# taz.de -- 100 Jahre Dada: Pinke Pinke art art urg | |
> Mit Kunstbetrieb und Bourgeoisie wollten die Dadaisten nichts zu tun | |
> haben. Ihre Werke sind bei Sammlern umso begehrter. | |
Bild: Zeugs, gehört nicht zur Dada-Schau 2016 in Zürich. | |
MÜNCHEN taz | Ein ziemlich dummes Gesicht hätten Hugo Ball, Hans (Jean) Arp | |
und Tristan Tzara gemacht, hätte man ihre Flugblätter, ihre schnell und | |
billig gedruckten Manifeste, ihre dünnen Zeitschriftenheftchen zu | |
Collectors’ Items ersten Ranges erklärt. Das hätte automatisch ihr ganzes, | |
auf Provokation angelegtes Programm verhagelt. Mit Kunstbetrieb und | |
Bourgeoisie wollten sie nichts zu tun haben. Mit dem Kunstmarkt noch viel | |
weniger. Ephemer sei die Kunst, weder greif- noch archivierbar. Dass die | |
meisten der Bilder- und Wortstürmer es sich auch leisten konnten, auf | |
materiell unterfütterte Anerkennung zu verzichten... sei’s drum. | |
Später, als sie sich längst zerstritten hatten, machten sich die | |
Gründerväter ihren eigenen Namen. Da war aus Dada Surrealismus geworden, | |
der muntere, sehr vermögende Frauen- und Autoverehrer Francis Picabia ein | |
berühmter Maler, Arp einer der wichtigsten Bildhauer seiner Zeit, André | |
Breton ein gravitätischer Dichter, und Hugo Ball war tot. | |
Wer heute die wichtigsten Belege aus der Gründungszeit der niemals | |
sonderlich ernst gemeinten, eher einer absonderlichen Laune entsprungenen | |
Dada-Bewegung kaufen und fein säuberlich in der Schublade aufheben will, | |
muss sich wappnen. Mit Geld und Geduld. Diese Dokumente sind sehr selten | |
geworden. Schlechtes Papier und mangelhaftes, über den Tag hinausgehendes | |
Interesse hat ihnen nicht viel Überlebenschancen gelassen. Dieser Umstand | |
steht wiederum diametral zum aktuellen Sammlerbegehren. Und schon greifen | |
die unvermeidlichen Gesetze von Angebot und Nachfrage. | |
Für die beiden ersten 1917 in Zürich herausgegebenen, gerade mal 22 Seiten | |
umfassenden Hefte der Zeitschrift Mouvement Dada mit | |
Holzschnittillustrationen unter anderem von Arp, Enrico Prampolini und | |
Hilla von Rebay, der späteren Initiatorin des Guggenheim-Museums, werden | |
jeweils bis zu 5.000 Euro verlangt. Nach dem siebten Heft wurde die Zeitung | |
eingestellt. Niemand hatte Lust, sich ausführlich und endlos mit etwas zu | |
beschäftigen. Das wäre nicht mehr Dada gewesen. | |
Christian Hesse hat in seinem Hamburger Auktionshaus jüngst die in | |
exzentrischer schwarzroter Dada-Typografie von Kurt Schwitters und Theo van | |
Doesburg gestaltete Einladungskarte (knapp 30 x 30 Zentimeter für die | |
„Kleine Dada Soirée“ in Den Haag (man befand sich im Jahr 1923 auf großer | |
Tournee) bei 9.000 Euro zugeschlagen. Tristan Tzara veröffentlichte, bevor | |
er sich 1919 nach Paris verabschiedete, „Vingt-cinq poèmes“ mit zehn | |
Holzschnitten von Arp. Ein Exemplar mit Widmung an den später mit André | |
Breton die surrealistische Bewegung dirigierenden Philippe Soupault reichte | |
Hesse für 8.500 Euro weiter. | |
In Köln löste derweil Dada-Jünger Max Ernst (aka Dadamax) mit der Schau | |
„Dada-Vorfrühling“ einen Riesenskandal aus, denn Besucher erreichten den | |
Ausstellungsraum erst, nachdem sie ein Pissoir durchquerten und an einem | |
unschuldig weiß gekleideten Mädchen, das obszöne Gedichte rezitierte, | |
vorbeigegangen waren. Das erste und einzige Heft seiner im selben Jahr | |
gegründeten Zeitschrift Die Schammade (dilettanten erhebt euch) mit | |
Illustrationen von ihm, Picabia und anderen erzielte 2013 bei Christie’s, | |
Paris, über 16.000 Euro. | |
Sollte Sammlerinteresse aufgekommen sein, ist der Erwerb der von William S. | |
Rubin 1968 erstellten Bibliografie „Dada, Surrealism, and Their Heritage„ | |
anzuraten. So ließe sich – völlig undadaistisch – System ins Vorhaben | |
bringen. | |
7 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Annegret Erhard | |
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