# taz.de -- Die Wahrheit: Weihnachten revelliert sich | |
> Als moderner Nomade besucht man gern zum Fest Freunde. Das birgt | |
> allerdings so manches Risiko nicht nur für die Gastgeber. | |
Bild: Der Festtraum für alle Trekkies: eine motorrollende Enterprise. | |
Das Weihnachtsverhalten der Deutschen hat sich definitiv verändert. | |
Mittlerweile gibt es sogenannte Weihnachtsnomaden. Das sind Menschen, die | |
ihre eigenen Wohnungen verlassen und in den stillen Tagen zu Freunden | |
ziehen. Denn diese Freunde haben es warm, ja mollig und sie zahlen die | |
Heizkostenrechnung. In diesem winterlosen Jahr empfinden es einige der | |
Weihnachtsnomaden dort „für die Jahreszeit zu warm“, regelrecht überheizt. | |
Der typische Weihnachtsnomade reagiert dann und macht eine Zeitlang die | |
Fenster auf. Wenn die Freunde nicht da sind. An den Thermostaten soll und | |
will man als Besuch lieber nicht drehen. | |
Die besuchten Freunde sind in der Regel kinderlos oder die Kinder sind | |
schon lange ausgezogen oder gerade zu „work-and-travel“ in Neuseeland. Es | |
besteht in den Nomaden-Heimen also nirgends Grund für Weihnachtsmann-Alarm. | |
Trotzdem tun diese Freunde Dinge, die sie ihrem Besuch vorwerfen würden. | |
Alle haben Adventskränze. Mit Kerzen. „Meine Frau!“, flüstert der Gastgeb… | |
seinem Weihnachtsnomaden zu. | |
Alle besitzen eine Tanne, die sie sich haben zurückstellen lassen und die | |
jetzt der Weihnachtsnomade mit seinem Kombi abholen muss. Der macht das | |
gern, obwohl die Tanne schon nadelt, denn er trinkt jeden Abend den | |
Freundeswein. Natürlich hatte der Nomade bei Anreise eine Flasche | |
mitgebracht. Eine! Seither trinkt man den Wein der Gastgeber, und die | |
achten darauf, dass ihrer nicht billiger ist als der mitgebrachte. Man muss | |
also nur eine genügende Anfangsinvestition tätigen, um dann einige Zeit | |
exzellente Jahrgänge zu bekommen. | |
Herr S. ist solch ein Nomaden-Gastgeber. Sein Kühlschrank ist voll, die | |
Weine liegen parat. Frau V., die neue Frau in seinem Leben, hatte gesagt: | |
„Wir haben Besuch, also haben wir auch einen Baum!“ Herr S. musste zum | |
Erstaunen seiner Nomaden erstmals einen Baum schmücken. Mit dem Baumschmuck | |
von Frau V., den sie in die Beziehung und die Wohnung mit einbrachte! Herr | |
S. wiederum kaufte dann alles verfügbare Lametta auf, denn vor wenigen | |
Tagen las er, die Traditionsfirma Riffelmacher & Weinberger habe als letzte | |
Firma nun letztmals ausgeliefert. Die deutsche Lamettaproduktion sei ab | |
sofort eingestellt. | |
Nun hat er mit dem Lametta den Baum dekoriert. Er hat ihr, um dem | |
berechenbaren Nomaden-Spott zu entgehen, einen „eigenen“ Zweig abgehandelt. | |
Für ein Raumschiff! Herr S. sitzt deshalb in seinem Wohnzimmer und klebt an | |
der U.S.S. Enterprise NCC-1701. Von Revell. „Die neue Enterprise mit Chris | |
Pine als Kirk ist zu groß für den Baum, ich hab ja nur einen Zweig!“, ruft | |
er seinen Nomaden zu, die nun selber das Frühstück bereiten müssen. | |
Die sind nicht ohne Verständnis, haben sie doch, zumindest der männliche | |
Teil, als Kind Schiffe von Revell zusammengeklebt. Mit Uhu, der tropfte! | |
Herr S. hingegen klebt mit leuchtenden Augen und „Revell Contacta | |
Professional Kleber“ graue Plastikteile aneinander. | |
Alle paar Minuten setzt er sich zu seinen Weihnachtsnomaden. „Trocknen | |
lassen!“, sagt er dann. Und fragt: „Klebe ich den Korpus schon zusammen und | |
hau da Silvester einen Böller rein, oder kauf ich irgendwann ne LED-Leuchte | |
für innen?“ Er will überhaupt gar keine Antwort. Es spricht aus ihm: „Da | |
kann eigentlich auch noch eine Leuchte in den Antriebskörper.“ | |
23 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernd Gieseking | |
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