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# taz.de -- Konsumsucht durch Beauty-Hauls: Die Aufbrauchmonster
> 21 Duschgels, 78 Nagellacke, 9 Mascaras: „Aufbrauchen“-Videos helfen beim
> Ausmisten von überquellenden Badezimmerregalen.
Bild: Können diese Nagellack-Fläschchen jemals aufgebraucht werden?
Berlin taz | Hauls haben in den letzten Jahren das Internet überschwemmt.
Das Stichwort „Haul“ bringt auf YouTube über 12 Millionen Treffer. Das
Prinzip ist einfach: Vor laufender Kamera ziehen – in der Mehrheit – junge
Frauen und Mädchen ihre jüngsten Einkäufe aus Plastiktüten heraus und
erklären, warum sie welche Produkte gekauft haben. Vorgestellt werden
Kleidung, Essen und Bücher. Am beliebtesten sind Produkte aus
Drogeriemärkten: Duschgel, Nagellack, Deo und Co sind für kleine Beträge zu
kaufen und sprengen den engen Taschengeldrahmen von Teenagern nicht.
Eine Folge der Hauls ist, dass bei vielen Mädchen zahlreiche ungenutzte
Fläschchen, Dosen und Kosmetika herumstehen. Ein Phänomen, das dem
entgegenwirkt, verbreitet sich recht unauffällig auf YouTube: das
„Aufbrauchen“. Selbsternannte „Deosuchtis“ und „Aufbrauchmonster“ l…
Videos hoch, in denen dem Überquellen der Badezimmerschränke Einhalt
geboten wird. Im englischsprachigem Raum ist das „Aufbrauchen“ unter dem
Begriff „Use It Up Beauty“ bekannt und bringt über 1,1 Millionen Treffer
auf Youtube, was im Vergleich zur Masse der Haul-Videos noch
vergleichsweise gering ist.
Das „Project 10 Pan“ stellt Regeln für das „Aufbrauchen“ auf. Sich auf…
Produkte zu konzentrieren, keine Neukäufe zu tätigen und zuerst die Artikel
zu benutzen, deren Mindeshaltbarkeitsdaten ablaufen. Auf YouTube sind zudem
Tutorials zu finden, die Tipps zum effektiven Aufbrauchen geben. Anke
Hering von der Verbraucherzentrale NRW begrüßt das „Projekt 10 Pan“. Doch
die „Klickzahlen der einzelnen Videos sind allerdings noch kein Anlass für
Euphorie.“
Die Altersstruktur der AufbraucherInnen ist heterogen: Während Haul-Videos
hauptsächlich von Teenagern gedreht werden, spricht das „Aufbrauchen“
sowohl 14-Jährige als auch 40-Jährige an. Weitere Plattformen auf denen
sich die Frauen und Mädchen über ihren Stand im „Aufbrauchen“ austauschen…
besonders in den Kommentarspalten – sind [1][Beautyblogs] und Instagram.
Erfolge werden mit Fotos von leeren Verpackungen, den „Empties“, oder
aktualisierten Bestands-Listen dokumentiert. Unter dem Hashtag „Empties“
sind bislang lediglich 51.129 Beiträge auf Instagram veröffentlicht, der
Hashtag „Haul“ kommt mit 930.970 Fotos auf eine deutlich größere Zahl .
## Viele Kosmetikprodukte
Ein „Aufbrauchen“-Video beginnt oft wie ein Haul-Video: eine knisternde
Tüte gefüllt mit Dosen, Flaschen, Packungen und Spraydosen wird vor der
Kamera präsentiert. Doch hier sind die gesammelten, bunten Verpackungen
leer.
Die YouTuberin [2][Roses Are Red] erklärt, was sie zum Dreh ihres Videos
„Ich will, muss aufbrauchen“ bewogen hat: „Durch eigene Einkäufe,
Geschenke, Tausch- und zugesendete Testprodukte hat sich bei mir eine Menge
angesammelt. Ziel war es, meinen Beauty-Bestand zu verkleinern.“ Zu Beginn
des Videos stellt Roses Are Red einige Produkte vor, die sie innerhalb der
kommenden drei Monate aufbrauchen möchte, unter anderem zwei Body-Lotions,
eine milde Gesichtsreiningung, eine Fußbutter. Kleine Updates per Video
folgen nach einem Monat, bis dann am Ende die leeren Verpackungen den
Erfolg des Aufbrauchen-Projektes zeigen.
Die YouTuberInnen, die Aufbrauch-Videos hochladen, aber auch ihre
ZuschauerInnen besitzen oft viele Pflegeprodukte. Der Grund dafür ist, dass
viele Mädchen „angefixt werden von neuen Produkten, außergewöhnlichen
Verpackungsdesigns oder Limited-Editions, die sie in Videos sehen“, erklärt
Erdbeerliese, ebenfalls YouTuberin.
Erdbeerliese bewertet den Haul-Trend kritisch: „Viele kaufen nur noch
wahllos ein, laden im Monat mehrere große Hauls hoch und geben Unmengen an
Geld für Dinge aus, die sie schon zigfach zuhause haben.“ Sie selber hat
ihren Bestand verkleinert und das Ergebnis im Video [3][“Ausmisten XXL“]
festgehalten. „Ich habe mich irgendwann von der Masse der Produkte komplett
erdrückt gefühlt.“ Erdbeerliese thematisiert in einem anderen Video die
[4][Konsumsucht durch YouTube].
## Klärung der Bedürfnisse
Hering sagt, „dass sich die Verbraucherzentrale NRW grundsätzlich für
nachhaltiges Konsumverhalten einsetzt und für informierte, aufgeklärte
VerbraucherInnen – ein Haul ist natürlich das genaue Gegenteil.“ Um bereits
früh einzugreifen, bieten sie außerschulische Bildungsangebote für Kinder
und Jugendliche an. Kaufwunsch und Bedürfnisse werden in diesen Einheiten
geklärt. Anfragen zu den negativen Auswirkungen von Hauls habe es von
VerbraucherInnen bisher nur in Verbindung mit Schleichwerbung gegeben, für
deren Klärung aber die Landesmedienanstalten zuständig seien.
Christoph Werner, dm-Geschäftsführer und verantwortlich für das Ressort
Marketing, kann keine „direkte Verbindung zwischen Hauls und höheren
Verkaufszahlen feststellen.“ Er räumt ein, dass es „auf der subjektiven
Ebene betrachtet nahe liegt, dass virale Aktionen durchaus zu einer
verstärkten Nachfrage von Produkten beitragen können.“ Dies ist nicht
zuletzt durch die Ankündigung von YouTube-Star Bibi, eine eigene Marke bei
dm anzubieten, und dem darauffolgenden Hype im Internet abzulesen.
23 Dec 2015
## LINKS
[1] http://fraustachelbeeretestet.blogspot.de/2015/02/project-10-pan.html
[2] http://www.youtube.com/channel/UCSmjmh7x-qqXstddj4Zg4Hg
[3] http://www.youtube.com/watch?v=kbX2JnZW4mk
[4] https://www.youtube.com/watch?v=Cqmyc-zk0kE
## AUTOREN
Merle Büter
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