# taz.de -- Kampf gegen Freihandelsabkommen: Gutbürger auf Protesttour | |
> Anti-TTIP-AktivistInnen besuchen Joachim Schuster – und fordern, dass der | |
> Europaabgeordnete beim SPD-Parteitag Druck macht. | |
Bild: Sigmar Gabriel weiß die WählerInnen in Sachen Freihandel hinter sich | |
Bremen taz | 130 Menschen kommen selten gleichzeitig zu Besuch bei Joachim | |
Schuster. Der Bremer EU-Abgeordnete der SPD, dessen nicht allzu großes Büro | |
an der Obernstraße liegt, hatte gestern ähnliche Gastgeber-Engpässe wie 230 | |
weitere Funktionsträger seiner Partei, die am Donnerstag als Delegierte zum | |
SPD-Bundesparteitag reisen. Da sollen sie, so der Wunsch der BesucherInnen, | |
gegen TTIP und Ceta Front machen. | |
Dass die Abkürzungen für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ und | |
„Transatlantic Trade and Investment Partnership“ mit Kanada und den USA | |
kaum noch erklärbedürftig sind, ist das Verdienst solcher Leute wie Thomas | |
Milowski, der den Gruppenbesuch bei Schuster organisiert hat. Milowski ist | |
eigentlich Musiker und Lehrer an der städtischen Musikschule, aber TTIP und | |
CETA treiben ihn schon lange um. „Diese Handels- und Investitionsabkommen | |
bedeuten die Aushöhlung der Demokratie auf höchster Ebene“, warnt er. | |
Deswegen hat er für Campact nun auch diese Bürobegehung organisiert. | |
Schuster reagiert ausgesprochen freundlich auf die drängelige Situation. Er | |
sieht große Schnittmengen zwischen seinen Positionen und denen der | |
Aktivisten. In der Tat gehörte Schuster im September 2014 zu der Mehrheit | |
des SPD-Konvents, die sich für „rote Linien“ gegen TTIP und Ceta stark | |
machte. Allerdings ist da noch ein Parteichef, der zugleich | |
Wirtschaftsminister ist. „Es gibt manchmal verwirrende Äußerungen des | |
Vorsitzenden“, sagt Schuster diplomatisch in Bezug auf Sigmar Gabriels | |
Haltung zu den Freihandelsabkommen. Deswegen solle Schuster auf dem | |
Parteitag ja gut sichtbar ein rotes Lineal für die „roten Linien“ in die | |
Höhe halten, entgegnet Milowski – und überreicht Schuster mehrere | |
Exemplare. | |
Der versichert, dem Ceta-Abkommen in seiner aktuellen Ausformung nicht | |
zuzustimmen. Bei TTIP müsse gesichert werden, dass keine Sonderklagerechte | |
von Konzernen auf entgangene Gewinne entstünden und hiesige Umwelt- und | |
Sozialstandards nicht ausgehöhlt würden. Durch den Regierungswechsel in | |
Kanada oder auch bei einer möglichen US-Präsidentin Clinton sei allerdings | |
möglich, meint Schuster, dass die avisierten Abkommen auch von der anderen | |
Seite des Atlantiks her wieder infrage gestellt werden. | |
Wäre es die bequemere Variante, wenn sich der Konflikt so erledigen würde? | |
„Nein“, sagt Schuster. Er halte es für notwendig, über eine Regulierung d… | |
Welthandels zu verhandeln. Oft werde den Kritikern der Freihandelsabkommen | |
Anti-Amerikanismus unterstellt, bedauert Schuster, aber darum gehe es „nun | |
wirklich nicht“. | |
„Gehören Sie zu den 128 Auserwählten, die die Vertragsentwürfe einsehen | |
dürfen?“, will ein Aktivist wissen. Mittlerweile seien alle 751 Mitglieder | |
des EU-Parlaments einsichtsbefugt, antwortet Schuster, „das ist doch ein | |
großer Transparenzfortschritt“. In der Tat war die „Transparenz“ anfangs | |
auf 13 Personen begrenzt. So gesehen hat sie sich versiebenundfünfzigfacht. | |
Allerdings ist fraglich, ob die bloße Lektüre im Lesesaal des Parlaments | |
ausreicht, einen Nicht-Juristen auf Fallstricke im rund 1.600-seitigen | |
Entwurfs-Werk aufmerksam zu machen. Schuster beispielsweise ist | |
Politikwissenschaftler. Unumwunden gesteht er ein: „Ohne Experten | |
hinzuziehen, können wir das nicht wirklich kontrollieren.“ | |
Trotzdem scheint Schuster einigermaßen optimistisch: Die Möglichkeit der | |
Kommunen, selbst über Ver- oder Rückkauf kommunaler Netze zu entscheiden, | |
bleibe erhalten, betont er: „Das werden wir gemeinsam mit Ihnen | |
hinkriegen.“ | |
7 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Henning Bleyl | |
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