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# taz.de -- Verbot von Kunststoffpartikelchen: Deutschland Mikroplastikland
> Die USA, Kanada und die Niederlande verbannen Mikroplastik – in der Natur
> und in Kosmetika. Aber Deutschland setzt auf Freiwilligkeit.
Bild: Sieht hübsch aus, ist aber gar nicht schön.
BERLIN taz | Sie sind mikroskopisch klein, praktisch unvergänglich und
kommen zu Tausenden vor. Kleine Plastikteilchen treiben im Rhein und
gefährden Muscheln und andere Organismen. Bis zu 3,9 Millionen Partikel pro
Quadratkilometer haben Umweltwissenschaftler der Uni Basel nun in der
obersten Schicht des Flusses gefunden. Rechnet man das hoch, so gelangen
pro Jahr auf diesem Weg 10 Tonnen Plastik ins sowieso schon vermüllte Meer.
Wissenschaftler und Umweltschützer fordern nun als ersten Schritt dagegen
ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetikprodukten. Doch die Bundesregierung
hält davon nichts.
Als Mikroplastik werden alle Kunststoffteilchen mit unter 5 Millimetern
Durchmesser bezeichnet. Sie stammen aus der Industrie, vom Abrieb von
Autoreifen, gelangen beim Waschen von Fleece-Jacken ins Wasser oder
entstehen bei der Zersetzung von größeren Plastikteilen. Außerdem setzen
Hersteller von Kosmetika sie ein, um beispielsweise eine Peeling-Wirkung zu
erzeugen.
Nach Gebrauch gelangt das Plastik über das Abwasser in freie Gewässer.
Tiere, die das Wasser auf der Suche nach Nahrung filtern, nehmen die
kleinen Kügelchen auf. Damit gelangen auch Umweltgifte wie DDT oder PCB in
die Nahrungskette. Denn das Mikroplastik zieht diese wie ein Schwamm an.
Mikroplastik findet sich inzwischen in Fischen, Muscheln, Robben und
kleineren Organismen wieder.
Die Bundesregierung bevorzuge einen freiwilligen Ausstieg aus der
Verwendung von Mikroplastik gegenüber rechtlichen Regelungen, antwortet sie
auf eine schriftliche Anfrage der Grünen. Auf dieses gemeinsame Ziel habe
sie sich im sogenannten Kosmetikdialog mit der Industrie geeinigt.
Bezüglich weiterer Maßnahmen setze die Bundesregierung auf eine europaweite
Regelung.
## Längst gibt es Alternativen
Peter Meiwald, Sprecher für Umweltpolitik der Grünen im Bundestag, findet
das zu wenig: „Mikroplastik muss verbindlich aus Kosmetika verschwinden.
Dafür braucht es gesetzliche Regeln.“ Es genüge nicht, sich hier allein vom
guten Willen der Verursacher abhängig zu machen, die von der Verschmutzung
letztlich profitieren.
„Deutschland hinkt eindeutig hinterher“, findet auch Nadja Ziebarth,
Meeresreferentin bei der Umweltorganisation BUND. Duschgels und
Gesichtspeelings sind zwar nur eine von vielen Quellen, laut Ziebarth aber
die „absurdeste“, da sie am leichtesten vermeidbar wäre. Längst gäbe es
genügend natürliche Alternativen, zum Beispiel Kieselsäure, Leinsamen oder
Heilerde, welche die gleiche Wirkung erzielten.
Andere Länder sind da weiter. Das Repräsentantenhaus der Vereinigten
Staaten hat Mitte Dezember einstimmig ein Gesetz verabschiedet, das die
Herstellung und den Verkauf von mikroplastikhaltiger Kosmetika verbietet –
zum Schutz der Flüsse, Seen und Meere. Bereits zuvor hatten sieben
US-Staaten, darunter seit Oktober auch Kalifornien, den Einsatz von
Mikroplastik in Kosmetika und Reinigungsmitteln untersagt. Auch Kanada und
die Niederlande kündigten ein solches Verbot an.
## Körnige Teilchen weg, Nano-Teilchen bleiben?
Ziebarth misstraut dem freiwilligen Ausstieg der Hersteller. Obwohl es
durchaus einige Erfolge gab: Seit einem Jahr sind alle in deutschen Läden
erhältlichen Zahncremes frei von Mikroplastik. Außerdem verkündeten mehrere
Firmen, bis Ende 2015 ihre Produkte mikroplastikfrei zu machen. Unilever
und Beiersdorf bestätigten ihren Ausstieg auf Anfrage der taz.
Ziebarth befürchtet aber, dass manche Hersteller nur körnige
Kunststoffteilchen entfernen und sie beispielsweise in flüssiger Form oder
im Nanogrößenbereich drin lassen. Wichtig sei aber, dass gar kein Plastik
mehr enthalten ist, egal in welcher Form und Größe, so Ziebarth.
Nanokunststoffpartikel könnten nämlich sogar noch schädlicher sein, da sie
von den Tieren in die Zellstruktur eingebaut werden können. Was mit den
Organismen dann genau passiert, sei noch ungewiss, bei Muscheln könne das
aber zu Geschwüren führen, erklärt die BUND-Referentin.
Sie setzt ihre Hoffnung in Europa auf die Niederlande: dass diese ihren
angekündigten Ausstieg Ende 2016 einhalten und das Thema nächstes Jahr als
EU-Ratspräsidentschaft auf die Tagesordnung nehmen.
28 Dec 2015
## AUTOREN
Selina Fehr
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