# taz.de -- Regierungskrise in Mazedonien: Chance für einen Neustart in Skopje | |
> Ministerpräsident Nikola Gruevski will Mitte Januar zurücktreten – auch | |
> auf Druck der EU. Damit ist der Weg für vorgezogene Neuwahlen frei. | |
Bild: Will Mitte Januar zurücktreten: Mazedoniens Regierungschef Nikola Gruevs… | |
Sarajevo taz | In Mazedonien wird es zu vorgezogenen Neuwahlen im April | |
2016 kommen. Ministerpräsident Nikola Gruevski hat zugestimmt, Mitte Januar | |
zurückzutreten und einer Übergangsregierung Platz zu machen. Dem | |
vorausgegangen war allerdings ein langer Verhandlungsprozess, während | |
dessen die EU Druck auf die Regierung des Landes ausgeübt hatte. | |
Der seit 2006 regierende Vorsitzende der nationalistischen VMRO-Partei, | |
Nikola Gruevski, hatte sich in den vergangenen Jahren die autokratischen | |
Regimes in Russland, Weißrussland und Serbien zum Vorbild genommen. Der | |
Opposition gelang es jedoch, im vergangenen Frühjahr geheime Telefonate von | |
Gruevski mit führenden Mitarbeitern zu veröffentlichen. | |
Aus ihnen geht hervor, dass Gruevski tief in die korrupten Strukturen des | |
Regimes verstrickt ist. Gruevski hatte laut diesen Telefonaten auch | |
Anweisungen gegeben, gegen die Opposition und kritische Journalisten | |
vorzugehen. Die Regierung behauptete, die Telefonmitschnitte seien | |
Fälschungen ausländischer Geheimdienste. | |
Als im Mai die Polizei mittels einer „antiterroristischen Aktion“ auch noch | |
ein Albanerviertel in Kumanovo zerstörte, erklärte die Opposition, das | |
Regime versuche erneut ethnische Konflikte zwischen Albanern und slawischen | |
Mazedoniern anzufachen. | |
## 18 Tote und 37 Verletzte bei Ausschreitungen | |
In der Tat hatte sich eine bewaffnete Gruppe von Albanern in dem Viertel | |
aufgehalten, doch nach Quellen aus der Regierung Kosovos und | |
Oppositionskreisen in Mazedonien soll der mazedonische Geheimdienst seine | |
Finger im Spiel und die albanischen „Kämpfer“ angeleitet haben. Während d… | |
zweitägigen Gefechte kamen zehn Angreifer und acht Polizisten ums Leben, 37 | |
Polizisten wurden verletzt. | |
Beide Ereignisse, die Veröffentlichung der Tonbänder und die Schießereien | |
in Kumanovo, hatten im Sommer zu einer Demonstrationsbewegung geführt, die | |
nicht nur von der Sozialistischen Oppositionspartei SDSM, sondern vor allem | |
auch von der Zivilgesellschaft getragen wurde. Die Demonstranten kamen aus | |
allen Bevölkerungsgruppen (Mazedonier, Albaner, Roma und andere | |
Minderheiten) und versuchten, der vom Regime gewollten ethnischen Spaltung | |
der Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. | |
Hilfreich für die Opposition war, dass die EU sich im vergangenen Juni und | |
Juli nach den Demonstrationen der Opposition in dem Land engagiert und das | |
Regime scharf kritisiert hatte, was wiederum Russland als Verteidiger der | |
Regierung in Skopje auf den Plan rief. | |
Nach der Intervention der EU wurde im Juli ein Abkommen erzielt, das die | |
politische Krise beendete. Die Vereinbarung sah vor, dass Premier Nikola | |
Gruevski bis Mitte Januar zurücktrete und es am 24. April vorgezogene | |
Neuwahlen gebe. | |
## Organisation fairer Wahlen | |
Gruevski hat sich an diesen Fahrplan gehalten. Die oppositionellen | |
Sozialisten übernahmen Anfang Dezember das Innen- und Arbeitsministerium, | |
zudem stellt die SDMS drei Vizeminister in wichtigen Ressorts wie dem | |
Finanzministerium. Die nach dem Rücktritt Gruevskis am 15. Januar zu | |
bildende Übergangsregierung wird wohl noch stärker von der Opposition | |
beeinflusst werden. Sie soll dafür sorgen, die vorgezogenen Wahlen fair zu | |
organisieren. | |
Mazedonien scheint jetzt in eine neue politische Phase einzutreten. Denn | |
auch auf anderen Feldern wurden Fortschritte erzielt. So im Verhältnis zu | |
Griechenland. Weil Gruevski und seine Partei den griechischen Feldherrn | |
Alexander den Großen bislang als Vorläufer des mazedonischen Staates | |
feiern, blockierte Griechenland den Integrationsprozess Mazedoniens in die | |
EU und die Nato. Vor wenigen Wochen jedoch haben erste Gespräche der beiden | |
Regierungen begonnen. | |
5 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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