Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Achtung: Jecken in Berlin auf der Straße!: Karneval der Nischenkul…
> Mit „heiterer Skepsis“ hat Berlin den Karneval in den 50er Jahren
> aufgenommen. Und weiterhin hat es der Umzug schwer. Am Sonntag aber will
> man es erneut versuchen.
Bild: Um 11.11 Uhr am Sonntag dürfen sie wieder aus ihren Löchern kriechen.
Unter zwei Ethnologinnen der Humboldt-Uni, Beate Binder und Fransziska
Becker, gibt es eine Wette. Darum, ob es den Berliner Karnevalsumzug wohl
auf Dauer geben wird.
Dabei schien es, dass Binder schon fast gewonnen hätte: Der Zug fiel die
vergangenen beide Jahre aus. Doch dieses Jahr hat es sich wieder gedreht.
Am Sonntag ziehen erneut Festwagen und Karnevalsgruppen über den
Kurfürstendamm. Rund tausend TeilnehmerInnen laufen im Zug mit und werden
Schaulustigen Kamelle zuwerfen. Die Veranstalter hoffen, dass viele kommen.
Ihr Sicherheitskonzept ist auf 250.000 BesucherInnen vorbereitet. Wobei
Klaus Heimann, Präsident des Festkomitees Berliner Karneval, zugibt, dass
er sich auch schon über 100.000 BesucherInnen sehr freuen würde.
Die BerlinerInnen nämlich wissen mit dem Karnevalsumzug nicht so viel
anzufangen, der ihnen von den 22 Karnevalsvereinen, die es in dieser Stadt
gibt, sozusagen geschenkt wird. Dabei haben Heimann und sein Festkomitee
schon viel versucht, um ihren Umzug niedrigschwellig zu gestalten. So hat
das Festkomitee ihn in „Faschingsumzug“ umbenannt. „Wir haben gedacht, da…
die Berliner vielleicht mit dem Wort Karneval nicht so viel anfangen
können“, sagt Heimann. Das Verkleiden in den Kitas und Schulen heißt hier
eben „Fasching“. „Es hat nichts gebracht“, sagt der Karnevalist. 2014 u…
2015 fiel der Zug wie gesagt aus. „Wir werden es wahrscheinlich rückgängig
machen.“
Auch diesmal ist der Termin am Sonntag eine Woche vor Rosenmontag ein
Kompromiss, damit westdeutsche Vereine teilnehmen können. Dass der Zug
zuletzt zweimal ausgefallen ist, lag nicht nur am Geld. Sie hätten auch
nicht laut genug sein dürfen, sagt Heimann. Für dieses Jahr haben sie sich
mit dem Senat geeinigt.
Es waren immer wieder Geschäftsleute, die versucht haben, dem
Karnevalsumzug in Berlin auf die Füße zu helfen. Diesmal ist Deiters, ein
Laden für Verkleidungsbedarf, der Partner und Sponsor. Laut einer
Untersuchung der Ethnologin Franziska Becker haben sich die Karnevalisten
dabei auf zwei unterschiedliche Inszenierungsweisen berufen: mal Karneval
als Brauchtum und Tradition, mal als Festival und Event.
Doch wissen Berliner überhaupt, wie ein traditioneller Karnevalsumzug geht?
In den Fünfzigern gab es schon mal Umzüge durch die Stadt. Beim ersten,
1951, hätten sie nur „heitere Skepsis“ gezeigt, heißt es in einem
Pressebericht, aus dem Becker in ihrer Untersuchung zitiert. Und der
Startruf: „Narren, freut euch des Lebens“ habe 1957 eher wie ein
„preußisches Stillgestanden“ geklungen.
Anscheinend haben die Narren damals auch die Performanz noch nicht so
richtig hinbekommen: Die Umstehenden sollen die Köpfe eingezogen haben ob
der herumfliegenden Bonbons, die ZugteilnehmerInnen hätten die Kamelle wohl
„mehr als Wurfgeschoss benutzt denn als Mannaregen“, erzählt auch Beate
Binder. „Die Art, wie man die Kamelle wirft und auffängt, das war
performativ noch nicht ganz ausgereift.“
Dass Berlin dem Karnevalesken aber generell nicht abgeneigt ist, zeigt der
Karneval der Kulturen, der immer zu Pfingsten an rund 750.000 BesucherInnen
vorbeizieht. Heimann guckt sich das durchaus neidisch an, hat auch
versucht, sich anzunähern. „Wir haben die Werkstätten besucht, wo sie ihre
Kostüme und Puppen herstellen, es war aber ein sehr einseitiges Interesse“,
erzählt er.
„Der Karneval der Kulturen bietet einfach mehr Anknüpfungspunkte in einer
Stadt, die sich sehr mit der Multikulti-Idee identifiziert“, sagt Binder.
An diese Idee versuchte auch der Berliner Karneval anzudocken. Becker
beschreibt, wie der Veranstalter 2001 den Umzug als Nischenkultur der
rheinländischen Minderheit dargestellt hat, für die in einer weltoffenen
Stadt Platz sein sollte.
So richtig gezündet hat diese Idee nicht. Karneval ist hier eben doch nur
eine Straßenfest unter vielen. Denn, dass wie in Köln die ganze Stadt
stillsteht, das schafft auch der Karneval der Kulturen bisher nicht.
30 Jan 2016
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Karneval
Umzug
Diaspora
Karneval
Fasching
Karneval der Kulturen
Karneval
Silvester
Karneval der Kulturen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Karnevalslegende und Nazi-Gegner: Köln bremst die AfD aus
Ausgerechnet die AfD will ein Denkmal für Nazi-Gegner Karl Küpper. Der
Stadtrat stoppt eine Instrumentalisierung des legendären Karnevalisten.
Fasching in Berlin: Helau? Hallo!
Berlin war nie eine Stadt, die Karneval kann. Das bewies der Autorin nun
auch der Umzug auf dem Ku’damm.
Karneval der Kulturen in Berlin: Erinnerungen an Köln werden wach
Beim Kreuzberger Karneval am Wochenende wurden zahlreiche Frauen sexuell
genötigt. Mehrere Tatverdächtige wurden festgenommen.
Karneval in Düsseldorf, Köln und Mainz: Jecken, vom Winde verweht
Mainz hat seinen Rosenmontagszug abgesagt. Und auch in Düsseldorf bleiben
die Jecken wegen der Sturmwarnung zu Hause. Köln will trotzdem feiern.
Sexuelle Übergriffe an Silvester in Köln: Freiwild zwischen Dom und Bahnhof
Nach den Angriffen will die Stadt Köln neuralgische Punkte stärker
überwachen. Die Polizeispitze muss sich Vorwürfe gefallen lassen.
Technoumzug am Samstag in Berlin: „Kein Aufguss der Loveparade“
20.000 Menschen sollen am Samstag durch die Stadt ziehen. Mit der
Loveparade habe das nichts zu tun, sagt Organisator Jens Schwan. Der
Liebeszug sei eine Demo.
Vier Tage Party der Kulturen: Braucht Berlin den Karneval?
An diesem Wochenende findet der Karneval der Kulturen zum 20. Mal statt. Es
gibt viel Kritik – an seiner Kommerzialisierung und an seinem Konzept.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.