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# taz.de -- Attacke auf betriebliche Mitbestimmung: Kuschelfirma spielt falsch
> Der Hamburger Spieleentwickler Goodgame feuert 28 Beschäftigte, die einen
> Betriebsrat gründen wollten. Für Ver.di ist das idyllische Image nur
> Fassade.
Bild: Ein Hauch von Silicon Valley: Wer braucht da schon Mitbestimmungsrechte?
HAMBURG taz | 28 Rausschmisse auf einen Schlag, queerbeet durch alle
Bereiche. Der Aufschrei der Gewerkschaft Ver.di kam prompt – aber nicht
wegen der Zahl der Kündigungen selbst, die sich da abspielte beim Hamburger
Online-Spiele-Entwickler Goodgame Studios. Sondern weil die entlassenen
Software-Entwickler, Spieldesigner und Marketingspezialisten allesamt zu
den Mitarbeitern zählten, die zusammen mit Ver.di eine Betriebsratswahl in
dem Unternehmen vorbereiteten. „Das spricht eine deutliche Sprache“, sagt
die Ver.di-Fachbereichsleiterin Gabriele Weinrich-Borg. „.Es drängt sich
der Verdacht auf, dass der Branchenriese die betriebliche Mitbestimmung
attackieren will.“
Nach außen vermittelt das Unternehmen gerne das Image einer intakten
Firmen-Familie, in der man sich duzt – wobei freilich ohnehin Englisch
gesprochen werde – und in der man sich wohl fühlt: eigener Pool im Garten,
Freibier am Abend, Öko-Frühstück in der Cafeteria, Events mit Feuerwerk.
Ein Hauch von Silicon Valley in Hamburg-Bahrenfeld also. Einst wurde sogar
eine Feelgood-Managerin angeheuert, um die insgesamt 1.200 Mitarbeiter zu
motivieren und ihnen das Gefühl zu vermitteln, die Zeit im Büro sei ein
wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Es sei einfach „cool“ gewesen, zu einer
solchen Gemeinschaft von „Gleichgesinnten“ zu gehören, schwärmten
Mitarbeiter.
## „Feelgood“ für gerade einmal Mindestlohn
Heute denken viele der Beschäftigten wohl eher, dass sie sich blenden
ließen und von ihrem Arbeitgeber ausgenutzt werden. „Das positive Image
dieses Unternehmen deckt sich nicht mit dem Umgang zu seinen
Beschäftigten“, sagt Gewerkschafterin Weinrich-Borg. „Vier Wochen
Jahresurlaub, viele zeitliche Befristungen und bei einigen gibt es gerade
mal den Mindestlohn – und jetzt die Entlassungen.“
18 der 28 davon Betroffenen, darunter ein Schwerbehinderter, haben beim
Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage eingereicht. Ein Zusammenhang zwischen
den Kündigungen zum Jahresende und der Betriebsratswahl sei schwer
nachzuweisen, sagt Weinrich-Borg, aber die Anzeichen seien „sehr
eindeutig“.
Die Geschäftsführung bestreitet das: „Nach eingehender Prüfung hat das
Unternehmen entschieden, sich aus betrieblichen Gründen, wie zum Beispiel
Leistungsdefiziten, von 28 Mitarbeitern aus unterschiedlichen Abteilungen
mit umgehender Wirkung zu trennen“, sagte ein Goodgame-Sprecher dem
Hamburger Abendblatt.
## Wahl wird trotzdem vorbereitet
Die Betriebsratswahl bereitet Ver.di trotzdem vor: Für den 19. Januar lädt
die Gewerkschaft zu einer Betriebsversammlung ein, um einen Wahlvorstand zu
küren. Der zunächst geplante Termin Ende 2015 habe nicht stattfinden
können, berichtet die Gewerkschaftern – das Unternehmen konnte keine
ausreichend großen Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.
Die Verspätung hat unter anderem den Nachteil, dass die Gekündigten an der
Betriebsversammlung nicht mehr teilnehmen können; kandidieren allerdings
können sie für den Betriebsrat noch: Das Arbeitsgericht hat über die
Kündigungen noch nicht abschließend entschieden.
Trotz der Wahlversammlung und den Kündigungen, welche die
Goodgame-Selbstdarstellung erschüttern, hält die Geschäftsführung am
Widerstand gegen einen Betriebsrat fest. Die Firmengründer Kai und
Christian Wawrzinek sollen sich auf einer internen Versammlung als Opfer
dargestellt und gefordert haben, niemand solle „Feinde“ von außen
unterstützen, die die „Goodgame-Familie zerstören“ wollten.
„Der Arbeitgeber hat argumentiert, ein Betriebsrat sei old-fashioned“, sagt
Ver.di-Frau Weinrich-Borg. „Gerade in einer jungen Branche“, mahnt sie,
„muss den Beschäftigten klar sein, dass sie ohne die Wahl eines
Betriebsrates darauf verzichten, bei wichtigen Anliegen wie Arbeitszeiten
oder Kündigungen ein Wörtchen mitzureden.“
17 Dec 2015
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Verdi
Hamburg
Mindestlohn
Arbeitsrecht
Betriebsrat
Mitbestimmung
IT-Branche
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Bremen
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