# taz.de -- „Wir sind ‚fundamentalistische Islamisten‘“: „Ehrlich, di… | |
> Yavuz Özoguz verteidigt die islamische Revolution im Iran und das | |
> antikapitalistische Potenzial des Islam. Mit Salafisten will er trotzdem | |
> nichts zu tun haben | |
Bild: Yavuz Özoguz verteidigt die Islamische Republik im Iran. | |
taz: Herr Özoguz, eigentlich boykottieren Sie die taz. Warum? | |
Yavuz Özoguz: In der Medienlandschaft haben wir nur zwei Boykottaufrufe, | |
der eine gegen die Springer-Presse, ich glaube, das brauche ich nicht zu | |
erklären. Der andere geht gegen die taz. | |
Das ist ein ungleiches Paar. | |
Der gegen die taz geht zurück aufs Jahr 2005. Und ich sage Ihnen mal das | |
Zitat, was damals erschienen ist: „Allah ist groß, Allah ist mächtig, hat | |
einen ...“ und diesen Begriff rufe ich jetzt nicht auf. Es war ein | |
unflätiger Ausdruck für das Hinterteil, dessen Größe war mit drei Meter | |
sechzig angegeben. | |
Ein dummer Witz. | |
Ich fand das extrem beleidigend für Muslime: Anlass war, dass irgendein | |
durchgeknallter Gelehrter dazu aufgerufen hatte, nicht mehr fernzusehen, | |
und irgendjemand daraufhin seinen Fernseher aus dem Fenster geworfen hatte. | |
Darauf kam dann dieser Kommentar. Da haben wir dann gesagt: Das geht zu | |
weit. | |
Aber jetzt sprechen Sie mit mir? | |
Wir sind ja nicht Leute, die ewig auf einem einmal gefällten Urteil | |
beharren. Und so wie Sie mich angerufen haben, das war schon ungewöhnlich. | |
Ich habe bei unserem Telefonat gesagt: Bei dem Gespräch soll es um die | |
grassierende Islam-Angst gehen, und erzählt, dass mich das Buch, das Sie | |
und Ihr Bruder geschrieben haben, beeindruckt: Sie stellen darin dar, wie | |
diese Angst zu beruflichen Nachteilen für Sie geführt hat, zugleich haben | |
Sie sich nicht als Opfer inszeniert, sondern schon im Titel „Wir sind | |
‚fundamentalistische Islamisten‘ in Deutschland“ die Angst ironisiert. Was | |
hat dazu geführt, dass Sie, in Bremen und Delmenhorst einst gern gesehene | |
Muster-Muslime, in diese Rolle gedrängt wurden? | |
Entscheidend ist, dass wir Anti-Zionisten sind. Dieser Anti-Zionismus ist | |
für bestimmte Kreise in dieser Gesellschaft deswegen so gefährlich, weil | |
wir definitiv keine Antisemiten sind. Wir haben etliche Juden für | |
„Muslim-Markt“ interviewt, auch die Mutter eines Anschlagopfers in | |
Jerusalem, die sich für Frieden einsetzt. Trotzdem sagen wir klipp und | |
klar, dass Israel ein Apartheidsregime ist, wie Südafrika. Das ist der | |
Knackpunkt. | |
Ich fürchte schon, dass dieser Anti-Zionismus, der sich scheinbar nur auf | |
eine Abstraktion, einen Staat bezieht, eben doch einer Position gegen die | |
Menschen Vorschub leistet, die den Staat bilden. | |
Das halte ich für falsch. Für mich ist das heutige Israel genauso wie das | |
damalige Südafrika. Wenn ich damals gesagt hätte, ich erkenne das heutige | |
Südafrika nicht an – wäre niemand auf die Idee gekommen, zu sagen, ich | |
hätte die Vernichtung aller Buren gefordert. Niemand! Es ging dabei um die | |
Apartheid. Und seit die dort abgeschafft wurde – kann die Mehrheit | |
bestimmen, wer den Staat regiert und wie er heißt. Wenn die den Staat | |
weiterhin Südafrika nennen wollen – bitte, was habe ich damit zu tun? | |
Genauso ist es mit Israel. Sobald die Homelands, die dort palästinensische | |
Autonomiegebiete heißen, abgeschafft sind, und Juden, Christen und Muslime | |
gleichwertige Staatsbürger sind, die ihren Staat Israel nennen wollen – | |
welches Recht hätte ich, das zu kritisieren? | |
Ich halte es für unerträglich, die Existenz Israels infrage zu stellen von | |
Deutschland aus. Wir gehören zu einem Volk der Täter. Wir dürfen diese | |
Vergangenheit nicht ausblenden. | |
Ich bin dagegen, überhaupt irgendetwas auszublenden. Aber ich weigere mich | |
zu sagen, Deutschland, heute, wir sind ein Volk der Täter. Jedes Volk | |
dieser Erde ist ein Volk der Täter. Diese Kollektivbestrafung ist gegen | |
jede menschliche Vernunft: Ich bin doch nicht verantwortlich, wenn mein | |
Großvater jemanden ermordet hat! Das ist doch eine Manipulation: Wir sollen | |
uns um die Vergangenheit kümmern, um die Verbrechen von heute zu übersehen. | |
Wobei das auch die Frage aufwirft, warum in unserem Gespräch über Angst vor | |
dem Islam die Frage Zionismus–Anti-Zionismus so wichtig sein muss? | |
Das muss ich doch Sie fragen! | |
Mindestens hatten Sie diese Position schon vertreten, bevor Sie und Ihr | |
Bruder zu gefährlichen Buhmännern aufgebaut wurden. Und da gab es noch | |
keine Spur von Distanzierung: Sie waren ja Teil und Mitorganisator der | |
ersten Bremer Islamwoche. | |
Das war die erste Islamwoche, die es je in einem Bundesland gab! | |
Ja eben: Und dann schlug die Bewertung Ihrer Aktivitäten so um. Lag das an | |
9/11? | |
Diese Sachen, die uns jeden Tag erreichen, Charlie Hebdo oder die Anschläge | |
im November, das sind Einzelereignisse, die uns kurzzeitig erschlagen. Ich | |
sehe das in einem größeren Zusammenhang: Wir haben seit Kain und Abel einen | |
Kampf des unersättlichen Reichtums gegen die Menschheit. Dass 62 Menschen | |
so viel Reichtum besitzen wie die Hälfte der Menschheit, stand in allen | |
deutschen Zeitungen, vergangene Woche. Diese 62 bräuchten nur die Hälfte | |
ihres Vermögens abzugeben, sie blieben die reichsten Menschen der Welt – | |
und die gesamte Menschheit könnte im Wohlstand leben. Das tun sie aber | |
nicht. Also bedarf es Methoden, um die Milliarden in Schach zu halten, | |
gegen deren Übermacht sie keine Chance hätten. | |
Was für Methoden? | |
Teile und herrsche. Und vernichte jeden ideologischen Ansatz, der in | |
Richtung Umverteilung geht. Der Kommunismus ist besiegt. Es gibt letztlich | |
nur noch eine einzige ideologische Quelle, die diese ungerechte Verteilung | |
besiegen könnte. | |
Und das soll der Islam sein? | |
Das ist der Islam. Und was macht man: Man geht gegen ihn vor, wie auch | |
schon gegen den Kommunismus, militärisch und propagandistisch. Man stiehlt | |
uns die heiligen Begriffe: Dschihad war für mich immer ein heiliger | |
Begriff, dieser Kampf im Herzen, den jeder Mensch mit sich austragen muss. | |
Ich traue mich kaum noch, ihn zu verwenden. Oder Islamischer Staat – das | |
war für uns, als die Revolution im Iran losging, die erste Hoffnung seit | |
1400 Jahren, dass wir in diese Richtung gehen können. Mittlerweile haben | |
die Amerikaner den Begriff mit ihrem US-lamischen Staat unmöglich gemacht. | |
Sie meinen, der IS wäre durch die USA gesteuert? | |
Ob sie da teilweise die Kontrolle verloren haben, das interessiert mich | |
nicht. Aber all diese Bewegungen gehen vom Westen aus. | |
Da bin ich skeptisch. | |
England macht derzeit etwas ganz Interessantes. Das fällt hier kaum | |
jemandem auf. Auf der einen Seite haben sie den Salafismus und das | |
Wahabitentum aufgebaut. Die haben Saudi-Arabien geschaffen, um das | |
Osmanische Reich zu zerstören. Dafür haben sie sich die Sekte der Wahabiten | |
herausgepickt, und sie einflussreich gemacht, bis es zu diesem Staat kam, | |
dem einzigen Staat auf der Welt, der den Namen einer Familie trägt. Nicht | |
einmal der Prophet hat dieses Land, in dem sich die Stätten befinden, die | |
den Muslimen am heiligsten sind, „Mohammed-Arabien“ genannt! Heute heißt es | |
nach der Familie Saud. Die wird vom Westen unterstützt, und sie verbreitet | |
den Gedanken: Schiiten sind keine Muslime, sind Ungläubige und was weiß ich | |
nicht alles. | |
Das ist doch kein neuer Konflikt? | |
Nein, aber jetzt kommt’s. Aus England heraus werden 20 Satellitensender von | |
Schiiten betrieben – wenigstens bezeichnen die sich als Schiiten. Die | |
strahlen direkt aus London. Und die behaupten, Sunniten wären keine | |
Muslime. Und beide Seiten kriegen ihr Geld von den Briten. Perfekter kann | |
man das nicht machen. Wir sagen dagegen: Nein, nicht nur Sunniten und | |
Schiiten sind keine Feinde. Die Front ist nicht Muslim gegen Nicht-Muslim, | |
sondern Unterdrückter gegen Unterdrücker. | |
Sie haben in Ihrer Studienzeit eine Art Bekehrung erlebt: Ursprünglich | |
waren Sie eher säkular unterwegs. | |
Fast schon christlich: Ich war bei der Evangelischen Studentengemeinde | |
engagiert. Damals stand gerade Nicaragua im Fokus, die Befreiungstheologie, | |
Ernesto Cardenal – das war ein Vorbild. | |
Sie hatten eine Vorstellung vom Islam als Ursache für Rückständigkeit? | |
Für mich war Islam Mittelalter pur. Ich habe den Islam auch in der | |
politischen Szene der Welt nicht als Befreiungsbewegung gesehen, sondern | |
als konservative Kraft, die Leute mehr einschläfert als sie aufzurütteln. | |
Nur geschah mitten in meinem Studium dann diese islamische Revolution im | |
Iran. | |
Die hatte hier aber auch eher wenige Fans? | |
Iran galt damals als Reich des Bösen und Khomeini war als Teufel | |
erschienen. | |
Aber? | |
Dann ist Cardenal dort hingeflogen. Und nach seinem Gespräch mit Imam | |
Khomeini gibt er ein Interview, in dem er sagt: Imam Khomeini ist die | |
Heiligkeit unserer Zeit. Das war für mich der Anstoß, nachzuforschen, und | |
das hat nach rund fünf Jahren zu einer Art Konversion geführt: Ich stamme | |
zwar aus einer türkisch-sunnitischen Familie, habe dann aber den Weg zur | |
Schia gewählt, und im Grunde überhaupt erst zum Islam zurückgefunden. | |
Die westliche Wahrnehmung fokussiert vor allem auf dessen Zersplitterung – | |
Sunniten, die Shia mit ihren Schulen, die Wahabiten – und die Konflikte | |
dieser Gruppen. Sie lehnen diese Darstellung ab? | |
Ich halte schon Ihre Frage für falsch. | |
Wieso? | |
Sie sprechen von der westlichen Wahrnehmung. Dabei geht es nur um eine | |
durch den Westen vorgegebene Wahrnehmung. Der Westen nimmt doch nicht nur | |
Sunniten und Schiiten als Gegensätze wahr, sondern auch Deutsche gegen | |
Polen und Frauen gegen Männer. Alles muss gespalten und geteilt werden. Nur | |
so hält man die Leute davon ab, darüber nachzudenken, warum das Geld in | |
dieser Welt so extrem unterschiedlich verteilt ist: Ein Wirtschaftssystem, | |
das Reiche reicher und Arme ärmer macht, ist ein Verbrechen. Aber selbst so | |
eine linke Zeitung wie die taz greift nicht das System an – sondern meint, | |
man braucht nur ein paar Steuern hier, ein paar Steuern da, dann haut das | |
schon hin. Aber das ist falsch. Es haut nicht hin. Der Kapitalismus | |
zerstört die Erde. | |
Und der Islam wäre eine antikapitalistische Bewegung? | |
Der Islam ist noch in der Lage, ideologisch dagegenzuhalten. Deswegen | |
versucht man dann eben, die Muslime zu spalten. | |
Aber wer sollte denn ein geheimes Divide-et-impera-Programm implementieren? | |
Es gibt nicht den großen Verschwörer, der etwas anordnet, und dann folgen | |
ihm alle. Der Kapitalismus selbst ist aber die größte Verschwörung der | |
Menschheitsgeschichte. Das Teile und Herrsche folgt aus dem Wunsch aller in | |
einem materialistischen Menschenbild verankerter Menschen: Alle wollen | |
reich werden. Auch die Verhungernden denken nicht anders. | |
Und warum gelingt das nicht? | |
Schauen Sie sich doch einfach mal die Nachrichten im Fernsehen an: Jeden | |
Tag sterben etwa 20.000 Menschen infolge von Hunger. Warum beginnt | |
eigentlich nicht jeden Tag, 365 Tage im Jahr jede Nachrichtensendung mit | |
diesen 20.000 Toten? Was glauben Sie, was passieren würde, wenn man das nur | |
eine Woche lang machen würde? Meinen Sie nicht, die Menschen fingen an, | |
sich zu fragen: Warum müssen eigentlich jeden Tag so viele Leute sterben? | |
Aber diese 20.000, die da sterben, die hören wir nicht. Die sind einfach | |
nur weg. | |
Aber wäre das in der muslimischen Wahrnehmung anders? | |
Kein Stück! Die meisten muslimischen Staaten sind ja eh Diktaturen übelster | |
Art. Aber die Islamische Republik Iran hat mit der Verfassung, die nach der | |
Revolution verkündet wurde, einen Antikapitalismus gedanklich aufgebaut. | |
Die islamische Republik Iran hat vergangenes Jahr 1.000 Menschen | |
hingerichtet. Das ist doch monströs! | |
Auf jeden Fall. Sie müssen da auch ein bisschen differenzieren: Die Leute | |
hier sind grundsätzlich gegen Hinrichtungen – und insofern ist schon eine | |
Hinrichtung zu viel. | |
Ja. Mir auch. | |
Ich bin kein Gegner der Todesstrafe. Aber diese Zahl, die Sie nennen, ist | |
schlimm, und ich kritisiere das und arbeite mit Menschen zusammen im Iran, | |
die versuchen, das anders zu gestalten. Aber für mich ist die iranische | |
Regierung irrelevant. Ich bin Deutscher. Um die iranische Regierung müssen | |
sich die Leute dort kümmern. | |
Das wäre die beste Lösung. | |
Der Islam sagt, dass jedes Volk selbst entscheiden muss, wie es regiert | |
wird. Wir können das hier in Deutschland halbwegs. Andere haben die | |
Möglichkeit nicht, weder die Marokkaner noch die Menschen in Saudi-Arabien. | |
Dennoch weigern wir uns zu sagen, dass Saudi-Arabien eine Diktatur sei. | |
Ach was. Das weiß doch jeder, dass Saudi-Arabien eine Diktatur ist. Wer | |
weigert sich denn, das zu sagen? | |
Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, weigert sich, das zu | |
sagen. Der sagt, das sei eine Monarchie. | |
Aber der ist ja erkennbar völlig unseriös. | |
Ja, jetzt lachen wir darüber – aber ich meine, das geht doch nicht: Das ist | |
die purste Diktatur, die man sich nur vorstellen kann, eine Erbdiktatur. | |
Die sind aber unsere engsten Verbündeten in der Region, nach Israel. Und | |
da, denke ich, läuft doch etwas schief. | |
War das der Grund für Sie, Medien selber zu betreiben – eine | |
Gegenöffentlichkeit? | |
Nein, die Idee war ursprünglich eine ganz andere, das ist aber völlig nach | |
hinten losgegangen. | |
Was war die Idee? | |
Viele Muslime geraten mit dieser Gesellschaft in Konflikt, weil sie | |
bestimmte Spielregeln nicht einhalten. | |
Welche? | |
Ein Beispiel: Muslimische Mädchen werden nicht zum Schwimmunterricht | |
geschickt, so ab 13 Jahren. Man hält sie einfach zu Hause, ohne Brief, gar | |
nichts – paar Wochen später gibt es Briefe von der Schule. Darauf wird | |
nicht reagiert. Und dann kommt das Jugendamt und der Ärger ist perfekt. Da | |
haben wir dann gesagt: Nein, so geht das nicht. Ihr könnt nicht einfach | |
eure Kinder da nicht hinschicken. Ihr müsst einen Antrag stellen, um das | |
Kind davon zu befreien. Ihr könnt bei medizinischen Gründen ein Attest | |
vorlegen, bei religiösen gibt es eine andere Bescheinigung. Es gab sogar | |
Gerichtsurteile damals, die wir gezeigt haben. Und was geschah dann? | |
Dann ist Ihnen vorgeworfen worden, eine Parallelgesellschaft zu bauen? | |
Genau. So war es. Wir würden die Integration verhindern – indem wir den | |
Leuten beibringen, wie sie sich an die Gesetze halten! | |
Klingt verrückt. | |
Es war nicht das einzige Beispiel: Wir wollten auch ein Verzeichnis von | |
Firmen aufbauen, die bestimmte muslimische Dienstleistungen anbieten. | |
Einfaches Beispiel: Wenn eine Muslima zum Frisör will, braucht sie eine | |
Frisörin, die ihr in einem abgeschlossenen, von außen nicht einsehbaren | |
Raum die Haare schneidet. Die Salons, die das erfüllen konnten, haben wir | |
gelistet. Kam wieder der gleiche Vorwurf. | |
Die Angst kann also im Grunde überall andocken und mit Zuschreibungen jeder | |
Art arbeiten? | |
Jetzt zuletzt in Köln, mit diesen Grabschern, da wurde auch ständig | |
behauptet, das habe mit dem Islam zu tun. Dabei: Wo erlaubt denn der Islam, | |
dass man eine fremde Frau überhaupt nur berührt? Wo erlaubt er, sich zu | |
besaufen oder zu stehlen? Welcher Moslem darf vergewaltigen? Trotzdem wird | |
behauptet, diese Ereignisse hätten mit dem Islam zu tun. Das ist doch ein | |
Widerspruch! | |
Allerdings. | |
Dass das mit einer bestimmten sozialen Schicht aus bestimmten Ländern zu | |
tun hat, dass bestimmte Männer nicht nur die Gesetze hier, sondern alle | |
Gesetze mit Füßen treten – darüber kann man doch sachlich reden. Man kann | |
auch darüber reden, dass in muslimischen Ländern, in diesen Diktaturen, | |
eine grundsätzliche Unterdrückung herrscht, die sich im Patriarchat | |
widerspiegelt und Frauen und Kinder am meisten benachteiligt. Aber wenn sie | |
kommen und sagen: Das hat alles mit dem Islam zu tun, dann blockiert das | |
nur. Das weckt bei mir höchstens das Gefühl, dass mein Gegenüber nicht | |
aufrichtig ist. | |
Ich frage mich, ob sich der Islam für Angstpropaganda anbietet, weil die | |
Ängste vor ihm schon so lange kultiviert werden. | |
Ich denke, was den Islam attraktiv für die Angstverbreiter macht, ist nicht | |
der Islam. Das sind die Muslime. | |
Inwiefern? | |
Die ersten Muslime, die hierher kamen, das waren in den 1960er-Jahren keine | |
Gelehrten oder Akademiker, die den Islam hätten vorstellen können. Das | |
waren einfache Leute, die sollten in die Kohlegruben. Da ging’s um die | |
Muskeln, nicht ums Hirn. Die haben Kinder erzogen. Und wir wissen: In | |
Deutschland hängt leider der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft ab. | |
Also waren auch die Kinder dieser Einwanderer keine Studenten. Wir sind | |
inzwischen in der vierten Generation – und jetzt, so langsam, beginnt es, | |
dass wir auch mal Studentinnen haben, Ärzte und Lehrer. Bloß wir sind noch | |
geprägt von Leuten, die den Islam vorgestellt haben – ohne ihn zu kennen. | |
Der Islam, wie er in Deutschland wahrnehmbar ist, ist nebulös. In so einer | |
Atmosphäre lässt sich Angst gut verbreiten. | |
Zumal es auch immer wieder Suren gibt, die beängstigend klingen? | |
Wenn Sie diese Suren nehmen, oder besser gesagt diese Abschnitte einzelner | |
Verse, die immer und immer wieder zitiert werden, und sie im Zusammenhang | |
lesen, werden Sie feststellen: So gefährlich klingen die gar nicht. Aber | |
die paar deutschsprachigen Islamkundigen, die Ihnen das erklären könnten, | |
werden garantiert nicht in Talkshows eingeladen. Da holt man sich lieber | |
jemanden, der so ein bisschen Angst macht, sieht auch ein bisschen zum | |
Fürchten aus, mit langem Bart und läuft mit etwas rum, was der normale | |
Deutsche als Pyjama interpretiert – da denkt sich der Deutsche doch: Ne, | |
also so will ich nicht rumlaufen müssen, nachher kommen die an die Macht, | |
dann islamisieren die uns, und es wird alles ganz schlimm! Ehrlich, die | |
machen auch mir Angst. Dennoch glaube ich aber an ein versöhnliches | |
Miteinander, wenn der Wille da ist. | |
Mehr zur Frage: „Wer hat Angst vor dem Islam?“ lesen Sie in der | |
Norddeutschland-Ausgabe der [1][taz.am wochenende] | |
5 Feb 2016 | |
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