Lebensentscheidung
sei und daher erst nach entsprechend eingehender Beratung erfolgen sollte.
Aber auch und gerade bei nur kurz laufenden Verträgen rät Kleinlein davon
ab. „Das ist meistens völlig überteuert“, sagt er.
Lustig aufgemachte App-Angebote könnten zudem den Blick für den wirklich
wichtigen Versicherungsschutz verstellen, sagt Kleinlein. Was wirklich
jeder und jede haben sollte, ist zum Beispiel eine private
Haftpflichtversicherung. Denn wer anderen einen Schaden zufügt, muss dafür
geradestehen. Das kann ohne Versicherung schnell richtig teuer werden.
## Allianz bietet Bayern-München-Versicherung
Die neuen Angebote werden nicht nur von Verbraucherschützern kritisch
beäugt – sondern auch von konventionellen Versicherungsunternehmen, die die
neue Konkurrenz fürchten. Ihr Gegenmittel: Sie versuchen, ebenfalls auf das
Geschäft mit den Apps für einen spielerischen Ansatz aufzuspringen. Die
Allianz etwa bietet unter anderem eine Bayern-München-Versicherung „Rund um
den Arena-Besuch“. Damit können sich Interessierte für zwei Euro gegen die
Folgen eines Unfalls im Stadion versichern.
Doch Verbraucherschützer warnen davor, sich auf die Police zu verlassen.
Nur bei sehr schweren Verletzungen zahle der Versicherer im Monat 250 Euro,
kritisiert der BdV. Die beiden anderen Bestandteile seien eher Gimmicks:
Der Versicherer übernimmt 50 Prozent des Ticketpreises, wenn der Kunde die
ersten 30 Minuten des Spiels verpasst, weil er „unverschuldet“ zu spät
kommt. Verliert der Fan seinen Haus- oder Autoschlüssel, bekommt er bis zu
500 Euro.
Eine solche Versicherung sei nicht als vollwertiger Unfallschutz konzipiert
worden, sondern eine Ergänzung einer bestehenden Absicherung, entgegnet die
Allianz. „Gerade bei großen Veranstaltungen mit vielen Besuchern kommen
Verspätung und Schlüsselverlust häufig vor.“ Trotzdem: Die App hat den
„Versicherungskäse“-Preis 2015 des BdV gewonnen – eine Auszeichnung für…
schlechteste Versicherungsprodukt des Jahres.
Während einfache Verträge wie Kfz-Policen immer öfter online abgeschlossen
werden, gehe die Bereitschaft zum Online-Abschluss mit der Komplexität der
Versicherung zurück, sagt Oliver Gaedeke, Vorstand des
Marktforschungsinstituts YouGov. „Die Versicherungskompetenz hat in den
vergangenen 15 Jahren trotz Internet nicht zugenommen“, so der
Versicherungsfachmann. Das erhöhe die Bereitschaft, doch zu einem Menschen
zu gehen, der eine Empfehlung abgibt. Verbraucherschützer empfehlen Kunden,
sich von einem unabhängigen Experten beraten zu lassen, der nicht am
Abschluss verdient.
Start-up-Gründer Fromm sieht vor allem zwei Gründe, die Nutzer dazu
bewegen, ihre Policen zu seinem Unternehmen zu transferieren: Einerseits
hätten Kunden einen besseren Überblick über ihre Versicherungen, wenn alles
in einer Hand sei. Auf der anderen Seite gäbe es eine finanzielle Ersparnis
dadurch, das die Nutzer die Hälfte der Provisionen bekommen. Der Kritik,
dass App-Vermittler keine Beratung bieten, widerspricht er: Kunden könnten
bei ihnen die gleichen Beratungen in Anspruch nehmen wie bei
Versicherungsmaklern üblich, etwa im Schadensfall oder wenn eine Police
abgeschlossen, geändert oder gekündigt werden soll.
12 Feb 2016
## LINKS
[1] https://www.moneymeets.com/home;jsessionid=7C015D993AC4DE1D54883870B7B85BD4
[2] https://getsafe.de/
[3] https://www.appsichern.de/
## AUTOREN
Anja Krüger
Svenja Bergt
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