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# taz.de -- Bio in Bremen ohne Mitbestimmung: Betriebsrat-Zoff beim Bioladen
> In einer Bremer Filiale der Biokette Alnatura scheiterte die Wahl eines
> Betriebsrates – an der Geschäftsführung, so der Vorwurf mehrerer
> Angestellter.
Bild: Bei Alnatura soll ein „anderes“ Wirtschaften möglich sein, meint der…
Bremen taz | Fairtrade-Kaffee, Bio-Schokolade und Nachhaltigkeitsprinzip:
Wenn es um die Außenwirkung geht, setzt die Bio-Supermarktkette Alnatura
voll auf den Gutfühl-Duft eines „anderen“ Wirtschaftens.
Glaubt man jedoch dem Bericht mehrerer MitarbeiterInnen aus Bremen, so
sieht das nach Innen etwas anders aus: Am vergangenen Donnerstag wollten
sie in der Filiale in der Faulenstraße auf einer Versammlung eine
Betriebsratswahl organisieren. Doch das Einsetzen eines Wahlvorstandes
scheiterte – Filialleitung und Vorgesetzte hätten die Wahl hintertrieben,
so der Vorwurf der MitarbeiterInnen.
Schon als Mitte Oktober zu der Versammlung aufgerufen wurde, habe das bei
der Filial- und der Gebietsleitung für Aufregung gesorgt, sagte
Alnatura-Mitarbeiterin Kai Wargalla der taz. Die Studentin ist politisch
bei den Grünen aktiv und hat in der Filiale in der Faulenstraße einen
Nebenjob. In den Tagen vor der Versammlung hätten die Vorgesetzten in
Mitarbeitergesprächen ihren Unmut über die Idee eines Betriebsrat geäußert.
Als dann am Donnerstag der Wahlvorstand gewählt werden sollte, habe der
Gebietsleiter von Alnatura die ganze Zeit vor der Tür gewartet – anders als
das Team der Filialleitung gilt er offiziell als „leitender Angestellter“
und darf er an der Wahl nicht teilnehmen. Ein Mitglied der Filialleitung
sei in der Pause nach draußen gegangen, um sich mit ihm abzusprechen,
behaupten mehrere Mitarbeiter.
Als die Wahlzettel ausgeteilt werden sollten, seien aus dem Team der
Filialleitung dann noch drei weitere Kandidaten aufgestellt worden. Danach
seien auf die einzelnen WahlvorstandskandidatInnen zu wenige Stimmen
entfallen – das Vorhaben scheiterte. „Die Wahl wurde durch taktische
Spielchen verhindert“, kritisierte Wargalla.
## Netto-Umsatz von 689 Millionen Euro
Sandra Schmidt, Gewerkschaftssekretärin bei Ver.di in Bremen, bestätigte
der taz die Vorwürfe. „Wir lassen derzeit prüfen, inwiefern durch den
Gebietsleiter die Wahl beeinflusst wurde und ob wir arbeitsrechtliche
Schritte einleiten“, sagte Schmidt. Einen Wahlvorstand für die
Betriebsratswahl wolle man nun mit Hilfe des Arbeitsgerichtes einsetzen
lassen. Das Vorgehen Alnaturas beschrieb die Gewerkschafterin als
„Umarmungstaktik“. „Vordergründig ist man freundlich, aber hintenrum
versucht man, einen Betriebsrat zu verhindern“, sagte Schmidt. „Bei einem
Unternehmen wie Alnatura hätte ich das nicht erwartet.“
Ein Mitarbeiter der Filiale, der anonym bleiben möchte, berichtete der taz,
dass sich der Umgangston bei Alnatura sehr verschlechtert habe. „Es gibt
deutlich mehr Druck von oben“, sagte er. In den letzten Wochen seien
MitarbeiterInnen entlassen oder versetzt worden. Auch deshalb sei die Idee
eines Betriebsrates entstanden. Die Filiale in der Faulenstraße in Bremen
hat 22 MitarbeiterInnen – ab einer Größe von 20 Angestellten hat ein
Betriebsrat das Recht, bei Versetzungen und Einstellungen mitzuwirken.
Laut Unternehmensangaben machte Alnatura im Geschäftsjahr 2013/2014 einen
Netto-Umsatz von 689 Millionen Euro. Bundesweit gibt es mittlerweile 98
Filialen – darunter nur eine mit einem Betriebsrat. Einen Gesamtbetriebsrat
gibt es nicht. Der wäre erst möglich, wenn in einer weiteren Filiale ein
Betriebsrat hinzukäme – wie es nun in Bremen der Fall wäre.
Alnatura-Sprecherin Stefanie Neumann erklärte, die Mitarbeiter in Bremen
hätten sich „gegen die Wahl eines Betriebsrats ausgesprochen“.
Grundsätzlich stehe man dem Wunsch „natürlich nicht entgegen“. In Firmen,
in denen „die Mit-Gestaltung der Mitarbeiter ein wesentlicher Bestandteil
des Arbeitslebens“ sei, entstehe „eher selten das Bedürfnis nach einem
Betriebsrat“, behauptete Neumann. „Interessenvertretungen bilden sich dann,
wenn das Gefühl überwiegt, dass die Interessen der Mitarbeiter nicht
ausreichend berücksichtigt werden. Dass dies jetzt in Bremen nach
Auffassung einiger Mitarbeiter der Fall ist, bedauern wir sehr.“
Ähnlich hatte Alnatura argumentiert, als 2010 bekannt wurde, dass
MitarbeiterInnen teilweise unter Tarif bezahlt wurden. Nach Medienberichten
lenkte das Unternehmen damals ein und glich die Löhne dem Tarif an.
Offiziell tarifgebunden ist Alnatura laut Gewerkschaft Ver.di aber bis
heute nicht. Bundesweit sehen Gewerkschafter in dem Bereich noch
Nachholbedarf. „In der Branche der Bio-Supermärkte gibt es nur vereinzelt
Betriebsräte“, sagte Ver.di-Sprecherin Eva Völpel.
26 Oct 2015
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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