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# taz.de -- Dadaistische Wissenschaftskritik: urida kLosar scienCisch X²hua*We…
> Eine dadaistische Kritik der Wissenschaft wollte Paul Feyerabend einst
> schreiben. Das Duchamp’sche Urinal war ihm ein Orientierungspunkt.
Bild: Ein Alltagsgegenstand, der auch in vielen Forschungsinstituten zu finden …
Man muss sich Dada als ein ernsthaftes Anliegen vorstellen. „Der
Surrealismus war eine Schule, Dada eine Bewegung“, erklärte der Pariser
Philosoph Gilles Deleuze einer jungen Interviewerin. Die Dada-Bewegung
hatte ihren „Geburtsort“ im Schweizer Exil: in dem von Hugo Ball und Emmy
Hennings 1916 gegründeten „Cabaret Voltaire“ – in der Zürcher Spiegelga…
wo auch Lenin damals eine Exilunterkunft fand.
Zuletzt lehrte dort in Zürich, an der Eidgenössischen Technischen
Hochschule, der als „Anarchist“ bezeichnete Wissenschaftstheoretiker Paul
Feyerabend, der sich am „Duchamp’schen Dadaismus“ orientierte (der
Anarchismus hatte ihm nicht genug Humor): „Mein Ziel ist eine dadaistische
Kritik der Wissenschaft zu schreiben, und nichts würde mir mehr Freude
machen, als den der Klosettmuschel entsprechenden Gegenstand in der
Wissenschaft zu finden.“
Damit spielte er auf Duchamps „Fontäne“ an: ein um 90 Grad gekipptes Urinal
aus Porzellan, das der Künstler in New York ausstellte, wo es zunächst
einen „Kunstskandal“ auslöste, aber dann eines der „Schlüsselwerke der
modernen Kunst“ wurde.
Ob es Paul Feyerabend mit seinen Werken, unter anderen „Wider den
Methodenzwang“ und „Wissenschaft als Kunst“, gelang, einen der
Duchamp’schen Klosettmuschel entsprechenden „Gegenstand“ zu schaffen, kann
hier nicht diskutiert werden. Es geht um die Dada-Bewegung. In diesem
Zusammenhang soll an einen anderen – marxistischen –
Wissenschaftstheoretiker erinnert werden, der ebenfalls in der Schweiz
exiliert war: an Alfred Sohn-Rethel. Er war mit dem Dadaisten Kurt
Schwitters befreundet, der ihn 1941 im englischen Internierungslager für
aus Deutschland Geflüchtete porträtierte. Schwitters hatte erst in Hannover
und dann im norwegischen Exil an einem immer weiter wuchernden „Merzbau“
gearbeitet, der ein „dadaistisches Gesamtweltbild“ darstellte, Sohn-Rethel
entwarf in Luzern ein „Theoriekunstwerk“, wie der Wissenschaftshistoriker
Matthias Rothe (im Merkur 1916) dessen Kritik der warenproduzierenden
Gesellschaft nannte. Sie mündete nach 40 Jahren in sein Imposé „Geistige
und körperliche Arbeit“.
Dafür bekam er mit 78 Jahren eine Professur an der Universität in Bremen,
wo ich ihn dann für die taz fragte: Was passiert im Akt des Tauschens
genau? Antwort: „Die Individuen stellen dabei Gesellschaft her, sie wissen
es nicht, aber sie tun es, und zwar in einer Weise, an der die Natur keinen
Anteil hat. Zuvor basierte der gesellschaftliche Zusammenhang auf der
gemeinsamen Produktion und Konsumption, also auf dem elementaren
Naturverhältnis des Gemeinwesens, dem man sich mit den Mitteln der Magie zu
vergewissern suchte. Innerhalb eines Warentauschs sind alle Handlungen für
die beiden Akteure gemeinschaftliche, ihre Handlungen können nicht mehr
aufgelöst werden in beiderseitige Einzelbeteiligungen; nur wenn sie den
Vertrag unterschreiben, muss jeder seine eigene Unterschrift leisten.
## Praktischer Solipsismus
Es ist alles gemeinschaftliche Handlung, und das, obwohl sie in einem
Verhältnis der wechselseitigen Fremdheit zueinander stehen, in einem
praktischen Solipsismus, wie ich das nenne. Die Gemeinschaftlichkeit des
Handelns tritt also hier ein – im Bereich der Zirkulation, in dem Maß der
Auflösung der früheren gemeinschaftlichen Produktion und Konsumption. Im
Warentausch ist der Akt gesellschaftlich, aber die beiden Mentalitäten sind
privat; das sagt sich bündiger und klarer auf Englisch: In commodity
exchange the act is social, the minds are private.“
Halten wir fest: Wir handeln gemeinschaftlich nur im Akt des Kaufens und
Verkaufens und stehen uns deswegen in einem „praktischen Solipsismus“ (lat.
solus: „allein“ und ipse: „selbst“) gegenüber. Das war auch der „abs…
individualistische“ Ausgangspunkt von Dada im Schweizer Exil: sinnfreie
Lautgedichte, der Name stammte von einem in Zürich erhältlichen und dort
bekannten Shampoo namens „DADA“.
Wikipedia fügt hinzu: „Im Laufe des Ersten Weltkriegs breitete sich der
Dadaismus in ganz Europa aus. Überall protestierten Künstler durch gezielte
Provokationen gegen Nationalismus und Kriegsbegeisterung“...
Und nun ist es fast wieder so weit.
5 Feb 2016
## AUTOREN
Helmut Höge
## TAGS
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